Marokko

Reisezeit: April 2008  |  von Udo Pagga

Macht hinter Mauern

In Rabat, der Hauptstadt des Landes, hatten wir als geführte Gruppen das Privileg durch das Palasttor in den Hof des königlichen Palastes fahren und uns auf etwa 50 Meter dem Haupteingang nähern zu dürfen. Einzelreisende können davon nur träumen. Der Platz ist groß, sehr sauber, fast steril, sehr öde und fast menschenleer bis auf die Wache und die königlichen Diener, die mit weißen Jelabias und rotem Fez hin und wieder den Eingang passierten. Wie so oft und nicht nur in diesem Land hat sich die Macht hinter hohen Mauern verschanzt und sich gut gegen die abgeschirmt, von denen sie sie bekommen oder genommen hat. Ebenfalls hinter Mauern, malerisch an einen Hang gebettet und für Ungläubige tabu, dehnt sich der Hauptfriedhof aus und seine Liegeplätze mit Blick auf das Meer sind heiß begehrt, so heiß, wie es die Liegeplätze der Yachten sein werden, wenn der pompöse Yachthafen, der einen Steinwurf weit entfernt ist, erst einmal fertig gestellt ist. Eine Investition, die die Marokkaner bestimmt dringend brauchen. Seltsamerweise und anders als Moscheen und Friedhöfe ist das Mausoleum von Mohammed V für die Giaur frei zugänglich. Es ist ein Prunkbau auf dem Gelände einer unvollendeten Moschee, die alle anderen in den Schatten gestellt hätte, wenn, ja wenn die Macht ausgereicht hätte, um sie zu vollenden. Weitaus sympathischer und schöner war die Chella, die Totenstadt der Meriniden und das nicht nur wegen der zahlreichen Störche und Reiher auf den Bäumen oder wegen der Quelle mit den heiligen Aalen, die von Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch mit gekochten Eiern gefüttert werden, sondern wegen des sichtbaren Beweises, dass auch die größten und festesten Mauern eines Tages nur noch malerische Ruinen sind. Ruinen, wie sie in der Römerstadt Volubilis, der größte Siedlung zu Beginn der Zeitenwende im westlichen Afrika, zu besichtigen sind. Säulen und Mosaike aber nur wenige Mauern haben die zwei Jahrtausende überstanden. Mauern sieht man dafür wieder im Zentrum der alten Königsstadt Meknes. Die Zufahrt in die Altstadt ist eine lange, schmale Straße, die auf der einen Seite von der Palastmauer, auf der anderen Seite von der Stadtmauer begrenzt wird. Aber auch die höchsten und längsten Mauern bieten keine Gewähr für die Bewahrung der Macht. Auch in Marokko haben sich die Dynastien abgewechselt und für ein halbes Jahrhundert war es sogar eine französische Kolonie. Die Langzeitwirkung dieser Phase ist für den Besucher durchaus positiv, man kommt mit Französisch gut durchs Land und es gibt überall frische Baguettes.

© Udo Pagga, 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Rundreise Marokko
Details:
Aufbruch: 07.04.2008
Dauer: 12 Tage
Heimkehr: 18.04.2008
Reiseziele: Marokko
Der Autor
 
Udo Pagga berichtet seit 16 Jahren auf umdiewelt.