Guatemala - erste Begegnung mit Mittelamerika

Reisezeit: Februar 2005  |  von Ingo Runde

Mayaruinen und Regenwald

In nur zwei Wochen hatte ich nicht die Moeglichkeiten, alles, was Guatemala zu bieten hat, in aller Ausfuehrlichkeit zu sehen. Also musste ich Kompromisse machen. Einer davon bestand darin, eines der Highlights dieses Landes - Tikal - im Rahmen eines organisierten Zwei-Tages-Ausflugs zu besichtigen. Das war nicht unbedingt die guenstigste Moeglichkeit, aber es war auf jeden Fall volle Pulle vale la pena, es hat sich gelohnt.
Tikal liegt im Norden von Guaemala mitten im Regenwaldgebiet Peten. Es herrscht ein tropisches Klima, also ziemlich heiss, zumindest in der Zeit, in der ich dort war. Wobei ich - wie ich spaeter von anderen gehoert habe - sehr viel Glueck hatte, denn es hat nicht geregnet. Und das ist wohl eine grosse Ausnahme.
Von Antigua ging es um 4.30 Uhr los, ich sollte an meinem Hostel abgeholt werden. So war es zumindest vereinbart. Allerdings wartete ich - und wartete - und wartete, bis ich schliesslich um 5.15 beschloss, zum Placa Major zu laufen und zu versuchen, ein Taxi zu bekommen, dass mich mit Hoechstgeschwindigkeit zum Flughafen bringt. Mein Flug ging um 6.00, Fahrtzeit ca. 45 Minuten. Gerade, als ich gehen wollte und ich mir schon in spanisch meine Wutausbrueche und Beschwerden bei dem Travel Agent ueberlegt habe, kam der Minibus an. Der Fahrer war sehr freundlich und hat erklaert, dass der andere Minibus einen Unfall hatte. Kann ja passieren. Er hat dann auf dem Weg zum Flughafen in Guatemala City die Hoechstgeschwindigkeit um einiges ueberschritten, musste zwischendurch auch noch tanken. Aber wir kamen um kurz vor sechs an, und ich musste nur 10 Minuten bis zum Abflug warten. Sowas hat auch eine positive Seite.
Da es ein organisierter Trip war, war natuerlich alles andere auch organisiert. Der Transport von Flores, wo wir gelandet sind, nach Tikal zum Hotel Tikal Inn, eine gefuehrte Tour durch den eigentlichen Park mit den Ruinen und die Uebernachtung mitsamt Mittagessen und Fruehstueck am naechsten Morgen und natuerlich auch die Rueckfahrt.
Die gefuehrte Tour ist meiner Meinung nach ein unbedingtes Muss bei einem Besuch von Tikal. Unser Guide, Juan, hat so viel erzaehlt ueber die Funde und Ausgrabungen der Ruinen, ueber das Leben der Mayas, ueber die Bedeutungen der einzelnen Tempel und auch sehr viel ueber den Regenwald, ueber einzelne Baumarten, Pflanzen und Tiere. Es war super interessant und auch sehr amuesant. Juan konnte gut und fesselnd erzaehlen. Es haengt, denke ich, immer vom Guide ab. Vielleicht hatte ich wieder einmal nur Glueck.

El Peten, Regenwald, Ceibabaum

El Peten, Regenwald, Ceibabaum

Der absolute Knaller war jedoch der Sonnenuntergang im Park. Die Ruinen im Park sind teilweise freigelegt und zu bestaunen und auch zu beklettern, teilweise nicht. Dort, wo man festgestellt hat, dass unter einem grossen Erhuegel ein Tempel verborgen ist, der genau so gebaut ist wie ein anderer, der bereits frei liegt, hat man den Huegel einfach gelassen. Damit schuetzt man sowohl den Tempel, als auch die Vegetation bis hin zu den Mikroorganismen, die es dort gibt. Eine ziemlich gute Sache, wie ich finde. Tagsueber sind relativ viele Menschen und Gruppen dort unterwegs. Aber nachmittags sind alle, die einen Ein-Tages-Ausflug gebucht haben, wieder weg. Und es ist nahezu leer.
Dann erst erschliesst sich der Park, dann erst kann man die Atmosphaere spueren, sich einfach hinsetzen und sich in seiner Fantasie ausmalen, wie es war vor fast 2000 Jahren. Als die Maya die bis zu 60 m hohen Tempel gebaut haben, ohne Kran, ohne Rad, ohne Zementmaschine. Dann erst kann man sich in Gedanken in die Zeit zurueck versetzen, von der uns Juan waehrend seiner Fuehrung erzaehlt hat. Als der Koenig der Maya von dem riesigen Tempel aus ein ganzes Volk regiert hat. Wie Feinde gefoltert wurden und wie Menschenopfer dargebracht wurden, genau an der Stelle, wo man gerade sitzt. Das macht den Zauber von Tikal aus.
Der Aufstieg auf einige der Tempel ist moeglich, teilweise ueber eine Holzleiter, die neben dem Tempel gebaut wurde. Und so bin ich auf den Tempel 5 (sie sind durchnumeriert) geklettert. Ich war abends allein dort oben, hoeher als die Baumwipfel, und konnte ueber den gesamten Regenwald bis zum Horizont blicken. Es war unglaublich. Dazwischen ragten die anderen Tempel, die hoeher als die Baeume sind, auf. Das alles hatte etwas mystisches, wenn man dafuer empfaenglich ist.
Und auch erst dann, wenn nicht mehr so viele Menschen in dem Park umherlaufen, kann man das erleben, was einen Regenwald vom Schwarzwald unterscheidet. Ich habe Affen gesehen, die sich von Baum zu Baum hangelten, sich an Lianen festhielten, mich neugierig beobachteten (so empfand ich es zumindest), dann aber weiter Fangen spielten. Schwarze Voegel, so gross wie eine Gans, nur mit laengeren Beinen, stolzierten majestaetisch ueber den Weg, so als wenn sie mir sagen wollten "Hey Gringo, vorsichtig, das hier ist unser Platz, du bist nur Gast hier". Genau so habe ich mich gefuehlt, als Gast, dem die Moeglichkeit gegeben wurde, etwas vom Leben im Regenwald mitzubekommen.

Auf eine andere Weise faszinierend war es, den Sonnenaufgang im Park mitzuerleben. Von den Hotels wird eine gefuehrte Tour zum Sonnenaufgang angeboten - viel zu teuer und nicht noetig. Der Park oeffnete um 6 Uhr, das reicht, um allein hinein zu gehen. Von einem Tempel aus, der ebenfalls zu besteigen ist, Tempel 2, habe ich dann zusammen mit nur drei anderen Leuten erlebt, wie der Regenwald zum Leben erwacht (die gefuehrten Touren gehen auf den Tempel 4, der dann meist ziemlich voll ist). Niemals zuvor habe ich so viele, so fremde Geraeusche gehoert, die allesamt den Morgen begruesst haben. Affengebruell, Vogelstimmen, undefinierbares Gebruell.
Ich habe Voegel beobachtet, schwarze mit einem dunkelgelben Schwanz, die im Licht der aufgehenden Sonne zu tanzen schienen. Dann flogen sie bis auf einen davon. Der blieb bei den Nestern, bis zu 1 m lange, in einem Baum haengende Nester, die am unteren Ende zu einer Kugel geformt waren. Der Zurueckgebliebene, so schien es mir, bewachte die Nester, schaute ab und zu nach, ob innen drin noch alles in Ordnung war und gab entsprechende Informationen an seine Kumpels weiter. Dabei liess er sich kopfueber nach vorne fallen, als wollte er eine Rolle wie ein Reckturner machen. Auf halben Weg stoppte er jedoch und richtete sich wieder auf. Dabei sang er fast eine Melodie, die laut und frisch durch den Morgen klang.
Spaeter habe ich eine Herde von vielleicht 20 Tieren gesehen, die vor mir den Weg kreutzten. Es war eine Mischung aus Affe und Katze mit einem langen, nach oben stehenden Schwanz, den sie auch benutzten, um sich von einem Baum zum anderen zu schwingen. Auch sie schienen mir zu verstehen geben zu wollen, dass ich zwar akzeptiert werde, aber dass es immer noch ihr Zuhause ist.
Ich bin sowieso ein grosser Naturfan. Diese beiden Tage im Regenwald haben mich total fasziniert und begeistert, wie man an der Erzaehlung eventuell merken kann.
Davon abgesehen, sind die Tempel und die Ruinen sehr sehenswert, haben aber an Wert fuer mich durch die hervorragenden Erklaerungen von Juan sehr viel gewonnen.
Bei dieser voll organisierten Tour hatte ich die Moeglichkeit, am Nachmittag (nach der gefuehrten Tour, die von 9.00 bis 14.00 dauerte) bis zum Abend im Park zu bleiben und auch am naechsten Morgen bis zur Abfahrt um 14.00 Uhr die Ruinen zu besichtigen und zu beklettern. Ein absolutes Muss fuer einen Guatemalaaufenthalt.

Tikal, Mayaruinen, Gran Placa

Tikal, Mayaruinen, Gran Placa

Tikal, Mayatempel

Tikal, Mayatempel

El Peten, Regenwald

El Peten, Regenwald

© Ingo Runde, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zweieinhalb Wochen Guatemala - davon eine Woche Sprachschule in Antigua. Der Rest ist bislang noch unbekannt, mal sehen, wo es mich hin treibt...
Details:
Aufbruch: 04.02.2005
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 22.02.2005
Reiseziele: Guatemala
Der Autor
 
Ingo Runde berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.