Indien/Pakistan Weihn. 2009

Reisezeit: Dezember 2009 - Januar 2010  |  von Annette W.

Mit dem "VIP"-Bus fahre ich über Weihnachten 2009 von Delhi, Indien nach Lahore, Pakistan

Delhi im Dezember 2009

Ich habe zuerst einmal Pech: Nadeem hat sein indisches Visum nicht bekommen, was bleibt Frau übrig? Na klar, sie MUSS es tun - nach dem Besuch in Indien noch ins "gefährliche" Pakistan reisen - trotz der nicht gerade prickelnden, politischen Situation in Lahore. Hoffentlich erwartet mich dort keine "Bombenstimmung" (was mir natürlich alle prophezeien, ach sind sie nicht lieb, die Kollegen).

Die Reise hat dieses Mal zusätzlich zum Vergnügen noch einen "Forschungscharakter". Zukunftspläne erfordern diese Maßnahme.

Der Reihe nach: Ankunft am 13.12.2009 im gerade erwachenden Delhi. Überraschung am Flughafen: Kein niedlicher Inder nimmt mich mit Namensschild in Empfang. Ich natürlich völlig übermüdet vom langen Flug, sofort sauer auf die "no problem"- Inder und auf's Hotel.

Wenigstens ist der Rucksack schnell griffbereit, ist ja auch schon was. Nix wie weg von hier - denke ich.

Wenigstens ist der Rucksack schnell griffbereit, ist ja auch schon was. Nix wie weg von hier - denke ich.

Aber wo ist denn der Taxifahrer mit meinem Namensschild? Nix da? Ja, so sind sie die Inder, unzuverlässig bis zum geht nicht mehr.... denke ich, aber vergesse dabei die eigene Schusseligkeit.

Aber wo ist denn der Taxifahrer mit meinem Namensschild? Nix da? Ja, so sind sie die Inder, unzuverlässig bis zum geht nicht mehr.... denke ich, aber vergesse dabei die eigene Schusseligkeit.

Also - zum Flughafen-prepaid-Schalter, Taxi buchen und ab zum Hotel. Nach einer eindringlichen Türklopfaktion öffnet mir widerwillig ein verschlafener Nachtportier - und - welch Überraschung: Er weiß nichts von einem gebuchten Zimmer. Na toll! Wühle in meinen Unterlagen - und was stelle ich fest? ICH habe mich vertan, nicht die unschuldig Verdächtigten. Ist mir noch nie passiert. Hatte nicht dran gedacht, dass ich nicht am Abreisetag ankomme, sondern - ach welch Wunder - am nächsten Tag! Logo, Zeitverschiebung! Ich fliege ja auch das erste Mal!!! Einfach nur dämlich.

Ein paar Stunden auf dem Flursofa sind angesagt, später ein Alternativzimmer in einem Nebenhotel. Ist zwar nicht prickelnd, aber ok.

Manju Ka Tilla - MEINE Gegend in Delhi, wenn ich ankomme, fühle mich sofort sicher und geborgen unter den vielen Tibetern.

Manju Ka Tilla - MEINE Gegend in Delhi, wenn ich ankomme, fühle mich sofort sicher und geborgen unter den vielen Tibetern.

...und man kann sogar relativ unbehelligt bummeln und shoppen gehen und fühlt sich wie in einem kleinen Dorf und nicht in der Smogstadt Dehli

...und man kann sogar relativ unbehelligt bummeln und shoppen gehen und fühlt sich wie in einem kleinen Dorf und nicht in der Smogstadt Dehli

Arrangieren meines nötigen Indien-Reisepaketes: Handy-Card, Busticket nach Lahore, Brillenbestellung, warmen tibetischen Yak-Umhang (es ist sooo schweinekalt hier in Delhi, was ich überhaupt nicht erwartet hatte).

Glück, ich finde Sanjay, seines Zeichens selbsterwählter "Taxi driver".
Er kutschiert mich und begreift auch in der Tat, was ich von ihm will bzw. wo ich hin will.

Zu spät merke ich, dass heute Sonntag und die special India/Pakistan bus station geschlossen ist. Ein weiterer Versuch spätabends ist auch erfolglos. Also - das Gleiche am nächsten Morgen erneut. Dieses Mal mit Erfolg. Ticket kein Problem - wer will schon in diesen Tagen freiwillig nach Pakistan?
Damit ist mein vordringlichstes Anliegen erledigt. Sanjay fragt mich minütlich: Are you happy now? Ich grinse verlegen, weil er meine Sehnsucht spürt und indisch-kopfwackelnd bestätige ich.

Delhi außerhalb der geschützen Manju-Ka-Tila-Gegend

Delhi außerhalb der geschützen Manju-Ka-Tila-Gegend

Taxifahrt in Delhi: Auch wenn dies nicht mein erster Besuch in Indien ist, so überfällt mich inmitten dieses gelebten Chaos auf den Straßen wieder meine Hassliebe zu diesem Land. Himmel und Hölle liegen hier hautnah nebeneinander.

Man muss versuchen, als Reisender in diesem Land mit dem Gestank der tausenden in Verwesung befindlichen Mülhaufen, dem Getöse der ständig hupenden und die Luft verpestenden, veralteten Vehikel zu überleben. Es geht auch nicht ohne die Schlepper, Nepper, Straßenhändler, die ihre Hand durch das geöffnete Taxifenster pfeilschnell hindurchschießen, um etwas zu verkaufen, die einen unaufhörlich am Arm zerren, die ständig dem Touristen alles, bis hin zur eigenen Großmutter, andrehen wollen. Kein Gang durch eine beliebige Straße, ohne mindestens zehnmal nach seinem Namen oder seinem Heimatland gefragt zu werden.

Indien ist intensiv - ein Kosmos - ein einziger Widerspruch - ein einziger Kontrast. Eben KEIN Land wie Europa (obwohl dies auch seinen eigenen, oft wunderbaren Charme hat), vor allem aber Deutschland mit seinem globalen konsumorientierten Einheitsbrei und seinen oft weichgespülten, angepassten und z. T. arbeitsgeilen Bewohnern ohne Tiefgang. Dafür wird aber auch der europäische Wunsch nach Alleinsein sozusagen nie erfüllt. Denn Indien lebt in einer sehr engen Gemeinschaft (über eine Milliarde Einwohner, jährliche Geburtenrate von immer noch über 5 %), die kaum Raum für eine Privat- oder Intimsphäre lässt.

Was macht dennoch den Reiz Indiens für mich aus? Z. B. die Lebendigkeit einer aufrecht erhaltenen Tradition, die einem spätestens bei einem Tempelbesuch auffällt, mehr Sinneseindrücke in einer Minute als in Europa in einem Jahr. Die Menschen nehmen sich hier noch gegenseitig wahr, sie ziehen nicht berührungslos aneinander vorbei, sie nehmen teil aneinander, sie leben ihren vielen Religionen meist friedlich (leider gibt es diesbezüglich. allerdings auch Ausnahmen) nebeneinander. Jeder Augenblick ist ein neuer Eindruck, jeder Schritt ist eine neue Szene. Jede Stadt hat ihren individuellen Charakter, ihre Schönheiten, ihre Extreme, ihre Widersprüche, ihre wahren Träume und Alpträume. Es ist das pulsierende Leben selbst, in all seinen Schattierungen. Es sind die Städte aus der Moghulzeit, die in perfekter Schönheit von der Pracht der damaligen Herrschaft künden. Karawanenstädte, die alles Dagewesene an Feinheit und Raffinesse der Architektur in den Schatten stellen. Unendliche Farben und Gerüche. Körbe mit Opfergaben, Blumengirlanden, Verkaufsstände mit intensivfarbenem Pulver (zum Einfärben der Haare etc.). ausdrucksvolle Frauengesichter, gekleidet in malerisch bunte Saris. Gastfreundschaft - hier wird sie noch gelebt!

Indien gibt jedem aus Europa Kommenden, nach einem tieferen Sinn Suchenden viele Antworten, hält immer noch tausend und eine Frage bereit. Ein nimmer endender Lernprozess, ein unendlicher Kosmos der Vielfältigkeit, die es auf keinem anderen Kontinent gibt. Hat man sich einmal auf dieses Land eingelassen, lässt es einen nicht mehr los, ob man will oder nicht.

Wieder und wieder erkläre ich Indien meine Liebe, sie überwiegt - letztendlich!

mit sleeping bus geht's nach Udaipur

mit sleeping bus geht's nach Udaipur

wenn nicht der Wind so fürchterlich in mein Hochbett reinpfeiffen würde, könnte man es sogar gemütlich nennen, aber es ist kalt, zugig und ich muss mich in meine Decke verkriechen, aber so überstehe ich das Ganze einigermaßen heile

wenn nicht der Wind so fürchterlich in mein Hochbett reinpfeiffen würde, könnte man es sogar gemütlich nennen, aber es ist kalt, zugig und ich muss mich in meine Decke verkriechen, aber so überstehe ich das Ganze einigermaßen heile

3 Tage, viele Abgase im luftverpesteten Delhi später, liege ich für 14 Stunden an einem zugigen Bus-Hochetagenbettfenster und versuche, die Ecken mit Tüchern zuzustopfen.

Irgendwie überlebe ich auch dieses. Ich bin in Udaipur, Rajasthan.

© Annette W., 2010
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 12.12.2009
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 01.01.2010
Reiseziele: Indien
Pakistan
Der Autor
 
Annette W. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Annette sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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