TÜRKEI - Durchs wilde Kurdistan

Reisezeit: August 2006  |  von Thomas K.

Van

Um neun geht der Bus nach Van. Mein Ziel ist die Dr. Koch Ferienanlage am Vansee. Ein Shuttlebus bringt uns zum Busbahnhof, der etwas abseits am Stadtrand liegt. Dort wartet schon ein großer, moderner Reisebus. Es gibt viele Busunternehmen in der Türkei und somit ist die Konkurrenz sehr stark. Das führt dazu, dass die Fahrten günstig und komfortabel sind. Die ausgedörrten Felder ziehen sich weiter Richtung Osten und werden nach und nach durch hügeligere Landschaft verdrängt. Wir fahren durch kleine Städte wie Silvan, Kozluk und Baykan. Immer wieder kommt der Busbegleiter, träufelt Kölnisch-Wasser in bittende Hände und bringt Getränke von Wasser über Cola und Fanta bishin zu Tee und Caffee, alles im Fahrpreis inbegriffen. Kaltes Wasser kann man auf Wunsch immer haben. Das Land wird immer bergiger und je höher wir kommen, desto mehr Grün mischt sich in das Gelb der trockenen Grasflächen. Die Straße wird ganz schlecht, ein Schild weißt auf eine 40 Kilometer lange Baustelle hin. Der Asfaltbelag fehlt jetzt vollständig. Busse und LKWs sind mit ihren großen Reifen den PKWs deutlich im Vorteil. Es geht nur langsam voran aber wenigstens sieht man die schöne Berglandschaft umso besser. Der Himmel ist blau und wunderbar klar, nur durch ein paar Schönwetterwolken gestört. Die Ortsdurchfahrt von Bitlis ist sehr eng. Männer sitzen in Straßencaffees vor niederen Häusern bei einer Wasserpfeife und unterhalten sich. Ein schmaler Bach verschwindet unter dem Bogen einer alten Brücke, um dann unterirdisch weiter zu fließen. Niedere Häuser, alle mit weißen Sat-Schüsseln ziehen sich den Hang hinauf, oben eine mächtige Burg. Eine Moschee mit einfachem Walmdach und braunem Minarett. In Tatvan sehen wir zum ersten Mal den Vansee. Je nach Strömung in verschiedene Blautöne gekleidet liegt er friedlich in den kargen Bergen, deren Hänge alle möglichen Farben von braun bis gelb und grün zu bieten haben. Die Straße führt noch höher in die Berge bis weit über 2000 Meter. Auf einem Pass steht die erste Militärkontrolle. Ein Panzer mit Gummireifen, ein Kampfjeep und mehrere braungesichtige Soldaten. Einer kommt mit ernster Mine und Maschinengewehr in den Bus und sieht sich die Ausweise genau an. Er fordert einen Mann auf mit hinaus zu kommen, tastet ihn nach Waffen oder sonstigem ab und lässt ihn wieder einsteigen. Dann können wir weiterfahren. Wieder am See kann man die Akdamarinsel, auf der sich eine kleine Armenische Kirch befindet, erkennen. Kurz vor Van an einer Kreuzung sagt schon der ertse Wegweiser den Iran an.

In Van ist mal wieder alles typisch Türkisch. Die Busse Richtung Norden fahren von einer ganz anderen Stelle in der Stadt ab, als die in den Westen.
"Steig in den Kleinbus dort, sagt der Busbegleiter der Fahrer sagt Dir, wo du auststeigen mußt!"
Dieser hält Mitten in der Stadt an und schickt mich eine Straße 150 Meter weiter, dort stehen mehrere weiße Kleinbusse. Niemand kennt das Dorf Colpan, wo ich hin will. Ein älterer mit weiter Hose, deren Schritt bis unterhalb der Knie reicht meint freundlich, das ist der richtige Bus, er sieht eher aus wie ein Pakistani als wie ein Kurde. Statt wie geplant um fünf loszufahren zieht es der Fahrer vor, mit zwei anderen Männern auf der Straße mal Türkisch, mal Kurdisch über irgendwelche politischen Themen zu streiten.
"Wann fahren wir endlich los?" fragt ein hübsches, junges Mädchen mit leuchtendblauem Kopftuch ihren Vater, der mit einem Bein im Wagen, mit dem anderen auf der Straße steht.
"Ich weiß nicht, vielleicht warten wir, bis es zu regnen anfängt."
Endlich, um halb sechs, steigt einer mit weißen Hemd schwungvoll auf den Fahrersitz und rauscht los. 65 Kilometer nördlich von Van soll die Ferienanlage liegen, in einem kleinen Dorf namens Colpan. Ich zähle die großen blauen Entfernungstafeln, die alle zehn Kilometer am Straßenrand stehen herunter: Erzurum 340, 330,....280 Kilometer. Jetzt muß es bald kommen. Eine kleines Dorf erscheint etwas abseits der Straße. An der Abzweigung halte ich den Fahrer an. Aber keiner weiß, wie das Dorf heißt, Colpan ist niemandem ein Begriff und alle scheinen ratlos. Zum Glück spreche ich gut Türkisch, sonst hätte ich an dieser Stelle wohl alt ausgesehen.

"Was willst du denn dort?" fragt der Fahrer.
"Da muß ein Hotel sein."
"In diesem Kaff ist ein Hotel," meldet sich einer der Fahrgäste, "aber da gehen nur Ausländer hin."
Das überzeugt mich dann; Die Entfernung muß in etwa stimmen, ein Hotel mit ausländischen Gästen, das kann nicht ganz falsch sein. Ich steige aus.

Ein befestigter Weg führt in das etwa 1 Kilometer entfernte Dorf, zum Glück hat mein Koffer Rollen. Ich muß nur ein oder zweihundert Meter laufen, da nähert sich ein Lieferwagen. Er hält an und nimmt mich mit. Auf der Ladefläche liegen allemöglichen Werkzeuge, Eisenstangen und mehrere Bund Kabel. Ein großer, brauner Dorfköter springt kleffend hinter uns her, als wir die ersten Häuser erreichen, macht dann halt und verschwindet in der Staubfahne unseres Wagens. Ein Kleinbus kommt uns entgegen. Die Fahrer sprechen kurz miteinander, es ist der Transferbus der Ferienanlage, ich bin im richtigen Dorf gelandet.

Ein junger, Hirtenhund mit zotteligem, braunen Fell kommt auf mich zu und begrüßt mich stürmisch. Sie haben ihn Arap (Araber) genannt, weil er dunkelbraunes Fell hat. Klar und plastisch steigen die Berge am gegenüberliegenden Ufer aus dem Wasser. Die Sonne geht rechts neben dem Süphandagi unter und taucht den See und die wenigen, lockeren Wolken in ein warmes, goldgelbliches Licht. Auf einer überdachten Terrasse gibt es Abendessen. Die meisten Gäste sind Bergsteigertouristen mit dem großen Ziel Ararat. Auch der Chef des Reiseunternehmens ist da und abends, wenn die meisten Gäste, vom Tag erschöpft, schon bald auf ihre Zimmer verschwunden sind, ist er, bei einer Flasche Efes, ein interessanter Gesprächspartner.

6.08

Nach dem Frühstück geh ich an den See. Trotz 1700 Meter Höhe hat er eine angenehme Temperatur zum Baden. Das Wasser ist leicht seifig, weshalb es auch keine Fische im See gibt, das trübt den Badespaß aber nicht. Zwei Gäste aus dem Iran, die gut Deutsch sprechen, kommen auch an den See. Mittags gibt es Picknik auf der Terrasse mit Lawasch, dünnes Fladenbrot, Vanpeyniri, Schafskäse mit Fenchelblättern gewürzt, eine Spezialität, die es nur hier in der Umgebung von Van gibt, und Salat. Das Schaf Tamara, ein Mitbewohner der Anlage, kommt mit der Schnauze zu nah an den Tisch und reißt ein Gefäß mit Chillipulver runter. Nachmittags streife ich durch die Umgebung, ins Dorf, vor zur Straße und noch ein Stück weiter. Ein alter Traktor treibt über einen langen Keilriemen, der quer über den ganzen Weg gespannt ist, eine Dreschmaschine an. Ein paar Bauern füllen das Korn mit Schaufeln in große Säcke. Ein Esel, der darauf wartet diese abzutransportieren, und mit dem Schwanz die lästigen Fliegen vertreibt, brüllt auf. Eine große Schafherde grast auf einer der Wiesen und das Dorf ist durch eine Schonung schlanker Bäume vor Stürmen geschützt.

Zwei Kellner sind gerade damit beschäftigt aus einem Lederriemen und einem zwei bis drei Meter langen Seil für Arap ein Halsband zu basteln, als ich zurück komme. Er erfreut sich nicht bei allen Gäste großer Beliebtheit, er will gerne spielen und wenn man ihm zu wenig Beachtung schenkt, kann es sein, dass er springt oder auch mal ins Hosenbein zwickt. Kaum ist er an einen Baum gekettet fängt er zu schimpfen an, und keine fünf Minuten später hat er sich wieder losgerissen, das Halsband war zu weit. Zum Abendessen gibt es Vanseeukelei, eine Fischart, die sehr schmackhaft ist und nur ganz im Norden des Sees, an der Bendimahimündung zu finden ist wo das Wasser noch süß genug ist, bevor es sich vollends mit dem Soda des Sees vermischt. Der Vansee ist mit einer Fläche von 3740 km² sieben mal so groß wie der Bodensee und fast 500 Meter tief. Sein einziger Abfluss wurde beim Ausbruch des Vulkans Nemrut verschüttet, sodass sich der Wasserstand nur über die Verdunstung regelt.

7.08

Ich gehe durch das Dorf vor zur Straße. Bauern sind bei der Arbeit. Alle halben Stunden kommt vorne an der Hauptstraße einer der weißen Mercedeskleinbusse vorbei und fährt nach Van. Bald ist das Dolmus voll und für die letzten Reisenden, die auf der Strecke einsteigen, muß der Fahrer kleine Campinghocker, die er unter einem Sitz versteckt hat, hervorziehen. Wir sind komplett voll, wer jetzt noch zusteigen will hat Pech gehabt, der Fahrer rauscht mit Vollgas weiter. Van ist eine geschäftige Stadt mit über 330 000 Einwohnern. Moderne Bankgebäude stehen in einer breiten Straße im Zentrum. Ein Thermometer zeigt 37 Grad an. Vor der Hauptpost sind eine ganze Menge Kartentelefone, ich rufe schnell zu Hause an, um zu sagen, daß es mir gut geht und, daß alles in Ordnung ist. In Deutschland ist es mal wieder regnerisch kühl. Schließlich ist August und in Bayern haben gerade erst die Schulferien begonnen, wie sollte es auch anders sein. Vor der großen Moschee ist ein einfacher Gemüsemarkt. Ein Jugendlicher kommt auf einem hellblauen Fahrrad mit zwei Rädern vorn und Ladefläche darauf, wo sich Kisten mit Äpfeln stapeln. Ein paar Jungs helfen ihm beim Abladen und bringen die Ware zu einem nahen Stand. Ein Polizeiauto, groß wie ein Panzer, auf acht Gummireifen, biegt um die Ecke und fährt Patroullie. Ein dunkelbraunes Minarett steht vor schön hergerichteten Hochhäusern eines besseren Stadtviertels. Drei Frauen in schwarzem Tschador laufen vor mir her, vielleicht sind es Iranerinnen. Je weiter man in den Osten hervordringt, desto höher wird die Kopftuchrate. Etwas außerhalb der Stadt steht einsam auf einem Felsen die Ruine der Burg Van, aus Urartäischer Zeit. Der freundliche, alte Kurde, der wie ein Pakistani aussieht ist wieder am Dolmusbahnhof und fragt, ob ich mein Dorf gefunden habe.

Arap hat nun ein engeres Halsband und hat nur noch knapp zwei Meter Auslauf. Er schimpft als eine Schildkröte langsam angekrochen kommt. Sie bleibt stehen und verkriecht sich schutzsuchend unter ihren Panzer, Arap beschnuppert sie und verliert dann das Interesse. Einen Moment später kriecht sie ungestört weiter. Nach dem Abendessen gehen wir auf das flache Hausdach, um nach Sternschnuppen Ausschau zu halten. Der Himmel ist wunderbar klar, der Mond scheint hell und spiegelt sich im See, der schwarz und dunkel da liegt, wieder. Sternschnuppen sehen wir aber kaum, der Hauptschwarm kommt erst ein paar Tage später.

8.08

Die Ararat-Besteiger sind heute morgen zu ihrer großen Tour aufgebrochen und wollen bis zum ersten Zwischenlager auf über 3000 Meter gehen. Morgen soll es dann zum zweiten auf 4200 Meter gehen, übermorgen ist dann in aller Frühe der Gipfelsturm - 5165 Meter und der Rückmarsch zum ersten Lager. Ich bleibe heute am See. Nachmittags untersuchen Reza, der Iraner, und ich mit Hilfe von Wörterbüchern wie die Kurdische und Persische Sprache miteinander verwandt sind und finden dabei heraus, dass auch viele deutsche Wörter aus dem Persischen kommen. So bedeutet Kurdisch "germ" Persich "garm" Deutsch "warm". "mat" bedeutet Persisch "matt", und Shah der König, daher kommt beim Schach-Spiel der Ausdruck "Schach matt", wenn der König des Gegners keine Chance mehr hat. Schesch ist sechs, hascht, acht. Das sind nur wenige von vielen Beispielen ,die wir finden. Am Abend hilft Rezas Frau in der Küche und zaubert ein leckeres Iranisches Essen auf den Tisch. Es gibt Tschelou Morgh. Hühnchen mit Reis. Der Reis ist mit Dill und Berberitzen gewürzt.

zwischen Diyarbakir und Van

Bitlistal

Bitlistal

Bitlis

Bitlis

Tatvan

Tatvan

Akdamar adasi

Akdamar adasi

Colpan

Van

Süphan dagi 4000m

Süphan dagi 4000m

Teekessel

Teekessel

© Thomas K., 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Adana - Diyarbakir - Van - Hakkari - Dogubayazit Bis an die Zähne bewaffnete Soldaten kontrollieren die Straßen im Grenzgebiet zum Iraq und Iran
Details:
Aufbruch: 03.08.2006
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 24.08.2006
Reiseziele: Türkei
Der Autor
 
Thomas K. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.