Mit dem Camper durch das nachrevolutionäre Tunesien

Reisezeit: März / April 2012  |  von Angelika Gutsche

Im westlichen Landesinnern

Natürlich besuchen wir auch die auf dem Weg liegenden Städte wie El Fahs, besichtigen die malerischen Medinas und machen Halt an den kleinen Restaurants, bei denen das außen hängende Lammfell anzeigt, dass die gerade auf dem Grill brutzelnden Koteletts aus frischer Schlachtung stammen. Zum gebratenen Fleisch wird ein knackig-frischer Salat und Baguette gereicht. Nur mit Wolfi gibt's in Städten ein Problem: Seine sensible Nase scheint den Angst- und Blutgeruch von Schlachtungen wahrzunehmen. Er reagiert verängstigt, zittert am ganzen Körper und weigert sich, den Camper zu verlassen. Stadtbesichtigungen müssen wir in der Regel ohne ihn absolvieren.

bei El Fahs: Lammbraterei

bei El Fahs: Lammbraterei

Die Nächte verbringen wir neben Bergpisten und auf Feldwegen, in Olivenhainen oder bei Gehöften. Ohne einen geländegängigen Camper wäre diese Reise kaum möglich, denn im Landesinnern mangelt es an touristischer Infrastruktur: Wir finden keine geöffneten Campingplätze und die meisten Hotels, falls überhaupt vorhanden, entsprechen nicht wirklich europäischen Standards. An unseren Lagerplätzen kommen ab und zu Jugendliche vorbei, die auf der Suche nach einem Ort sind, wo sie gemütlich ein paar Dosen Bier leeren können. In der Regel bleiben wir aber ungestört. Die Erwachsenen begrüßen uns mit solcher Freude, Herzlichkeit und Liebenswürdigkeit wie wir es aus keinem anderen Land kennen. Die Menschen sehen in uns wohl die touristische Schwalbe, die aber auch hier noch keinen Sommer macht. Denn sowohl in den Städten als auch in den archäologischen Parks sind ausländische Touristen Mangelware. Nur einige tunesische Besucher und Schulklassen sind zwischen den Ruinen unterwegs. Anders als in manchen anderen arabischen Ländern scheinen die Tunesier großes Interesse auch an ihrer nicht-islamischen Vergangenheit zu haben.

Lagerplatz mit Blick auf Dougga

Lagerplatz mit Blick auf Dougga

Wir freuen uns über die auf Masten und Türmen brütenden Störche, die bei Landungsanflügen mit ihren langen Beinen eine lustige Figur machen, kaufen frisches Obst und Gemüse an den bunten Marktständen und füllen unseren Wassertank an Brunnen auf, die frisches Bergwasser spenden. Wenn die Menschen für kleine Hilfsdienste kein Geld nehmen wollen, stecken wir ihnen eine Schachtel Zigaretten zu.

Bei Dougga: Störche

Bei Dougga: Störche

Auf der Fahrt nach El Kef halten wir bei der römischen Ausgrabung von Mustis, wo wir in den Genuss einer ausgezeichneten Führung durch den sympathischen Monsieur Boubakri kommen, der hier seit vierzig Jahren seinen Dienst versieht. Grundsätzlich sei an dieser Stelle erwähnt, dass es sich für uns immer lohnte, einen Führer durch die antiken Stätten zu nehmen. Alle erwiesen sich als gut informiert und konnten uns auf einiges Interessante hinweisen, das sich in keinem Reiseführer findet - ganz abgesehen davon, dass die Führer mangels Touristen froh über jeden eingenommenen Dinar sind.

Mustis

Mustis

Der Besichtigung von El Kef widmen wir einen ganzen Vormittag: Nach dem Besuch der unvermeidlichen römischen Ruinen geht's hoch zur Kasbah, dann in der Altstadt zum nahe gelegenen, nett und informativ gestalteten Heimatmuseum. Auch hier erzählt uns ein sympathischer Führer interessante Dinge über die Lebenswelten der Berber. So erfahren wir zum Beispiel, dass sich die Frauen zum Glätten und zum Anbringen von Ornamenten auf Keramikwaren leere Schneckenhäuser über die Fingerkuppen stülpen.

El Kef

El Kef

© Angelika Gutsche, 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Auf unserem Weg in den Süden Tunesiens besuchen wir römische Ausgrabungen, besteigen hohe Felsplateaus und durchfahren wilde Schluchten, bevor unser Weg durch das große Schott führt und wir die Sahara erreichen. Auf der Rückfährt werden wir mit den Realitäten der tunesischen Revolution konfrontiert: Wir finden uns zwischen Barrikaden, inmitten von Aufständen und Demonstrationen wieder. Die tunesische Revolution: verheddert in der Stunde null.
Details:
Aufbruch: 20.03.2012
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 17.04.2012
Reiseziele: Tunesien
Der Autor
 
Angelika Gutsche berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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