Iran Nordwest-Rundreise im März und April 2013

Reisezeit: März / April 2013  |  von Ulrike Bohra

Tabriz, Marand und Jolfa

Palast-Teppich im Aserbaidschan Museum in Täbris.
2. April 2013

Palast-Teppich im Aserbaidschan Museum in Täbris.
2. April 2013

Altorientalisches Keramikgefäß, Aserbaidschan Museum, Täbris.

Altorientalisches Keramikgefäß, Aserbaidschan Museum, Täbris.

Rituelle altorientalische Tonfiguren, Aserbaidschan Museum, Täbris

Rituelle altorientalische Tonfiguren, Aserbaidschan Museum, Täbris

Das Aserbaidschan Museum in Täbris - 2. April 2013

Nach dem Frühstück fahren wir zum Aserbaidschan Museum (oder Tabriz Museum) in der Nähe des Chaqani Parks und der Blauen Moschee. Bei kristallklarem Himmel und gleißendem Sonnenschein steigen wir aus dem Auto und überqueren die Straße. In den Morgenstunden herrscht glücklicherweise wenig Verkehr.

Gerade am Abend ist es ziemlich abenteuerlich, die Straßen zu überqueren, bei fließendem Verkehr. Mehdi hebt immer leicht die Hand, und die Autofahrer nehmen den Fuß vom Gaspedal, fahren Schritt-geschwindigkeit, bis wir an ihnen vorübergehuscht sind. Abbremsen bis zum Stillstand mit Rücksichtnahme auf die Passanten ist die Ausnahme. Wir brauchen Beherztheit, Umsicht, Entschlossenheit und Reaktionsschnelle, um ohne Blessuren über die Straßen zu kommen. Bisher habe ich nur in Iran und in Aserbaidschan die Straßen mit heftigem Herzklopfen und Beklommenheit überquert. Leider passieren auch viele Verkehrsunfälle, wer nicht schnell oder umsichtig genug ist, wird einfach angefahren.

Das Aserbaidschan Museum empfängt uns mit einer lichtdurchfluteten langgestreckten Galerie im Erdgeschoss. Es ist eines der bedeutendsten Museen für Archäologie und Anthropologie in Iran und beherbergt unzählige Ausgrabungsgegenstände aus Iranisch Aserbaidschan. Für Kunstliebhaber und Archäologen ist dieses Museum eine wahre Fundgrube. Vor allem die Keramikarbeiten aus der vorderasiatischen Bronzezeit, der Zeit der Achämeniden und Sassaniden haben es mir angetan. Die altorientalische Keramikkultur unterscheidet sich stark von der mykenischen und hellenistischen Kultur, fasziniert mit ihrer schlichten harmonischen Schönheit. Es gibt beeindruckende rituelle Tongefäße aus dem 2. Jahrtausend vor Christus, die Stieren, Pferden und Widdern nachempfunden sind und die Tiere in der Form großartig abstrahieren. Wir sehen zwei zähnefletschende Löwen, herausgemeißelt auf einem steinernen Relief und mit zwei Vögeln verziert, die einen Stier erlegen, ineinander verschlungene Schlangen, doppelköpfige Bronzeadler, goldene Armreife mit Löwenköpfen an den Enden, einen martialischen, wuchtigen Bronzehelm, trüb gewordene Buntglasgefäße aus der Sassanidenzeit und am Ende des Saals einen prächtigen gigantischen persischen Palastteppich. Die Münzsammlung aus den verschiedenen Epochen ist sehr interessant. Mehdi nennt mir die wichtigsten persischen Herrscher der über 2000 Jahre umfassenden Zeitalter. Nach einer Stunde bin ich nicht mehr aufnahmefähig, geblendet vom hellen Licht, das von den Vitrinen reflektiert wird und das unbewaffnete Auge des Betrachters schnell ermüdet.

Wir machen in Täbris Besorgungen für unser Picknick, kaufen leckeres Gebäck in einer kleinen feinen Konditorei, sowie Gemüse, etwas Dörrobst, geröstete Nüsse, Chips und Softdrinks und fahren dann aus Tabriz heraus Richtung Norden.

Zementwerk an der Autobahn im Norden von Täbris.

Zementwerk an der Autobahn im Norden von Täbris.

Auf einem Campingplatz südlich der Stadt Marand in der Provinz Ost-Aserbaidschan, nordwestlich von Täbris gelegen.

Auf einem Campingplatz südlich der Stadt Marand in der Provinz Ost-Aserbaidschan, nordwestlich von Täbris gelegen.

Beim Picknicken mit Mehdi auf dem Campingplatz südlich von Marand.

Beim Picknicken mit Mehdi auf dem Campingplatz südlich von Marand.

Das schöne Zagros Gebirge in der Nähe von Marand. Provinz Ost-Aserbaidschan.

Das schöne Zagros Gebirge in der Nähe von Marand. Provinz Ost-Aserbaidschan.

Raststätte mit Teehaus und Imbiss an der Autobahn Täbris-Jolfa.

Raststätte mit Teehaus und Imbiss an der Autobahn Täbris-Jolfa.

Blick von der Autobahnraststätte auf die Autobahn nach Jolfa im Norden Irans.

Blick von der Autobahnraststätte auf die Autobahn nach Jolfa im Norden Irans.

Sizdah be dar oder das große alliranische Picknick - 2. April 2013

Während wir aus Täbris in zähflüssigem Verkehr fahren, hören wir meine kaukasische Musiksammlung mit dem feurigen Rhythmus der Lesghinka und klatschen singend mit. Heute fährt fast jede iranische Familie ins Grüne, um den 13. Tag des persischen Norouz Festes in der Natur zu feiern, dieser Tag ist traditionell der 2. April und heißt Sizdah be dar. Manche Leute haben ihre grünen Sabzeh-Sprossen ins Heckfenster gestellt oder auf dem Dach ihrer Autos befestigt, sie werden das Grünzeug dann in einen Bach oder Fluss werfen, damit neues Leben entstehen kann. Üblicherweise werden auch Goldfische in die Freiheit, ins Wasser entlassen. Nördlich der Stadt zelten schon die ersten ungeduldigen Ausflügler am Straßenrand, die geduldigeren quälen sich im Stau gen Norden nach Marand und Jolfa. Wir öffnen die Autofenster und beschallen die Autofahrer mit unserer dröhnenden wirbelnden Musik. Eine gute Einstimmung auf den im Norden liegenden Kaukasus mit seinem bunten Völkergemisch. Mehdi ist ganz begeistert von der Lesghinka, dem kaukasischen Nationaltanz mit seinen schnellen wilden Trommelwirbeln. Er versprüht pure Lebensfreude.

Wir machen an einer Autobahnraststätte halt, trinken schwarzen Tee und lassen uns heiße Kebabspieße mit Reis in Styroporschachteln mitgeben. Quietschbunte Fußbälle, ein rotblauer Luftballon-Spiderman und grünschwarz gestreifte Wassermelonen baumeln an einem Seil zwischen den Laternenpfählen. Mit dem obligatorischen 100 Liter Samowar ist das eine beeindruckende Kulisse. Die Landschaft Ostaserbaidschans ist grandios, der Himmel wölbt sich stahlblau und fast wolkenlos über den kargen rotbraunen Hügeln. In der Ferne glänzen die schneebedeckten runden Kuppen des Zagros Gebirges.

Nach einer Stunde Fahrt stoppen wir spontan an einem "wilden" Campingplatz am Straßenrand, der hinter einer Bahnlinie an einem Fluss liegt und von Bäumen und Sträuchern gesäumt wird, die etwas Schutz vor der heißen Sonne bieten. Schnell steigen wir über den Gleisschotter und die Schienen, stolpern einen Abhang hinunter und überqueren ein steiniges breites Flussbett mit drei verbliebenen Bacharmen, wovon der letzte noch weiß schäumendes Wasser führt. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und balanciere auf flachen Steinen über den Bach, Mehdi reicht mir hilfsbereit seine Hand. Das Wasser ist schnell strömend und wadentief, und ich will unter keinen Umständen hineinfallen.

Der Platz ist mit iglurunden farbenfrohen Zelten übersät, Jugendliche spielen Volleyball und kleine Jungs Fußball, unterhalb von uns sitzt eine Großfamilie im Schneidersitz auf dem Teppich und isst zu Mittag. Überall steigen Grillrauchwolken auf. Mehdi und ich verspeisen genüsslich unser Picknick und schießen viele Fotos. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viele Fotos gemacht wie in Iran. Fotografieren kann eine ansteckende Leidenschaft sein.

Nach dem Mittagessen geht unsere Fahrt weiter Richtung Jolfa. Hinter den persisch beschrifteten Verkehrsschildern tauchen in der Regel ein paar Kilometer weiter Schilder mit englischer Beschriftung auf. Daher kann ich erkennen, dass wir uns der Aras Free Trade Industrial Zone im äußersten Norden Irans nähern. Zollfreier Handel im Grenzgebiet, eine tolle Idee.

Campingplatz unmittelbar bei Marand, wunderschön in den Zagros-Bergen gelegen. Provinz Ost-Aserbaidschan.

Campingplatz unmittelbar bei Marand, wunderschön in den Zagros-Bergen gelegen. Provinz Ost-Aserbaidschan.

Mit der Familie von Mehri (rechts von mir) beim Picknick. Als leicht zu erkennende Touristin wurden ich und mein Reiseführer Mehdi spontan zum Picknick von dieser gastfreundlichen Familie aus Marand eingeladen.

Mit der Familie von Mehri (rechts von mir) beim Picknick. Als leicht zu erkennende Touristin wurden ich und mein Reiseführer Mehdi spontan zum Picknick von dieser gastfreundlichen Familie aus Marand eingeladen.

Mehri's Schwester mit dem Neffen im Arm und ihrem kleinen Sohn ganz links.

Mehri's Schwester mit dem Neffen im Arm und ihrem kleinen Sohn ganz links.

2 Iranerinnen auf dem Campingplatz bei Marand.

2 Iranerinnen auf dem Campingplatz bei Marand.

Picknick auf dem Campingplatz bei Marand - 2. April 2013

Nachmittags halten wir an einem idyllisch in den Bergen gelegenen Campingplatz unweit der Stadt Marand.

Das einzige Toilettenhaus des Campingplatzes ist umlagert von wartenden Männern und Frauen. Das Gedränge in der Damentoilette ist unbeschreiblich. Eine junge Frau namens Mehri erkennt, dass ich Touristin bin und ruft den wild drängelnden Frauen zu, dass diese mich bis zur "Ausländertoilette" durchlassen sollen. Ich schiebe mich dankbar an den Frauen vorbei in eine Kabine mit einer öffentlichen Sitztoilette, die in Iran die große Ausnahme ist. Die Spülung ist kaputt, der Gestank haut mich fast um. Dann quetsche ich mich wieder zurück ins Freie und schüttele den Kopf ob des fürchterlichen Gedränges. Warum stehen die Frauen und Kinder nicht in einer Schlange an?

Freundlicherweise lädt mich die junge Frau zu ihrer Familie zum Picknick ein. Ich bedanke mich und sage ihr auf Englisch, dass ich meinem Reiseführer Mehdi Bescheid geben will, der gerade sein Auto umparkt. Ich winke Mehdi heran und schon dürfen wir uns zu Mehris Familie gesellen. Es beginnt eine kuriose Unterhaltung halb auf Englisch, halb auf Persisch, dazwischen fallen sogar ein paar Brocken Russisch. Wie sich herausstellt, kennt der Onkel von Mehri tatsächlich ein paar Worte Russisch. Mehris Mann ist Bankdirektor in Marand, ihr Onkel hat ein Malergeschäft. Zu Mehris Familie gehören ihre Schwester, Neffe, Vater, Onkel, Mutter, zwei Söhne und Ehemann. Ich erkläre, wie ich mich auf die Iranreise vorbereitet habe, welchen Beruf ich habe. Ich erzähle von meinem Studium in Russland, von meiner Familie in München, reiche Ansichtskarten von München und meine Familienfotos herum. Das Babyfoto meiner Tochter wird von Mehris Onkel sogar abfotografiert. Sie liegt niedlich eingebettet zwischen Kuscheltieren auf dem Wickeltisch. Dann führt hauptsächlich Mehdi die Unterhaltung auf Farsi. Höflich wollen wir die gegrillten Hähnchenstücke ablehnen, aber Mehdi meint, das ziemt sich nicht, wir müssen die Einladung annehmen. Am späten Nachmittag verabschieden wir uns von der Familie und bedanken uns herzlich für das leckere Essen und die großartige Gastfreundschaft.

Ich bedaure, dass meine Englisch- und Persisch-Kenntnisse nicht ausreichend waren, um wirklich interessante Fragen zum Leben der Familie zu stellen. Ich bin schüchtern und introvertiert, und wenn ich mich in einer Fremdsprache unsicher fühle, fällt es mir schwer, auf andere Menschen zuzugehen. Seinerzeit 1994 in Russland hatte ich ziemliche Anlaufschwierigkeiten.

Landschaft in unmittelbarer Nähe von Jolfa, einer Grenzstadt Irans zur Autonomen Republik Nachitschewan im Norden des Landes.

Landschaft in unmittelbarer Nähe von Jolfa, einer Grenzstadt Irans zur Autonomen Republik Nachitschewan im Norden des Landes.

Die verschneite Kaukasus-Bergkette Nachitschewans kurz vor der Grenzstadt Jolfa.

Die verschneite Kaukasus-Bergkette Nachitschewans kurz vor der Grenzstadt Jolfa.

Jolfa an der Grenze zu Nachitschewan - 2. April 2013

Gegen Abend kommen wir in der kleinen Grenzstadt Jolfa an. Ich freue mich innig über die majestätischen verschneiten Gipfel Nachitschewans. Der Kaukasus ist lang gehegte tiefe Sehnsucht von mir, und nun befinde ich mich in seiner unmittelbaren Nähe, an der Grenze zur autonomen Republik Nachitschewan. Ich erinnere mich lächelnd an den Nachitschewan-Basar in Rostow-am Don in Russland, auf dem sonnenverbrannte, schwarzhaarige armenische Händler leuchtendes und schmackhaftes Gemüse und Obst feil boten. Schon damals beim Klang dieses Namens fühlte ich leise Sehnsucht und stellte mir das bunte lebhafte Treiben auf armenischen Basaren vor. Die klassische Musik, die diese Sehnsucht weckte, war die überschäumend vitale Musik von Aram Khatchaturian, der für seinen Säbeltanz weltberühmt wurde. Wenn ich damals geahnt hätte, dass mich dieser Jugendtraum bis an die Südgrenze Nachitschewans führen sollte. Noch im 19. Jahrhundert war Nachitschewan von Armeniern besiedelt, dann haben Russen und Türken das Land gemäß der Verträge von Moskau und Kars im Jahr 1921 der Republik Aserbaidschan zugeschanzt, und die Armenier wurden sukzessive ins Kernland umgesiedelt.

Unser Abendessen besteht aus gebratener Forelle mit Reis und Fladenbrot. Mehdi spricht mit leiser Verachtung über eine Gruppe stockkonservativ gekleideter Männer und Frauen, Funktionären, die zum Establishment gehören und seiner Meinung nach einer "Gehirnwäsche" unterzogen wurden. Ich lächele verstohlen über diese Bemerkung. Das Hotel ist sehr klein, aber unglaublich gemütlich und sauber. Ich freue mich auf den nächsten Tag, der uns zu den wunderschönen armenischen Klöstern im Norden bringen wird.

© Ulrike Bohra, 2013
Du bist hier : Startseite Asien Iran Tabriz, Marand und Jolfa
Die Reise
 
Worum geht's?:
Reiseroute: Teheran - Qazvin - Masuleh - Bandar Anzali - Talesch - Ardabil - Sareyn - Tabriz - Marand - Jolfa - Maku - Khoy - Orumiyeh - Kandovan - Takab - Zanjan - Soltaniyeh - Hamadan - Malayer - Arak - Isfahan - Teheran
Details:
Aufbruch: 28.03.2013
Dauer: 15 Tage
Heimkehr: 11.04.2013
Reiseziele: Iran
Der Autor
 
Ulrike Bohra berichtet seit 11 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors