Wege zur Romanik - Dorfkirchen im Burgund

Reisezeit: Oktober 2013  |  von Herbert S.

Wege zur Romanik-Dorfkirchen im Brionnais I

In der Landschaft Brionnais hat sich über Jahrhunderte hinweg eine Fülle romanischer Kirchen und Kapellen erhalten, die von einer ausgeschilderten "Straße der Romanik" verbunden werden. Die neun wichtigsten Stationen daran sind Montceaux-l'Etoile, Anzy-le-Duc, Baugy, Semur-en-Brionnais, Saint-Julien-de-Jonzy, Iguerande, Chäteauneuf, Bois-Sainte-Marie und Varennes-l'Arconce.
Sie liegen zwischen zwei bedeutenden Zentren der Romanik: Paray-le-Monial (im Charolais) mit seiner romanischen Basilika und die einstige Benediktinerabtei Charlieu (im Departement Loire), die im 11. und 12. Jahrhundert zusammen mit dem Frauenkloster Marcigny die wichtigsten Stützpunkte cluniazensischen Einflusses in dieser Gegend bildeten.

2 Montceaux-L'Étoile
3 Anzy-le-Duc
5 Semur en Brionnais
6 Saint-Julien-de-Jonzy
7 Iguerande
8 Chateauneuf 
9 Bois-Sainte-Marie
10 Varennes l'Arconce

2 Montceaux-L'Étoile
3 Anzy-le-Duc
5 Semur en Brionnais
6 Saint-Julien-de-Jonzy
7 Iguerande
8 Chateauneuf
9 Bois-Sainte-Marie
10 Varennes l'Arconce

Montceaux-L'Etoile

Die vermutlich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts errichtete Kirche von Montceaux-l'Etoile zählt zu den bedeutendsten romanischen Bauten des Brionnais. Die romanische Apsis wurde im 18. Jahrhundert umgestaltet. Die Kirche ist den Heiligen Petrus und Paulus geweiht und besitzt eines der schönsten Tympana Burgunds.
Der Name "Montceaux" bezeichnet im Altfranzösischen einen kleinen Berg und leitet sich vom lateinischen "monticullum" her. Den Beinamen "l'Etoile" erhielt der Ort im 17. Jahrhundert anläßlich der Vereinigung durch Heirat des Adelshauses von Fougères, Besitzer der Herrschaft "l'Etoile" in Ligny-en-Brionnais, mit dem von Saint-Georges in Montceaux.
Im Mittelalter wurde der Gottesdienst in der Kirche von Montceaux, die der Pfarrei von Versaugues angegliedert war, durch Mönche des Priorats von Anzy-le-Duc versehen. Erst 1669 wurde die Pfarrei eigenständig, blieb aber dem Prior von Anzy unterstellt, der Herr der Kirche war, die Herrschaftsrechte über die Pfarrei aber mit dem Grundherrn des Ortes teilen mußte.

Montceaux-L'Etoile

Montceaux-L'Etoile

Die Kirche wurde in mittelformatigem Mauerwerk errichtet, nur die Fassade, die Strebepfeiler und der Turm sind in Quadern ausgeführt. Es handelt sich um gelben Kalkstein aus dem Brionnais, der dem Bau bei untergehender Sonne einen fast goldenen Glanz verleiht.
Der quadratische Turm besitzt zwei Geschosse mit Biforien, die auf schlanken Säulen mit Kapitellen ruhen. Die Überfangbögen der Biforien und der abschließende Blendbogenfries sind typische Kennzeichen der Romanik des Brionnais.

Der schönste Schmuck der Kirche befindet sich am Westportal. Aus einem einzigen Werkstück geschaffen, zeigen Tympanon und Türsturz (2. Viertel 12. Jh.) die Himmelfahrt Christi. Der auferstandene Christus in der Mandorla wird von zwei Engeln mit ausgebreiteten Flügeln gen Himmel getragen. Am Türsturz darunter wenden sich Maria und die zwölf Apostel dem Geschehen zu. In ihrer natürlichen Lebendigkeit ist diese Szene ein Meisterwerk romanischer Bildhauerkunst.

Der Bau von mittleren Ausmaßen ist geostet. Er besitzt einen einfachen Saal, ein flaches Chorjoch und eine halbrunde Apsis, die 1777 vom Herrn des Ortes, Abel de Vichy, durchbrochen wurde, um eine Grabkapelle für ihn selbst und seine verstorbene Gattin, Claudine de Saint-Georges zu errichten. Die Tonnenwölbung des Saalraumes wurde im 19. Jahrhundert erneuert, aber die Stärke der Mauer und die beidseitige Ausschrägung der Fenster lassen zweifelsfrei erkennen, daß die Strukturen des Baus romanisch sind. Im Chorjoch tragen seitliche Entlastungsbögen und eine Kuppel die Last des Turms. Reste der romanischen Apsis sind noch erkennbar. Ihre Kalotte setzt auf einer Rundbogenarkade auf.

Auch hinsichtlich ihrer Ausstattung ist die Kirche von Interesse. Im Saalraum wurden unter einer Übermalung des 19. Jahrhunderts Reste von mittelalterlichen Fresken entdeckt. Die Grabkapelle aus dem 18. Jahrhundert, von barocker Inspiration, ist neben der Kirche von Fleury-la-Montagne das einzige Beispiel für diesen Stil im Brionnais. Ihre Innenausstattung stammt aus dem Jahre 1854. 

Anzy-le-Duc

Die Kirche von Anzy-le-Duc wurde im 11. Jahrhundert begonnen und im frühen 12. Jahrhundert vollendet. Sie ist der schönsten unter den romanischen Bauten des Brionnais, schon wegen der Ausgewogenheit ihrer Proportionen, vielmehr noch aber durch ihre reiche Bauplastik. Im Jahre 1852 unter Denkmalschutz gestellt, besitzt sie heute das Patrozinium der Himmelfahrt Mariens.
Die Gründung von Anzy-le-Duc reicht in karolingische Zeit zurück. Im Jahre 876 schenkte der Edelmann Lethbaldus zusammen mit seiner Gemahlin Altasia seine Villa «Enziacum» an das Kloster Saint-Martin in Autun. Der erste Prior des neuen Klosters, Hugo von Poitiers, starb, im Rufe der Heiligkeit stehend, gegen 930. Schon bald wurde sein Grab zum Ziel einer Wallfahrt für die Pilger, die an der Loire entlangzogen. So machte die wachsende Zahl der Gläubigen zu Beginn des 11. Jahrhunderts einen Neubau notwendig, der größer war, aber auch einen würdigen Rahmen für die Gebeine des Heiligen bilden sollte.

Anzy-le-Duc

Anzy-le-Duc

Harmonie der Proportionen
Die Kirche von Anzy ist geostet. Ihr Grundriß ist der gleiche wie der der Prioratskirche von Charlieu und weist somit auf eine enge Verbindung der beiden Klöster hin, die in karolingischer Zeit entstanden sind und auch im Kapitellschmuck große Ähnliclikeiten besitzen. Dem dreischiffigen Langhaus folgt ein weitausladendes Querhaus, so daß ein lateinisches Kreuz entsteht. Chor und Querarme werden von einer fünfteiligen Apsidenstaffel bekrönt, die eine Scheitelkapelle besitzt. Der ganze Grundriß wird durch ein hohes Maß an Klarheit bestimmt, nicht nur in der einfachen Durchbildung, sondern auch der feinen Abstimmung der Proportionen.
Die gleiche Harmonie der Linie waltet in der aufgehenden Architektur, und zugleich zeugt das Wölbsystem von baulicher Meisterschaft. Das gesamte Langhaus wird von Kreuzgratgewölben überspannt, wobei Quergurte die Joche voneinander scheiden. Mit dieser Wölbung gehört Anzy zu einer Gruppe von burgundischen Kirchen, deren Meisterwerk Sainte-Madeleine in Vezelay ist.
Der Unterschied im Mauerwerk, der sich leicht zwischen Langhaus und Ostpartie feststellen läßt, ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß die Kirche von Anzy in zwei Abschnitten entstanden ist, die sich über einen Zeitraum von 1080 bis in das erste Viertel des 12. Jahrhunderts erstrecken. Eine ausgewogene Proportionierung kennzeichnet auch den Außenbau der Kirche, wie der ausgesprochen elegante Vicrungsturm beweist.
Er zählt zu den schönsten im ganzen Brionnais und überragt, weithin sichtbar, in seiner Schlankheit den massiven Unterbau. Die Gliederung des oktogonalen Turmes durch Blendbogenfriese erinnert an die Baukunst Oberitaliens.

Reichtum der Bauplastik
Der schönste Teil ist das Westportal mit Christus in der Glorie, dessen Mandorla von zwei seitlichen Engeln gehalten wird. Am Türsturz darunter erscheinen die Apostel und Maria bei der Himmelfahrt Christi; ihre starken Emotionen ordnen sich der strengen Komposition unter. Anders auf der Archivolte, die leider stark beschädigt ist. Dort, und in den seitlichen Kapitellen, finden die 24 Ältesten der Apokalypse Platz und erweisen dem wiederkehrenden Christus ihre Ehre.

Westportal

Westportal

Der plastische Schmuck von Anzy-le-Duc bildet ein homogenes Ensemble, das nicht nur einen ästhetischen Wert hat, sondern auch archäologisch interessant ist. Im Inneren zählt man nicht weniger als 40 Kapitelle, die zum überwiegenden Teil mit Pflanzen- oder Tiermotiven überzogen sind. Die größte Aufmerksamkeit verdienen jedoch die szenischen Kapitelle im Langhaus, die von der Verbreitung der cluniazensischen Formensprache im 12. Jahrhundert zeugen.

Der Reichtum der Skulptur macht tatsächlich staunen. So sind fast alle Konsolen auf der Südseite des Außenbaus verziert.

Die Krypta
Durch jüngst stattgefundene Grabungen konnte im nördlichen Querarm der alte Treppenlauf wieder freigelegt werden, der in die Krypta hinunterführt, die lange unzugänglich war. Diese stammt möglicherweise noch aus dem 10., sicher aber aus dem frühen 11. Jahrhundert und diente als Grabstätte des seligen Hugo von Poitiers. Sie ist das älteste christliche Heiligtum im gesamten Brionnais.

© Herbert S., 2013
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Im Sommer haben wir die Idee geboren - bei Chantal und Gilbert in Chalon-sur-Soane das Häuschen mieten und noch einmal durchs Burgund streifen. Nach zehn Jahren erkennen wir vieles wieder, aber finden auch manches Neue.
Details:
Aufbruch: 05.10.2013
Dauer: 8 Tage
Heimkehr: 12.10.2013
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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