Für 99 DM an das Schwarze Meer

Reisezeit: Juni 1973  |  von Günter Huppmann

Das Spiel

Ein Bulldog - aber nur für wohlhabende Bürger.

Ein Bulldog - aber nur für wohlhabende Bürger.


4. Urlaubstag

Am nächsten morgen wachte ich auf, mit einem Brummschädel und müde war ich. Nach einer ausgiebigen Duschzeremonie ging ich frühstücken und dann an den Strand.

Unterwegs hatten alle Obst- und Gemüseläden auf, und ein jeder hatte eine Orange in der Hand.
Auch Maria, die wenig später eintraf, hatte eine Orange.
"Was soll denn das?" wollte ich von ihr wissen.
"Der Staat hat beschlossen, dass es Orangen gibt, und deshalb hat jeder eine Orange."
"Was gibt es denn sonst noch in den Obstläden zu kaufen, Maria?"
"Nichts, nur Orangen."
Eine verrückte Welt.

Den ganzen Tag lag ich im Schatten - nur keine Sonne. Ab und zu kam mal ein kurzer Regenschauer.

Gegen mittag wollte ich mir ein Schaschlik kaufen, aber es gab keine. Auf meine Frage "warum" kam die Antwort, es gäbe kein Fleisch, also auch kein Schaschlik. Aus, basta.
Ganz normal.


5. Urlaubstag

Am nächsten Morgen wachte ich ohne Kopfschmerzen auf.

"Wenn du mitfahren willst," ermunterte mich der Trainer, "heute spielen wir in Mangalia, heute ist das Freundschaftsspiel. Ein Bus steht später bereit vorm Hotel."
Ich packte ein paar Sachen zusammen und suchte den Bus. Meine Freunde hörte ich lachen und grölen, und dann ging's los mit einem alten ausrangierten Bus in Richtung Mangalia.

Ein bisserl enttäuscht waren alle, denn sie kamen zu einem Freundschaftsspiel und waren ja nicht irgendeine Mannschaft, sondern die Mannschaft eines weltbekannten Unternehmens.
"Andere Länder, andere Sitten" klärte uns der Trainer auf, aber der sollte auch noch ins Staunen kommen.
Nach einer längeren Fahrt durch Mangalia kamen wir an und man zeigte uns den Fußballplatz.

Das Schwarze Meer bei Mangalia Süd.

Das Schwarze Meer bei Mangalia Süd.

"Hier sollen wir spielen?" Der Trainer bekam große Augen: "Also hier kann man doch nicht spielen."
Der ganze Platz wurde schon lange nicht mehr gemäht, das Gras war ziemlich hoch.
"Staat hat nicht angeordnet Rasenmähen, also machen wir nix Rasenmähen" war der Kommentar der Gegenmannschaft.
Die Spieler waren dermaßen enttäuscht, denen verging die ganze Lust an der Sache. Alle waren am Schimpfen und am Meckern, denn das hier hatte sich doch ein Jeder anders vorgestellt.

Es wurde ein Spiel, das ohne jegliches Interesse verlief und am Schluss haben die armen Kerle aus Westgermany auch noch verloren.

Am folgenden Abend gab es Rum und Alkohol en gros.
"Da fahren wir nie mehr hin" riefen sie alle und dann wurde gesungen: "Ein kleiner Hund..."


6. Urlaubstag

Am Folgetag nahm Maria Abschied und fuhr mit dem Zug zurück nach Bukarest.
Wir fuhren mit dem Linienbus nach Constanza. Am Bahnhof angelangt, staunte ich nicht schlecht: auf dem Bahnsteig saßen Reisende, und ein jeder hatte eine kleine Schüssel vor sich mit Essbarem. Sowas hatte ich noch nicht gesehen, dass Reisende, die auf Ihren Zug warten auf dem Bahnsteig sitzen und essen. Für Maria war das normal.

Als der Zug einfuhr, stiegen sie alle ein. Maria winkte noch lange - in einer kleinen Kurve sah ich immer noch ihre Hand beim Winken.

Am Abend feierten wir noch so richtig Abschied vom Schwarzen Meer. Wir sangen das Lied vom kleinen Hund und immer wieder der kleine Hund, und ein jeder von uns hatte einen ganz schönen Rausch als er ins Bett ging.


Ende und Heimflug

Alles hat einmal ein Ende, und so war es auch hier.

Am letzten Tag, am Tag unserer Abreise, wir warteten auf den Bus, der uns zum Flughafen bringen sollte, da standen plötzlich Polizisten vor uns.
"Was wollen die denn?" fragte ich meine Freunde und da kam schon des Rätsels Lösung: "In Ihren Zimmern fehlen die Aschenbecher. Staatseigentum ist entwendet worden!"
Wir waren alle platt.
Ein jeder von uns wusste genau, dass diese Aschenbecher im Gelände verstreut lagen, für unsere Freunde, die wilden Hunde, aber keiner hatte Lust, diese Ascher zu suchen und dann noch die Story mit dem Wein zu erzählen.
Da fragte ich, was wir jetzt tun könnten, da kam die Antwort "Sie müssen für jeden Aschenbecher, der fehlt, 1 DM bezahlen."
Ich gab ihnen den Betrag und wir konnten in unseren Bus einsteigen in Richtung Flughafen Constanza.

Am Flughafen, bei der Kontrolle, musste u.a. ein jeder seine Geldbörse öffnen (soviel ich mich erinnern kann, durfte man die Landeswährung Lei nicht ausführen) und bei dieser Kontrolle nahm doch der Beamte 10 DM aus meiner Geldbörse. Ich dachte mir ...
Im Flugzeug erzählte ich das meinen Kumpels, und ein jeder sagte dasselbe, bei jedem wurde ein DM-Geldschein gezwickt.

Das war meine Reise 1973 nach Rumänien.
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.

Seniorchef Günter

© Günter Huppmann, 2003
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit einer Fußballmannschaft aus Fürth/Bayern flog ich im Juni 1973 nach Rumänien: zum Urlaub in ein bitterarmes Land, das schwer zu leiden hatte unter dem Diktator Ceausescu und seiner Geheimpolizei.
Details:
Aufbruch: Juni 1973
Dauer: unbekannt
Heimkehr: Juni 1973
Reiseziele: Rumänien
Der Autor
 
Günter Huppmann berichtet seit 21 Jahren auf umdiewelt.
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