Besuch im Nachbarland - Rundreise durch Tschechien

Reisezeit: Juli 2012  |  von Tatjana F.

Theresienstadt

Nach dem Brötchenholen brachen wir direkt auf und machten uns auf nach Prachen um uns die sogenannte Steinerne Orgel, auch genannt Herrenfelsen, anzuschauen. Das ist ein großer Felsen, der aus Hunderten 4 - 8 eckigen Säulen besteht, die aus der Erde ragen und aus gehärteter Lava bestehen. Wir fanden einen kostenfreien Parkplatz hinter dem Felsen und konnten uns diesen in Ruhe anschauen, wirklich sehr faszinierend, wie diese Steine alle so gerade und glatt geworden sind, als hätte sie jemand zugeschnitten. Nach der Besichtigung machten wir uns auf in Richtung Terezin und hielten unterwegs an einem abgeschiedenen Waldparkplatz an um in der Sonne zu frühstücken. In Terezin steuerten wir zuerst den Besucherparkplatz an der Großen Festung an. Die Große Festung ist quasi die ganze Stadt Terezin, die schon immer von einer Stadtmauer umgeben ist, wodurch sie perfekt von der Außenwelt abzuschotten war. Desweiteren verlaufen die Straßen in diesem Ort alle kerzengerade, weshalb ein Wachmann von einem Ende problemlos alles überblicken konnte. Aus diesem Grund wurde die Stadt damals als Konzentrationslager genutzt. Tausende Juden wurden hier eingesperrt und mussten unter schlimmsten Bedingungen leben. Sie durften die Gehwege und Grünanlagen nicht betreten, durften auf der Straße nicht miteinander sprechen usw. Wer gegen eine dieser schwachsinnigen Regeln verstieß wurde in die Kleine Festung gebracht, ein separat abgetrenntes Areal, welches als Gefängnis genutzt wurde. Hier verschlimmerten sich die Bedingungen noch mehr, Hunderte lebten in Räumen die so groß wie eine Abstellkammer waren, sie bekamen kaum zu Essen, mussten teilweise im Stehen schlafen, die hygienischen Bedingungen waren verheerend. Es gab keinerlei medizinische Versorgung und an ihnen wurden beispielsweise Amputationen mit Rasierklingen durchgeführten, ohne Narkose. Kaum jemand überlebte dieses Arbeitslager, viele verhungerten oder erstickten. Gaskammern gab es in Theresienstadt jedoch keine, es diente nur als Durchgangslager, von dort aus ging es in das Vernichtungslager nach Auschwitz.

Vom Parkplatz an der Großen Festung aus besichtigten wir den Judenfriedhof mit über 9.000 Einzelgräbern und zusätzlichen Massengräbern. Anschließend fuhren wir durch Terezin bis zum Besucherparkplatz an der Kleinen Festung. Wir hatten Glück und kamen genau rechtzeitig zu einer deutschsprachigen Führung. Die Führung war irre interessant aber furchtbar bedrückend. Es ist einfach unvorstellbar was damals (und „damals“ ist in diesem Fall gerade mal 40 Jahre vor unserer eigenen Geburt gewesen!) passiert ist. Bei der Führung bekamen wir alles gezeigt und erfuhren beispielsweise, dass, als sich einmal eine Kontrolle des roten Kreuzes ankündigte, die Operation „Verschönerung“ durchgeführt wurde. Hierzu wurden alle Menschen die zu dünn waren oder zu krank aussahen direkt nach Auschwitz verschafft. Alle anderen mussten einmal pro Woche 1 Stunde lang „normales Leben“ einstudieren, also auf dem Gehweg laufen, miteinander sprechen usw. Eigens für diese Kontrolle wurden in Terezin Cafés, Spielplätze und Theater errichtet. Auch im Gefängnis bekam man neue Kleidung, es wurden Waschräume gebaut usw. Nach dieser Kontrolle wurden alle an der Verschönerungsaktion beteiligten Personen direkt nach Auschwitz verschafft (ca. 20.000 Personen). Soviel Tote für 20 Minuten Kontrolle… Im Zuge dieser Aktion wurde ein Propagandafilm gedreht, den wir anschließend zu sehen bekamen (O-Ton: Schaut wie lieb der Führer ist, er schenkt den Juden ein ganzes Dorf). Danach ging es wieder zurück nach Terezin hinein. Hier besichtigten wir noch das Ghettomuseum.
Am Nachmittag war unsere Stimmung dann ganz schön auf dem Boden und wir brauchten dringend etwas positive Ablenkung. Knapp 10 Km weiter, in dem kleinen Örtchen Pistany, fanden wir einen schönen Badesee mit Sandstrand, an dem wir es uns erstmal in der prallen Sonne gemütlich machten. Leider war die Wasserqualität nicht ganz so perfekt, weshalb wir es vorzogen uns nur zu sonnen. Gegend Abend gingen wir noch einige Lebensmittel einkaufen und steuerten dann den Campingplatz Sunnycamp in Prag an. An den Preisen merkte man direkt, dass wir in der Stadt angekommen waren, wir zahlten 30 Euro pro Nacht.
Der Platz war jedoch ganz schön gemacht, es gab ein Kiosk und ein Restaurant und vor allem die Sanitäranlagen und Duschen waren super. Auch mit unseren holländischen Platznachbarn hatten wir Glück, sie waren richtig nett und höflich. Gemütlich warfen wir unseren Grill an, aßen zu Abend und nahmen danach das freundliche Angebot eines herumlaufenden Bäckers an, ihm frisch gebackene Kokosmakronen als Nachtisch abzukaufen.

Steinerne Orgel

Steinerne Orgel

Theresienstadt

Theresienstadt

Badesee Pistany

Badesee Pistany

So langsam war der Sommer in Tschechien angekommen

So langsam war der Sommer in Tschechien angekommen

© Tatjana F., 2016
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Schon lange hatten wir es uns vorgenommen und doch immer wieder verschoben. Nun war es soweit - mit dem Wohnmobil wollten wir unser Nachbarland Tschechien erkunden. Obwohl die Zeit nur für den Westen des Landes ausreichte können wir schon jetzt sagen, dass unsere Erwartungen übertroffen wurden, wir ein tolles Land kennen lernen duften und es definitiv nicht unsere letzte Reise nach Tschechien war!
Details:
Aufbruch: 21.07.2012
Dauer: 8 Tage
Heimkehr: 28.07.2012
Reiseziele: Tschechische Republik
Der Autor
 
Tatjana F. berichtet seit 9 Jahren auf umdiewelt.
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