Rundreise durch Südosteuropa

Reisezeit: Juni / Juli 2018  |  von Gerd Dorn

Ukraine: Tschernobyl

Bereits zu Hause buchten wir einen Trip in das Gelände des Atomkraftwerkes Tschernobyl. Es gibt zahlreiche Agenturen, die diese Ausflüge anbieten, die Touren kosten etwa ab 99,00 € pro Person.
Da der Treffpunkt am Bahnhof war packten wir am nächsten Morgen unsere Koffer und nahmen diese gleich mit. Im Kiewer Hauptbahnhof gibt es Schließfächer, in denen man sein Gepäck für 24 Stunden für einen Euro einschließen kann. Wir schlossen unsere Koffer ein, hatten aber kein gutes Gefühl bei dem System. Damian tetstete lieber noch mal und bekam sein Schließfach auf. Waren zwar anschließend noch mal 30 Griwna fällig, unser Gefühl war aber besser.

Nachdem wir unseren Veranstalter lokalisiert hatten ging es in Gruppen von etwa 10 Personen in Kleinbussen auf in Richtung Pripjat.
Der Sperrgürtel ist etwa 130 km nördlich von Kiew. Mit dem Kleinbus brauchten wir knappe zwei Stunden bis dorthin.

Einreisekontrolle

Bereits vorab mussten wir der Agentur, die den Trip organisierte, unsere Passdaten zukommen lassen. Der Aufenthalt um das Atomkraftwerk wird streng überwacht. Dazu gibt es vorab Listen mit den Daten der einreisenden Personen. Diese werden durch Personenkontrollen mit den Ausweisdokumenten abgeglichen. Da stehen dann Schranken mit bewaffneten Armisten, die die Zufahrt kontrollieren.
Insgesamt passierten wir zwei Sperrgürtel, die den jeweiligen Sicherheitsstufen entsprechen.

Tschornobyl

Das Atomkraftwerk ist im westlichen Europa unter dem Namen Tschernobyl zur Legende geworden. Dieser Begriff ist allerdings die Transkription für die russische Bezeichnung für diesen Ort, die ukrainische lautet Tschornobyl. Der Ort Tschornobyl ist außerhalb der inneren (10 km) Sperrzone aber innerhalb der 30km großen äußeren Sperrzone.

Ortseingangsschild von Tschornobyl

Ortseingangsschild von Tschornobyl

In Tschornobyl, dass nach der Katastrophe 1986 evakuiert wurde, ist nicht viel verändert worden. Hier steht beispielsweise noch eine überlebensgroße Leninstatue. Auch wohnen hier Arbeiter, die am Atomkraftwerk arbeiten, daher gibt es für diese auch Versorgungseinrichtungen.
Weiter werden Roboter aus dem Jahr 1986 ausgestellt, die beim Bannen der Katsatrophe zum Einsatz kamen. Leider war der Stand der Technik damals nicht derart hoch, so dass die Effektivität diese Roboter gering war.
Bedrückend eine "Allee", die rechts und links von ukrainischen Ortsschildern gesäumt wird. In diesen Orten waren 1986 Todesopfer zu beklagen. Die Allee ist verdammt lang....

Die "Todesallee" von Tschornobyl

Die "Todesallee" von Tschornobyl

Die Woodpecker Anlage in Duna

Weiter ging es zu einem skurrilen Überbleibsel aus den Zeiten des kalten Krieges. Zur Raketenabwehr installierte die Sowjetunion sogenannte Woodpeckeranlagen, die Radiosignale zur Raketenabwehr aussandten.
Bei der Anlage selbst handelt es sich um ein futuristisch anmutendes unglaubliches Bauwerk. Über 50 mächtige Stahlkolosse ragen über 100m hoch in den Himmel. Dazwischen ein wirres System von Sendedrähten und -Konstruktionen.

Teil der Woodpecker Anlage von Duna

Teil der Woodpecker Anlage von Duna

Das System soll in der Lage gewesen sein Flugbewegungen auch kleinerer Körper (=Atomraketen) bis zu einer Entfernung von 9.000 km trotz Erdkrümmung zu registrieren.
Der Name Woodpecker rührt im übrigen daher, dass diese Anlage ein rhythmisches 10 Herz Signal aussandte, welches weltweit Radiosignale störte.
Heute ist es immer noch unglaublich beeindrucken, aber nicht mehr im Betrieb.

Der Reaktorblock 4

Auf der Fahrt zum eigentlichen Reaktorblock machten wir noch einen Zwischenstopp in einem ehemaligen Kindergarten. Da Radioaktivität in der freien Natur besser abgebaut wird als in Gebäuden kam hier der mitgeführte Geigerzähler häufiger zum Einsatz. Eine Gefahr für uns Touristen bestand nach Auskunft des Guides bei kurzzeitigem Aufenthalt nicht. Wollen wie das einfach mal glauben.
Der Anblick des Gebäudeinneren war schon etwas bedrückend. Auch wenn der Zahn der Zeit deutliche Spuren hinterlassen hat, stimmen doch beispielsweise zurückgelassene Kuscheltiere und Spielzeug etwas traurig.
Weiter ging es am Reaktorblock 3 vorbei, der derzeit demontiert wird.
Dann standen wir nur wenige Meter vom Reaktorblock 4, bei dem es 1986 zur Explosion kam, entfernt.

Im Hintergrund der Reaktorblock 4

Im Hintergrund der Reaktorblock 4

Infolge des Sarkophags, der über dem zerstörten Reaktorblock errichtet wurde, ist der Anblick relativ unspektakulär.
Überraschenderweise, war die Kantine, in der ein Mittagessen gereicht wurde, gleich daneben. Scheint wirklich nicht allzuviel Strahlung zu herrschen.
Bevor man in die Kantine kommt, muss man sich erst mal durchchecken lassen, in wie weit man Strahlung abbekommen hat. Dazu muss man sich auf eine Messapparatur begeben und die Hände außen anlegen.

Strahlungsmessen vor dem Mittagessen

Strahlungsmessen vor dem Mittagessen

Was das Gerät auch immer misst und wie es funktioniert, weiß ich nicht. Zumindest gab es für alle Mitreisenden grünes Licht und den Weg frei zum Mittag essen.
Das Essen selbst war nicht schlecht, schmeckte irgendwie nach Fisch, weiß aber nicht genau, was es tatsächlich war, anschließend ging es dann weiter nach Prypjat.

Pryipjat

Prypjat ist wohl die Stadt mit der kürzesten Geschichte aller Zeiten weltweit.
Für die Arbeiter im und am AKW erst im Jahr 1970 errichtet, wurde sie infolge radioaktiver Verseuchung bereits im Jahr 1986 aufgegeben. 1986 hatte sie 50.000 Einwohner.
Das interessante an Prypjat ist die Tatsache, dass diese Stadt von heute auf morgen verlassen und der Natur preis gegeben wurde. Wie lange braucht die Natur, um Menschenwerk zurückzudrängen? Die Antwort ist: Verdammt lange! 30 Jahre reichen da bei weitem nicht.
Zwar wurden Straßen, Wege und Plätze teilweise überwuchert, den Gebäuden und Betonflächen war auch die Verwahrlosung anzusehen, von einem Verfall konnte aber noch nicht die Rede sein.

Auch nach 30 Jahren sind die Gebäude weitgehend intakt

Auch nach 30 Jahren sind die Gebäude weitgehend intakt

Im Inneren sieht es natürlich desolat aus. Bröckelnde Putz- und Betonelemente, offen liegende Verteilungen, herunterhängende Deckenverkleidungen - dazwischen zerstörtes Mobiliar und Abfälle.
Interessanterweise hatte unsere Führerin Bilder von Prypiat von vor 1986 dabei. Anhand dieser Bilder konnte man einen interessanten vorher / nachher Vergleich ziehen.

Der Vorher - Nachher Vergleich lies schon erahnen, welche pulsierende Stadt Prypjat einst war

Der Vorher - Nachher Vergleich lies schon erahnen, welche pulsierende Stadt Prypjat einst war

Ein Fuchs im inneren Sperrgürtel

Ein Fuchs im inneren Sperrgürtel

Plötzlich tauchte dann ein ziemlich räudiger Fuchs auf, der keine Scheu vor Menschen hatte. Bei Youtube findet man auch Videos von ihm, er scheint sich bei den Besuchergruppen sein täglich Brot zu erbetteln. Hat auch bei uns funktioniert. Ob sein zerrupftes Aussehen von der Strahlung oder vom Alter herrührt muss unbeantwortet bleiben.

In Prypjat selbst durchstreiften wir noch eine Weile die Stadt, wir sollten bloß nicht in die Gebäude reingehen, weil die Strahlung dort noch zu hoch ist. Natürlich wurde auch das Riesenrad besucht, dessen Bilder weltweit bekannt sind.
Irgendwann sieht man dann auch nichts neues interessantes mehr und es geht auf die Heimreise.

Beim Verlassen der Sperrzone wird noch einmal die Radioaktivität mit einem ähnlichen Gerät wie zur Mittagspause gecheckt. Alles in Ordnung! Pässe wurden auch kontrolliert damit sichergestellt werden kann, dass alle auch wieder draußen sind.

© Gerd Dorn, 2019
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Tour durch Moldawien, Rumänien, Bulgarien, Serbien und die Ukraine
Details:
Aufbruch: 21.06.2018
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 09.07.2018
Reiseziele: Moldau
Rumänien
Bulgarien
Serbien
Ukraine
Der Autor
 
Gerd Dorn berichtet seit 7 Jahren auf umdiewelt.