Leite mich auf den Weg, der von der Dunkelheit ins Licht fuehrt

Reisezeit: März 2010 - Januar 2011  |  von Guyaine Hemmer

Freiwilligendienst beim Sewa Ashram in Delhi, Indien.

Alles hat einen Anfang

Champa

Champa

"Von der Dunkelheit ins Licht gefuehrt zu werden", sieht fuer jeden ganz individuell aus. Jeder Anfang ist anders; keine Lebensgeschichte ist die gleiche, und doch habe ich das Gefuehl, dass es einige wahre Geschichten gibt, die weitaus erschuettender sind, als andere -dunkler vielleicht.
"Gibt es denn ueberhaupt Abstufungen der Dunkelheit; ist Dunkelheit nicht Schwarz und das Licht Weiss?", koennte man jetzt fragen. Schwarz und Weiss haben in der Tat keine Nuancen. Mein Gefuehl sagt mir nur, dass ich in Indien Leuten begegne, die eine duestere Dunkelheit kennen, als ich. Wenn ich versuche nachzuempfinden, schiebt sich in mir ein Riegel vor. Ich moechte nicht mal das fuehlen, was sich in mir regt, wenn ich diese Geschichten hoere, wenn diese Menschen mir einen Einblick gewaheren in ihre dunkle Vergangenheit. Sie oeffnen die Tuere nur einen Spalt, und was mir da entgegenstroehmt ist nur ein Bruchteil von dem, was sie in der Wirklichkeit erlebt haben. Wieviel dunkler muss es sein? Wieviel schmerzhafter? Wieviel zerstoererischer? Es uebersteigt meinen Verstand. Und wer bin ich, dass ich glauben koennte, ich haette das Leben verstanden; und einen Preis fuer meine Muehen und persoenlichen Kaempfe verdient.
Ihr bekommt Geschichten zu hoeren -jeder mag Geschichten. Aber ich sage euch die Wahrheit. Was ich recherchieren kann, knalle ich euch vor den Latz. Was ich verstehen und niederschreiben kann, gebe ich an euch weiter und ich werde nicht zurueck halten. Ich werde mich fuer keine dieser Wahrheiten schaemen.
Eines haben all diese Geschichten gemeinsam: Sie zeigen, dass es in dieser Welt kein Licht gibt, keinen Ort, wo wir hin rennen und uns verstecken koennen... ausser bei unserem Schoepfer. Das ist die grundlegende Wahrheit, die ich bis jetzt ausmachen konnte, und die folgenden Geschichten sollen das bestaetigen.

Reiseberichte sind in der Regel immer was Nettes -man schreibt die alltaeglichen Urlaubspannen und tiefen Momente auf, um die Familie und den Freundeskreis teilhaben zu lassen. Ich hoffe, meine Berichte werden etwas unbequem. Ich hoffe, sie bringen euch ein wenig Licht und Klarheit. Wahrheit kann unbequem sein, denn wenn das Licht angeht, sieht man den Dreck, der sich um einen herum befindet. Aber gleichzeitig ist die Wahrheit auch befreiend. Die Wahrheit, die ich in meinem zarten Leben von 24Jahren entdecken durfte, verspricht mir Hoffnung. Ich darf an Hoffnung glauben und was ich seit meiner Ankunft in Indien erlebt habe, bestaetigt das.
Deswegen sind die Geschichten, die ich euch erzaehlen moechte, Geschichten der Hoffnung. Ich darf Hoffnung sehen. Wieviel heller ist das Licht, wenn man aus der tiefsten Dunkelhei kommt -aus gesellschaftlicher Ausgrenzung, sozialer Verdorrtheit, Armut, Hungersnot, Krankheit, sexuellem Missbrauch und Misshandlungen, aus der Vergessenheit -der Unberuehrbarkeit? Es ist blendend und umso erfuellender, wenn der Ruf der Vergangenheit verklingt und das Licht vollen Raum einnimmt. Ich will ehrlich sein: nicht jeder Protagonist wiedersteht dem Ruf der Vergangenheit, sondern zieht in vergangene Gefuege zurueck. Sie sind ein gemachtes Nest; nicht jeder schafft es, die alte Identitaet abzulegen und ein neues Leben zu beginnen. Aber diejenigen, die es schaffen strahlen wie nichts, was ich jeh zuvor gesehen habe. Ich habe noch nie so schoene Menschen getroffen. Wie gesagt, ihre Geschichten fangen in einer Dunkelheit an, die man sich duesterer nicht vorstellen kann, aber seitdem Licht in ihre Leben gekommen ist, wirft es die Schatten der Vergangenheit hinter sie; und je hoeher das Licht sich ueber ihren Koepfen erhebt, desto kleiner werden die Schatten -Heilung.

"Und er sprach zu ihnen: Zündet man auch ein Licht an, daß man es unter einen Scheffel oder unter einen Tisch setze? Mitnichten, sondern daß man's auf einen Leuchter setze. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. Denn es ist nichts verborgen, das es nicht offenbar werde, und ist nichts Heimliches, das nicht hervorkomme.
So fürchtet euch denn nicht vor ihnen. Es ist nichts verborgen, das es nicht offenbar werde, und ist nichts heimlich, das man nicht wissen werde.
Es ist aber nichts verborgen, das nicht offenbar werde, noch heimlich, das man nicht wissen werde. Wer Ohren hat, zu hören, der höre!"
(Markus 4, 21-23)

(Und wer Augen hat, der lese!! )

© Guyaine Hemmer, 2010
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 30.03.2010
Dauer: 9 Monate
Heimkehr: 02.01.2011
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Guyaine Hemmer berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.