Radreise in der Horde und auf eigene Faust nach Südosteuropa

Reisezeit: August / September 2003  |  von Manfred Sürig

Finale im slowakischen Erzgebirge

Wir radeln noch ein kurzes Stück, dann ist es Zeit für unsere Mittagspause auf einer sonnigen Bergwiese. Doch wir bekommen sofort Besuch der Grenzpolizei, die nur wissen will, ob wir tatsächlich aus der Ukraine gekommen sind. Ohne erneute Paßkontrolle sind sie zufrieden und fahren wieder davon. Frisch gestärkt von unseren Mitbringseln aus Rumänien und aus Czernowitz und Uzgorod schwingen wir uns wieder auf die Räder, immerhin haben wir hier eine Stunde gewonnen, denn hier herrscht Mitteleuropäische Sommerzeit. Es folgt eine zünftige Fahrt durch ein fast leeres Land auf einer nagelneuen Asphaltstraße mit noch weniger Verkehr.
Teile der Strecke kenne ich schon von meiner Radtour im Jahr 2000 und ich habe den Eindruck, dass die Dörfer, durch die wir kommen, seitdem deutlich schöner geworden sind. Am meisten fallen die wenigen Autos auf, die uns überholen: Endlich kein Auspuffgestank mehr und fast immer neueste Modelle. In Snina haben wir 82 km auf dem Tacho, eigentlich Zeit, um Schluß zu machen. Doch das einzige Hotel ist angeblich ausgebucht. Also weiter bis Humenne, 22 km westwärts, möglichst noch bei Tageslicht. Dort kenne ich das Hotel Chemes, das auf jeden Fall Platz genug bieten wird, zumal an einem Sonntagabend.
Die leicht abschüssige Strecke ermuntert uns zu einer regelrechten Rallye, 50 Minuten später sind wir mit einem Schnitt von fast 30 km/h in Humenne im Hotel und dürfen dort mangels Garage unsere Fahrräder sogar in den sechsten Stock mit ins Zimmer nehmen - mit Aufzug kein Problem. Das Abendessen im Flanierzentrum gerät zum Gelage, am Ende zahlen wir für Suppe, Grillplatte für 2 Personen, Walnußpalatschinken und je 5 halbe Liter Bier zusammen rund 20 Euro und sind rundum zufrieden.

Montag, 15.September 2003

Humenne bietet nicht viel Sehenswertes, aber das wenige sehen wir uns noch an, ein Schloß, das ein Heimatmuseum beherbergt (montags geschlossen) und eine breite Allee in der Innenstadt, in der heute ein Freilichtgottesdienst aus Anlaß des Papstbesuches in Bratislava stattfindet. Um Budapest näherzukommen, fahren wir heute fast 200 km mit der Bahn nach Westen, zunächst mit einem Zug von Rzeszow/Polen nach Kosice - ich wußte noch gar nicht, dass es da eine durchgehende Verbindung gibt - und in Kosice haben wir Anschluß an einen Zug, der im Hlinec-Tal aufwärts, dann südlich der Niederen Tatra nach Bratislava fährt. Uns reicht heute aber das Ziel Telgart auf 900 Höhenmeter zwischen Slowakischem Paradies und Niederer Tatra. Diese Höhe scheint uns ein geeigneter Startpunkt für weitere Unternehmungen morgen zu sein. Die Bahnfahrt im Hlinectal aufwärts führt durch so liebliche Gegend, dass wir beschließen, dieselbe Strecke morgen per Rad in Gegenrichtung zu fahren. Wir finden eine sehr schöne Pension "U Hanky", wo wir mit frischen gebratenen Steinpilzen bewirtet werden. Die Tochter des Hauses spricht akzentfrei Deutsch mit pfälzisch/luxemburgischem Einschlag und richtig, sie studiert BWL in Trier. Wir unterhalten uns noch lange bei einem guten slowakischen Rotwein und erfahren viel über die Zeit nach der Wende hier.

Dienstag, 16.September 2003

Den heutigten Tag haben wir als Reserve, und die nutzen wir, um nach einem schönen Frühstück zurückzufahren über den Paß (Sedlo Besnik) nach Dobsinska Ladova Jaskyna, der größten Eishöhle Europas. Wir kommen gerade noch zur 9-Uhr-Führung zurecht und steigen in einen Berg, dessen Inneres wie in einer Thermoskanne mit Eis gefüllt ist, 100000 Kubikmeter! Irgendwann hat sich der Abfluß unten zugesetzt und in Jahrtausenden hat sich ein Stau von Eis darüber gebildet, der auch im Sommer nicht abtaut, das Gelände liegt rund 1000 Meter ü.M, im Winter fällt oben kalte Luft auf das Eis und kann im Sommer nicht mehr hinaus, ganz einfach.

Um 10.30 Uhr sind wir wieder draußen, nun beginnt unsere Radtour talabwärts entlang am Hlinec, dieses Mal ohne Gepäck, das haben wir in Telgart in unserer Pension gelassen. Hätten wir nicht die detaillierte Fahrradkarte, würden wir den Weg kaum finden, zu groß sind die Qualitätsunterschiede der Wege. Mal auf der Hauptstraße, dann wieder auf einem Pfad steil bergab zu einem Bergsee, der sich als Sackgasse erweist - außer für die Bahn, die fährt durch den Tunnel -. Aber dafür haben wir eine Fotoausbeute, von der wir nicht zu träumen gewagt hatten. Wir kommen durch kleine Siedlungen mit uralten Häusern, die mit Zeichen der Bergleute (Hammer und Schlegel 1799) bemalt oder beschnitzt sind, Tourismus finden wir nur am Hlinec-Stausee in Dedinky und Palmanska Masa, Bilderbuchlandschaften mit ausgiebigen Wander- und Skimöglichkeiten. Holzwirtschaft und etwas Viehzucht scheint die Lebensgrundlage der wenigen Menschen zu sein, die hier leben. Weiter unten im Tal gibt es auch schon mal größere Siedlungen mit etwas Industrie - Holzverarbeitung meistens. Um 16.50 Uhr sind wir in Gelnica, haben 92 km auf dem Tacho und die Zeit reicht gerade noch für ein Bier, bevor unser Zug uns in fast 2 Stunden talaufwärts wieder nach Telgart Pension zurückbringt. Und dort verwöhnt man uns wieder mit Goulasch und Brokkoli, dazu eine neue Weinsorte made in Slovakia. Beim Wein werden wir so mutig, für morgen noch eine Radtour zu beschließen, obwohl wir um 11.40 Uhr in Poprad den Zug nach Sturovo an der ungarischen Grenze erreichen müssen.

Mittwoch, 17.September 2003

Um 7 Uhr schon lassen wir uns das Frühstück machen, um 8 Uhr starten wir bei minus 4 Grad erneut nach Osten über den Besnik-Pass, um bis 4 km hinter der Eishöhle bei klarer Luft und Eiseskälte eine Abzweigung ins Slowakische Paradies zu nehmen, die zunächst erneut über einen 987 m hohen Paß führt. Hier haben wir die Straße ganz für uns allein und erleben noch einmal Natur pur. Ich schaffe sogar die Steigung ohne Absteigen, schon weit vor unserer Soll-Zeit sind wir oben. Dann folgt die Talfahrt ins Slowakische Paradies im Zipser Land. 15 km bergab, schon um 9.30 sind wir in Betlanovce, 13 km vor Poprad. Eigentlich viel zu schade, so schnell dem Ende des Radurlaubs entgegenzufahren, aber ich weiß, dass es vor Poprad noch einmal bergauf geht. Und das auf der verkehrsreichen Europastraße. Doch auch das schaffen wir mit Bravour und sind um 10.30 Uhr schon auf der Flaniermeile mitten in der Stadt Poprad. Sogar noch etwas Zeit zum Besichtigen und Einkaufen haben wir, dann geht es zum Bahnhof, wo man uns 4 verschiedene Verbindungen nach Sturovo anbietet.

Stadtmitte in Poprad Tatry

Stadtmitte in Poprad Tatry

© Manfred Sürig, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Rumänien und Bulgarien per Rad zu bereisen traute ich mir zunächst allein nicht zu, also buchte ich eine Gruppenreise, an deren Ende sofort noch eine Zweiertour durch Rumänien, die Ukraine und die Slowakei angehängt und zu einem großartigen Erlebnis wurde
Details:
Aufbruch: 22.08.2003
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 19.09.2003
Reiseziele: Rumänien
Bulgarien
Ukraine
Slowakei
Ungarn
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.