Indien - oder Hanna allein in der großen Welt...

Reisezeit: Oktober - Dezember 2008  |  von Hanna P.

workshop fuer underachiever

Am letzten donnerstag war fuer alle lehrer ein workshop ueber das handling mit underachievern geplant. die schueler hatten an diesem tag frei und nur wir lehrer sassen im vortragsraum. es gab insgesamt 4 vortraege von 4 experten zu dem thema. einige der experten haben mich echt umgehaun mit ihren aussagen und den schlechten powerpoint-praesentationen. andere experten waren fuer mich ware engel. ich hoffe, dass die richtigen vortraege, die lehrer der schule erreichten haben. aber nun detailiert...

Der erste vortrag war fuer mich der aller schlimmste und ich hab danach schon befuerchtet, dass alle vortragenden die gleiche meinung vertreten wuerden, wurde dann aber spaeter gott sei dank eines besseren belehrt. der herr der den vortrag hielt sprach zuerst in ein mikrofon, dass so schlecht eingestellt war, dass ich auch mit viel muehe kein einziges wort verstanden hab. Nachdem er es also 10 min mit mikro versucht hatte, kam der herr dann zu dem endschluss seinen vortrag ohne mikro fortzufuehren. gute entscheidung! nun verstand ich zwar was er sagte, aber ich war entsetzt. war das wirklich der wissenschaftliche stand der dinge in indien? waren die paedagogen hier wirklich auf diesem stand?

einige aussagen aus seinem vortrag:
* man soll alle sinne des kindes ansprechen - also visuell und auditiv!
aha, die inder haben also nur 2 sinne. interessant
* frontalunterricht bringts - alle kinder die wegtreiben sind nicht genug aufmerksam und SCHLIMM (pfui pfui pfui)
* beim lesen (laut vor der klasse natuerlich) darf man keine "excessive activities" machen - also man muss dastehn wie ein soldat...

* jemand der langsam lernt hat einen IQ von 70-90.
* legasteniker gibt es keine. kinder die buchstaben verdrehen, haben zu wenig geuebt und muessen die woerter immer wieder und immer wieder schreiben.
* usw.

umfassbar... ich war nach diesem, nochdazu miesen, vortrag sowas von frustriert und bestaerkt in meiner auffassung von der indischen lehrerausbildung. die armen kinder.

Der 2. vortrag war von 2 lehererinne, die mir von anfang an sehr sympatisch waren. sie hatten schon mehrere male die schule besucht und die schueler dieser schule beobachtet. mit den ergebnissen dieser beobachtung konfrontierten die beiden nun unserer lehrer. die schueler waeren:
* unmotiviert
* schwach im lesen und schreiben - ob nun in tamil oder englisch
* ganz schlecht in englisch
* in mathe etwas besser, aber sobald die verknuepfung mit sachbeispielen gegeben ist, sehr schlecht
* agressiv
* wenig sozialkompetent
* ...
Sie gaben den lehrern auch ursachen fuer diese schlechten ergebisse. und die lehrer waren sichtlich dankbar fuer die vorschlaege, die die beiden ihnen spaeter unterbreiteten.

Ursachen waeren ihrer meinung nach:
* der leistungsdruck,
* die staendige angst einen fehler zu machen und ausgebessert zu werden,
* der wenig (bis garnicht meiner meinung nach) motivierende unterrichtsstil,
* die klassengroesse...
* all die sachen, die eh offensichtlich sind.

Man solle die kinder vor der lesestunde zum lesen motivieren, ansprechende texte verwenden, mit den kindern vorher sprechen, auf sie eingehen, sie nicht laut einen unbekannten text lesen lassen, allen kinder erfolgsmomente ermoeglichen.... weniger wichtig waere es dem lehplan hinterher zu jagen, und dabei fast die haelfte der kinder auf der stecke zu lassen. wie uns auf der paedak schoen beigebracht worden ist, man soll "die kinder dort abholen, wo sie stehen!!!" genau das versuchten, die beiden damen unseren lehrerinnen und lehrern zu vermitteln. es gab zwar einige "aber..." auf der anderen seite, doch im grossen und ganzen stimmten alle dem vortrag zu.

der 3. vortrag hat mir am besten gefallen, leider hat er den anderen lehrern am wenigsten gefallen, wie sich spaeter herausgestellt hat. Die vortragende war eine ganz junge wunderhuebsche psychologin, die darueber gesprochen hat, wie wichtig eine ausgepraegte feinmotorik fuer die weitere schullaufbahn, und vor allem fuers schreiben ist. sie hatte ganz ganz viel material fuer die schulung der feinmotorik bei sich, das sie uns gezeigt hat. echt toll. zwar fuer mich jetzt nichts neues, aber sie war sehr sympatisch und ueberzeugend. nach diesem vortrag setzt ich mir zum ziel, fuer die kinder lernmaterialien und spiele zu basteln, um den lehrern einige neue ideen zu vermitteln.
wie sich einige tage (nach einem bastelnachmittag) herausgestellt hat, verfuegt die schule ueber lernspiele. diese werden aber nie im unterricht eingesetzt (und auch in den pausen nicht verwendet) weil mans im frontalunterricht nicht brauchen kann... seufz...

der 4. vortrag war langatmig und so ein mittelding. aussage: kinder eine perspektive geben, sonst droht spaeter selbstmord.

fazit: die lehrer sind gewillt etwas zu verbessern. alle merken, dass die kinder mehr brauchen. nur was das ist, weiss keiner noch so genau. ich stell mich jetzt auch nicht hin und weiss alles besser, denn ich weiss es auch nicht besser. ich weiss nur, dass der indische utnerrichtsstil nicht meiner ist, aber ich weiss mittlerweile auch,. dass ich mit meinem stil (auch viel wegen mangelnden englischverstaendnis auf schuelerseite) auch nicht viel weiter komm bis jetzt.
das hat eben mehrere gruende: die kinder sind es nicht gewoehnt, selbststaendig zu handeln. und ich fuehl mich sosososo unwohl in der rolle des kinderdompteurs. gibt es auch nur einen funken von spass im unterricht, dann sind die kinder so ueberrascht, dass sie sich minutenlang nicht mehr einkriegen. fuer mich ist das ok. sollen sie lachen, solangs im rahmen bleibt und nicht die wildeste anarchie herrscht. aber manchmal kommt dann ein anderer lehrer in die klasse und schreit: "don't laugh!!!!" was natuerlich meine autoritaet unterbuttert und die kinder verunsichert. eine schulstunde dauert hier nur 40 min. das heisst ich bin die haelfte der zeit nur damit beschaeftigt meine grenzen klarzustellen und den kinder zu vermitteln, was ich mit ihnen ueberhaupt vorhabe. danach muss ich schon in die naechste klasse und es geht wieder von vorne los. alle lehrer unterrichten gleich (schreien, drohen, schlagen wenns sein muss), nur ich bin anders, da sollen sich die kinder mal auskennen. "silence!!!!" "be quiete!" "talk less, work more!" steht auf den tafeln der klasse. es ist ermuedend...
also, ich werds noch eine woche versuchen und dann mach ich urlaub in goa!!!!! JIPPIE!!!

© Hanna P., 2008
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Die Reise
 
Worum geht's?:
In ein paar tagen, genauer gesagt am 20. oktober 2008, gehts für mich für 2 monate ab nach indien. ich werde in der nähe von chennai in einem waisenheim arbeiten... mal sehen was alles passiert... ;)
Details:
Aufbruch: 20.10.2008
Dauer: 9 Wochen
Heimkehr: 19.12.2008
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Hanna P. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.