Nach Odessa durch Transnistrien

Reisezeit: August / September 2004  |  von Manfred Sürig

800 km durch Bauernland

Montag, 13.September 2004

Noch einmal durch Transnistrien und Moldawien zu fahren, wollen wir uns nicht antun. Statt dessen beschließen wir, einen großen Bogen nach Norden und dann nach Westen durch die Ukraine zu fahren, um über Lemberg (L'viv) direkt nach Polen einzureisen. So können wir auch die längste Strecke mit dem billigen ukrainischen Diesel fahren. 800 km liegen vor uns allein bis Lemberg. Da heißt es früh aufstehen.
Inzwischen sind wir ortskundig genug, um allein aus Odessa herauszufinden, wir wissen sogar schon, auf welchen Straßen wir wegen großer Schlaglöcher besonders vorsichtig sein müssen. Welche Erleichterung, als wir dann die Straße nach Kiev befahren. Mühelos können wir 70 km/h riskieren, zeitweise sogar 90! Bei erster Gelegenheit decken wir uns am Straßenrand bei fliegenden Händlern mit Melonen frisch vom Feld ein (...ob die da geklaut sind ?), dann folgen wir weiter der Piste. Das weite Flachland der Ukraine ist durchaus nicht flach. Es geht schnurgeradeaus über Anhöhen und dann auch wieder durch weiter Täler, kilometerweit im voraus sieht man an der andren Seite des Tals die Straße den Hang wieder hinaufgehen. Das mit dem Fahrrad zu machen wäre nervtötend! Dann kommen Baustellen, und sie hören auf 270 Kilometer nicht mehr auf! Von so viel Baukonjunktur können deutsche Baufirmen nur träumen. Hier werden Berge versetzt und Dämme aufgeschüttet mit Bulldozern aus der Türkei, Belgien, Frankreich, Österreich, Slowenien und Rußland. Das muß ein Milliardenauftrag sein, die Autobahn von Kiew nach Odessa zu bauen. Nach 278 Kilometern biegen wir bei Uman nach Westen ab, um weitere 477 Kilometer auf L'viv zuzufahren. Nun haben wir nur noch normale Straße, und wir vertrauen darauf, dass uns Schlaglöcher vorher angezeigt werden, nur so können wir unser Tempo halten. Große Felder rechts und links, nur unterbrochen von Waldstreifen, die wie die Knicks in Schleswig-Holstein die Austrocknung der Felder durch den Wind verhindern sollen. Im Schatten eines solchen Waldstreifens machen wir Picknickpause und ich lese auf einem Begrenzungspfahl die Größe der Felder: 4 Hektar und 6 Hektar , soweit das Auge reicht, mit Mais bepflanzt. Alle 100 km eine größere Stadt mit Plattenbauten, deren Namen wir lesen, aber nicht sprechen können: Vinnycja,Chmel'nyc'kyj. Besser, wir orientieren uns an der Straßen-Nummer. Nirgendwo sonst haben wir an der Straße so viele Polizeikontrollen gesehen wie hier, bei dem Fahrstil der Ukrainer wohl nötig. Wir kommen immer unbehelligt durch, was auch daran liegt, dass sich keine Streife verdeckt an der Straße aufgestellt hat. Da müssen die auch noch zulernen oder sie handeln nach dem Prinzip: Präsenz zeigen, das genügt. Selbst bei einer Straßenkarte 1:1,5 Mio erreichen wir einmal den Kartenrand. Stunde um Stunde vergeht, wir sind gut in der Zeit, aber Lemberg können wir heute nicht erreichen. Etwa 240 km vor Lemberg finden wir am Rand der Stadt Chmel'nyc'kyj eine Unterkunft. Dahinter sieht es chaotisch aus, aber die Zimmer sehen gut aus. Wie hart die Betten sind, merken wir erst nach Mitternacht, aber das Abendessen in dem zünftigen Lokal kann sich sehen lassen, zumal alles frisch zubereitet ist. Die Würzung der Möhren scheint eine Spezialität des Hauses zu sein, wir sind sehr angetan, besonders auch vom Preis.

Dienstag, 14.September 2004

Man merkt die Nähe der Karpaten 150 km südlich von uns, es wird etwas bergiger und an den Flüssen durchfahren wir Sumpfgebiete oder kommen an kleinen Seen vorbei. Statt Honig und Melonen werden am Straßenrand hier Unmengen geräucherter Fische angeboten. Wir können nicht widerstehen und kaufen einen Stör, der sich bei der Picknickpause als sehr abgehangen, trocken und salzig erweist. Dennoch schmeckt er nicht schlecht, er war auch nicht ganz billig. Durch Ternopil fahren wir mitten durch und sind erstaunt, als wir an einem See mitten in der Stadt vorbeikommen, der größere Ausmaße hat als die Alster in Hamburg. Erst am Nachmittag erreichen wir L'viv.

800 km liegen vor uns.
Melonenverkauf frisch vom Feld

800 km liegen vor uns.
Melonenverkauf frisch vom Feld

Picknick am Rande eines Knicks, der hier die Ausmaße eines Waldstreifens hat

Picknick am Rande eines Knicks, der hier die Ausmaße eines Waldstreifens hat

Felder so groß wie anderswo mittlere Landgüter

Felder so groß wie anderswo mittlere Landgüter

© Manfred Sürig, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eigentlich sollte das Auto hauptsächlich das Fahrradgepäck aufnehmen, damit wir uns fürs Radeln noch mehr vornehmen konnten. Doch so große Entfernungen verführen zum Autofahren, was dem Abenteuer aber nicht den geringsten Abbruch tat...
Details:
Aufbruch: 20.08.2004
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 20.09.2004
Reiseziele: Polen
Slowakei
Ukraine
Rumänien
Moldau
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.