Die Slowakei per Fahrrad erkunden

Reisezeit: August / September 2002  |  von Manfred Sürig

von Warmbad zu Warmbad

Donnerstag, 12.September 2002

Den Donauradwanderweg gibt es auch auf der slowakischen Seite zwischen Bratislava und Sturovo. Er ist nur nicht gekennzeichnet und man benötigt daher eine Spezialkarte, um ihn zu finden. Diese Spezialkarte habe ich mir bereits in Leutschau zugelegt und nun soll sie sich bewähren.
Doch trotz beiliegender deutschsprachiger Beschreibung verfehle ich den Weg schon von Anfang an. Ich bleibe zunächst auf der Landstraße, auf der es sich auch gut und zügig fährt, schließlich sind Steigungen jetzt die absolute Ausnahme. Als die Straße einmal ganz dicht an die Donau herankommt, finde ich einen Radwanderweg, der sich mit der Wegbeschreibung deckt. Doch einige Bauarbeiter am Rande des Weges raten mir ab. Das Hochwasser hat den Weg überspült gehabt und dicke Schichten von Schlamm hinterlassen, da käme ich mit meinen Reifen nicht durch. Also bleibe ich weiter auf der Straße, bis der Weg unzweifelhaft ein längeres Stück genau auf dem Donaudeich entlangführt. Doch auch diesen Weg zu fahren, wird kein Vergnügen. Beide Spuren sind mit losen Kieselsteinen belegt, durch die man sich mühsam hindurchtrampeln muß. Das Dumme ist nur, dass man nun nicht einfach seitlich wieder zur Hauptstraße abbiegen kann. Nun hilft nur noch Augen zusammengekniffen und durch. Immerhin führt der Weg exklusiv an einem alten Römerlager vorbei, das teilweise rekonstruiert ist und auf dreisprachigen Metalltafeln werden ausführliche Erläuterungen gegeben. Doch die Pause im hohen Gras muß ich mit vielen Mückenstichen in den Waden büßen, und das am späten Vormittag bei strahlender Sonne! Autan kommt zu spät, ich hätte vorher daran denken müssen, mich einzusprühen. Nun taucht Komarom vor mir auf, mein heutiges Etappenziel. Eine riesige Burganlage auf dem Landzipfel zwischen Donau und Waageinmündung, doch ausgerechnet auf die Waageinmündung hat man eine Tankanlage gesetzt und das Gelände abgesperrt und auch das Burggelände ist abgesperrt, im Inneren kann man Industriebetriebe vermuten. Komarom hat einen großen Binnenhafen mit 12 großen Kränen, aber beschäftigt ist kein einziger davon, und Binnenschiffe sehe ich im Hafen auch nicht. Umso erstaunter bin ich beim Bummel durch die Altstadt. Da hat man die Geburtsstadt Franz Lehars bildschön im Jugendstil der vorigen Jahrhundertwende wiederaufgebaut und bunt bemalt. Mehr noch: Auf dem Europaplatz hat man aus jedem europäischen Land eine Kopie eines Jugendstilgebäudes gesetzt oder ist noch dabei, es hinzubauen. das wird einmal ein Schmuckstück, das Touristen anlocken wird. Auch das Klinikum in einem alten Kloster ist piekfein verputzt und bemalt, der Innenhof mit Freichttheater eine unerwartete Besonderheit. In den Sportanlagen ein Thermalbad und ein großer Campingplatz, der gut besucht zu sein scheint. Doch mitten dazwischen auch ein Plattenbau mit kaputten Fensterscheiben und Asbestverkleidung, an dessen Abbruch sich wohl niemand heranwagt. Im Hotel Panorama schließlich, in dem ich gern zu Abend essen möchte, bedauert man, mich heute nicht bedienen zu können, man erwarte eine Busgesellschaft zum Abfüttern, die alle Kapazitäten des Hauses binde. Und das bei 220 Hotelbetten und einem Speisesaal für über 300 Personen. Das erinnert an die Gepflogenheiten in früheren DDR-Gaststätten.

Freitag, 13.September 2002

Schon morgens am Frühstückstisch erlege ich 5 Mücken. Das bestärkt mich in meinem Entschluß, auf den restlichen Donauradwanderweg zu verzichten und statt dessen auf Nitra zuzuhalten, der slowakischen Weingegend. 75 km durch fruchtbares Donauschwemmland, durchzogen von Bewässerungkanälen und alten Donauarmen. Leider auch mit lebhaftem Straßenverkehr, denn bis Nove Zamky habe ich keine andere Wahl als die Hauptstraße. Riesige Sonnenblumenfelder gibt es hier, die mit dem Mähdrescher abgeerntet werden. Ansonsten lange Straßendörfer, die ich zügig durchfahre. Erst Nitra selbst erscheint mir besichtigenswert. Da gibt es hoch über der Stadt eine "Burg", die hauptsächlich aus fein restaurierten Kirchen- und Universitätsgebäuden besteht. Immer wieder gibt es kunstvolle schmiedeeiserne Fenstergitter und Toreinfahrten zu bewundern. Der Blick von oben über die Stadt in die Ebene im Süden ist genauso eindrucksvoll wie der Blick auf die angestrahlte Burg von der Stadt aus von unten. In dieser Gegend scheint gutes Geld verdient zu werden, auf der Einkaufsstraße mit vielen Kneipen bummeln hauptsächlich Einheimische, der Supermarkt im Zentrum hat eine Auswahl wie Karstadt in Hamburg und an allen Ecken gibt es Reisebüros mit Flugangeboten in alle Welt. Vor dem gewaltigen Stadttheater, das offenbar mit Sponsorengeldern der hiesigen Industie unterhalten wird, hält heute ein Spitzenkandidat zur Parlamentswahl eine Rede, fast die ganze Stadt ist auf den Beinen, überwiegend junge Leute.

Sonnabend, 14.September 2002

Ich befinde mich schon auf der Rückreise dieser Fahrt, ohne es bisher recht bemerkt zu haben. Nun gilt es, die letzten Tage erst einmal sinnvoll einzuteilen. Da gibt es so viele Thermalquellen in der Gegend um Nitra, aber erst in Nitra selbst erfahre ich davon Genaueres. Ich nehme mir vor, meine Tagesstrecken von nun an von Thermalbad zu Thermalbad zu planen und mir abends einen täglichen Schwimmbadgenuß zu gönnen. Piestany ist da das nächste Ziel. Der Weg dorthin ist kurz, nur 39 km, aber er führt erstmals wieder über einen Paß ins Tal des Waag. Schon mittags bin ich dort und bin erstaunt über die Größe der Kuranlagen, ja, eigentlich ist die ganze Stadt ein einziger Kurort mit gepflegten Kuranlagen und alten Jugendstilgebäuden mit Kurbädern oder Hotels. Es ist gar nicht einfach, ein Quartier zu finden, denn zum Wochenende fallen viele Österreicher aus Wien hier ein. Etwas außerhalb finde ich eine schöne Pension und nun habe ich Zeit, den ganzen Nachmittag und Abend ohne Gepäck durch die Stadt und die Parks bummeln zu fahren. Und das Thermalbad "EVA" zu besuchen. Gut, daß beim Schwimmen auch einmal andere Muskeln beansprucht werden, und das schwefelhaltige Wasser tut meinen zahllosen Mückenstichen in den Waden gut.

Sonntag, 15.September 2002

Ich traue meinen Ohren nicht, als ich es morgens um 6 Uhr draußen prasseln höre. Es regnet nicht nur, es ist auch saukalt geworden. Meine Wirtsleute preisen mir für heute das Thermalbad umso mehr an, aber mich hält nichts mehr, ich will weiter. Nennenswerte Steigungen habe ich im Waagtal nicht zu erwarten, da kann ich mal eine ordentliche Etappe bis etwas hinter Pukov vorsehen. Dahinter gibt es an einer Talsperre des Waag ein Thermalbad Nimnica kupele, dort könnte ich mich bei Bedarf wieder aufwärmen. 75 km liegen vor mir, der Dauerregen wird gelegentlich von lichten Momenten unterbrochen. Jedes Mal ziehe ich dann mein Regenzeug aus bis mein Optimismus mit neuen Regenfällen bestraft wird. Was ist unangenehmer: sich durchregnen zu lassen oder unter der Regenhaut durchzuschwitzen ? Am Ziel kann ich diese Frage immer noch nicht eindeutig beantworten, im übrigen ist es mir egal. Viel wichtiger ist das Thermalbad, das gerade noch eine Stunde geöffnet hat. Dieses Mal muß ich im Plattenbauhotel Neptun im 6.Stock übernachten, weil es weit und breit nichts anderes gibt. Aber im Speisesaal bin ich der einzige Gast und der Koch scheint sich ebenfalls nur um meine Wünsche zu kümmern, die sehr zufriedenstellend erfüllt werden.

Montag, den 16.September 2002

Viel besser sieht das Wetter auch heute nicht aus, die Straße ist naß und die vorbeifahrenden Lastautos ziehen dicke Schwaden von Sprühnebel hinter sich her. Eigentlich wollte ich heute noch einmal hoch hinauf in die Beskiden im Grenzgebiet zu Tschechien und dort noch einmal wandern. Draußen sind jetzt gerade einmal schlappe 12 Grad und wenn ich mir ausrechne, dass je 100 Höhenmeter die Temperatur ein Grad niedriger wird, dann könnte es tatsächlich stimmen, dass auf den hohen Bergen, die ich gelegentlich zwischen Wolkenlücken im Norden sehe, schon Schnee liegt. Zilina ist ja vielleicht auch ein lohnendes Ziel, im übrigen im Tal zu erreichen und nur 38 km entfernt. Wie kaltes Wetter einem doch schnell den Blick in die schöne Landschaft verstellen kann! Für die immer großartiger werdende Berglandschaft habe ich weniger Interesse als für die Kilometersteine am Straßenrand, die mir anzeigen, wie weit und wie lange ich es bis Zilina noch auszuhalten habe. Gegen 12.30 Uhr bin ich dort, sogar noch einigermaßen trocken und heute auch nicht durchgeschwitzt, aber wenn doch nur die Sonne schiene ! Ich schiebe das Rad durch die Fußgängerzonen und den großen Platz in der City mit Blick auf restaurierte Kirchen und Häuser, finde alles ganz nett, aber von Begeisterung bin ich weit entfernt. Ich finde ein Chinarestaurant mit einer winzigen Toilette, in der ein Handtrockner wohlige Wärme produziert. Dort taue ich meine Knie auf und bringe wieder Gefühl in meine Handgelenke, dann die warme Suppe und als ich die Zeche bezahle, scheint draußen die Sonne. Da würde mir etwas Bewegung bergauf sicher guttun, also nehme ich mir die 29 km bis Cadca noch für den Nachmittag vor. Zwar geht das nur wieder auf der Europastraße, aber die hat eine breite Standspur und ist in bestem Zustand, so dass der Aufstieg richtig Spaß macht. Nun habe ich auch wieder einen Blick für die Schönheiten des Kysuce-Tals und überlege gelegentlich, morgen vielleicht doch noch in die Beskiden zu fahren. In Cadca folge ich den Hinweisschildern zu einer Privatpension und finde ein schönes Haus mit tadelos deutschsprechender Wirtin. Hier bleibe ich und rufe abends mal wieder zu Hause an. Da ist Panik ausgebrochen, unser Keller steht unter Wasser, ich soll gefälligst sofort nach Hause kommen. Also muß ich mir die Beskiden für einen späteren Slowakeiurlaub vornehmen und den kürzesten Weg nach Hause nehmen.

Dienstag, den 17.September 2002
An einem Tag ist von hier aus nicht nach Neumünster zu kommen, schon gar nicht, wenn man das Fahrrad per Bahn mitnehmen will. Von Cadca bis Bohumin in Tschechien komme ich reibungslos. Aber von dort nach Polen fahren nur zwei Nachtzüge. Also fahre ich erst einmal per Rad über die Grenze nach Chalupki. Dort kann ich tatsächlich gegen 12.30 Uhr per Bummelzug zumindest bis Kedzierscyn-Kozle kommen. Die Zeit vorher reicht sogar noch für einen Besuch beim Friseur im Bahnhofsgebäude. Von Kedziercyn-Kozle aus komme ich in einem überfüllten Zug bis Oppeln. Dort habe ich 6 Stunden Zeit, mir die Stadt anzusehen und meine letzten Zloty bei Wirtualna Vinaria zu lassen bis es um 23.30 Uhr in den Nachtzug nach Stettin geht.

Mittwoch, den 18.September 2002

Als ich morgens in Stettin aussteige, ist es bedeutend wärmer als in der Slowakei, aber von schönem Wetter weit entfernt. So fällt die weitere Rückfahrt über Pasewalk-Neubrandenburg-Bützow-Bad Kleinen-Lübeck-Kiel leicht, zumal am Ende die Sonne sich noch blicken läßt. Als ich in Neumünster ankomme, hat Gaby den Keller schon trockengewischt, um die verstopften Abflußrohre werde ich mich in den nächsten Tagen kümmern müssen.

© Manfred Sürig, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nur weiße Flecke auf der Karte der Slowakei wollte ich erkunden: Gegenden, wo ich noch niemals gewesen bin, nachdem ich im Herbst 2000 dieses herrliche Urlaubsland zum ersten Mal kennengelernt hatte.
Details:
Aufbruch: 29.08.2002
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 18.09.2002
Reiseziele: Slowakei
Ungarn
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.