L'Aid - Das Hammelfest

Reisezeit: Januar / Februar 2004  |  von Regine Lorenz

Das Schlachtfest

Sonntag, L'Aid, das Hammelfest. Kurz nach Sonnenaufgang klopfte es leise an die Tür um mich zu wecken. Im Flüsterton wurde ich in die Waschrituale der Muslime eingewiesen. Nach dem Waschen mußten wir Frauen uns alle korrekt ankleiden. D.h. bis auf die Hände und das Gesicht muß beim Gebet alles verdeckt sein. Auch die Männer nahmen ihre Waschungen vor und kleideten sich korrekt an. Kiras Mann fuhr dann mit vier Frauen im Auto zur großen Moschee von Kairouan. Schon von weiten konnte man die mehrstimmigen, lauten Rufe zum Gebet hören. Männer und Frauen beten grundsätzlich getrennt um sich auf Allah konzentrieren zu können und um sich nicht gegenseitig abzulenken.

Die große Moschee (Sidi Oqqba Moschee) ist ein sehr eindrucksvoller, höchst ästhetischer Ziegelbau. Die Überdachungen werden von alten römischen Säulen und Kapitälen getragen. Der Boden ist mit Matten und Teppichen ausgelegt. Die Moschee ist randvoll und auch in den Außenräumen wurden Matten und Teppiche ausgelegt für die Gläubigen, die im Innenraum keinen Platz mehr gefunden haben. Eine festliche Stimmung liegt über der Moschee.

Der Scheich (Imman) ruft zum ersten Gebet auf. Er hat eine wunderbare Stimme und die gleichmäßigen Rezitationen lassen viele in tiefe Meditiation verfallen. Nach den Gebeten kommt die eigentliche Predigt. Da alles in Hocharabisch abgehalten wird, verstehe ich doch so einiges. Es ist eine Predigt für die Versöhnung und für das rechtmäßige Verhalten. Ich war erstaunt wie positiv sich vieles anhörte. Nach der Predigt kamen die Bittgebete....nach den Bittgebeten verharrten noch alle ein wenig in Schweigen. Gemainsam verließen wir die Moschee. Draußen vor den großen eisen beschlagenen Toren, sahen wir viele die sich gegenseitig Glück und Freude wünschten. Ein wenig wie an Weihnachten bei uns. Wir fuhren zum Haus zurück.

Am Haus angekommen wurde alles für das Schlachten der Tiere vorbereitet. Die Muslime erinnern sich einmal im Jahr an folgende Geschichte:

Das Opferfest erinnert an die Geschichte des Propheten Ibrahim (Abraham). Der hatte zwei Söhne, Ismail und Isaak. Eines Tages kam ein Engel zu IUbrahim und befahl ihm, einen seiner Söhne zu töten. Ibrahim war entsetzt, wollte aber Gott gehorchen. Als er zum Messer griff, um seinen Sohn zu töten, sprach eine Stimme: "Töte ihn nicht!"
Ibrahim hatte die Probe bestanden, auf die sein Gottvertrauen gestellt worden war. Er opferte daraufhin einen Widder, dessen Fleisch er mit Freunden und Bedürftigen teilte.

In Erinnerung an die Rettung Ismails schlachten Muslime jährlich am Opferfest ein Tier.

So auch bei uns. Die beiden Schafe, ein Jungtier und ein ausgewachsener Widder wurden mit viel Gezerre auf das Dach der Hauses gebracht. Dem einem Tier wurden die Augen verbunden, damit es den Tod des anderen nicht mitbekommt. Das andere Tier wurde gehalten und mit einem kurzen Gebet wird dem Tier die Kehle weit durchtrennt. Der Tod kommt sehr schnell. Es ist nicht einfach dem Tod eines Lebewesens beizuwohnen. Ich tröste mich folgenden Gedanken: Das Tier gibt sein Leben für uns, damit Menschen nicht sterben müssen. Es ist ein sehr archaischer Akt, bei dem unsere Gebete und Wünsche zu Allah aufsteigen. Auch der Widder hat das gleiche Schicksal zu erleiden.

Danach geht alles sehr schnell. Beide Tiere werden aus der Decke geschlagen, ausgenommen und zerteilt. Während dessen haben Kira und Fadua den Grill angeworfen. Sie haben Salat und Tomaten zubereitet und frisches Brot geholt. Und dann liegen auch schon die ersten Stücke Fleisch und Innereien auf dem Grill. Es schmeckt herrlich, zumal es auch das erste Essen an diesem Tag ist.

Die Frauen des Hauses fangen nach dem Essen an die Spezialitäten zuzubereiten. Kira, ihr Mann und ich machen einen Ausflug. Erst geht es nach Raqqada zu den alten Aglabiden-Basins. Diese Becken wurden im Jahr 800 - 900 von den Aghlabiden Herrschern als Wasserspeicher angelegt. Für die damalise Zeit ein technisch sehr anspruchsvolles Projekt. Die alten Becken werden zum Teil noch heute genutzt. Von dort aus sind wir einfach über Land gefahren. Alles ist grün und saftig und sehr still. Ein wunderbarer Tag. Irgendwo zwischen Kairouan und Oueslatia, in den Hügeln, werden wir auf ein kleines braunes Schild aufmerksam. Es ist der Hinweis zu einer der vielen antiken Stätten. Auf einer Karte ist sie nicht verzeichnet. Wir machen einen Zwischenstopp um uns die Beine zu vertteten, den emsigen Bienen zuzuhören, ein wenig vom aromatischen wilden Rosmarin zu sammeln und natürlich um zu sehen was das für eine Stätte ist. Wir klettern den kurzen steilen Pfad nach oben und sahen außer einem Geröllfeld erst mal nichts. Einfach nichts.... Völlig enttäscht wollten wir den Hand wieder herunter klettern. Um nicht zu stolpern, sah ich nach unten. Und da sah ich es....ein herrliches Mosaik. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ein Mosaik neben dem anderen. Ein Teil war nicht frei gelegt oder schon wieder zu gewachsen. Aber es waren mindestens 12 größere und kleinere Mosaike. Und das in völliger Abgeschiedenheit. Nachdem wir uns an allem satt gesehen hatten, fuhren wir wieder nach Kairouan zurück....

© Regine Lorenz, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Beschreibung des islamischen Hammelfestes in Kairouan in Tunesien
Details:
Aufbruch: 28.01.2004
Dauer: 10 Tage
Heimkehr: 06.02.2004
Reiseziele: Tunesien
Der Autor
 
Regine Lorenz berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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