Asia Express – In 6 Monaten von Delhi nach Denpasar

Reisezeit: Februar - August 2010  |  von Dirk Vorwerk

Singapur - Gegensätze im Stadtstaat

25. Juli - 06. August 2010

Spät am Abend landet unsere Maschine auf dem bereits vertrautem Changi Airport. Die weiten Wege zur Gepäckausgabe werden komfortabel durch Laufbänder erleichtert. An der Passkontrolle heißt es noch einmal freundlich lächeln und den Hut abnehmen, dann hat uns die Großstadt wieder. Ein betagtes, aber äußerst geräumiges Taxi mit redseligem, philippinischem Fahrer bringt uns zu unserem Hotel. Als unser Fahrer die Adresse hört, lacht er fröhlich: "Geylang, Red Light District...", dann erzählt er uns, dass die Polizei die größtenteils aus China und Indonesien stammenden Damen von der Straße vertrieben hat.

Geylang unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von anderen sauberen Stadteilen Singapurs. Es gibt jede Menge Hotels, die hier deutlich preiswerter als im Zentrum sind, und unzählige asiatische Restaurants. Bei genauerem Hinsehen fallen hin und wieder rote, oftmals neonbeleuchtete Hausnummern auf, die eine besondere Kategorie von "Hotel" kennzeichnen, und ab 14:00 Uhr lässt sich auch schon mal die eine oder andere Streetworkerin blicken.

Die Homepage unseres Hotels beschreibt den Stadtteil in markigen Worten so: "Geylang befindet sich im Herzen der Stadt und ist bei Tag und Nacht ein lebendiger Platz. Etliche Restaurants sind rund um die Uhr geöffnet, so dass Sie eine Vielfalt leckeren Essens zu fairen Preisen finden und das aufregende Nachtleben bei einem Aufenthalt in unserem Hotel genießen können."

Nichtsdestotrotz: Die preiswerten Unterkünfte in Geylang werden auch von chinesischen Familienreisegruppen bevölkert, die Nahrungsversorgung ist gesichert und über ein beispielhaftes Busnetz sind alle interessanten Plätze für vergleichsweise wenig Geld bequem zu erreichen. Kurz gesagt - es gibt keinen Grund, hier nicht sein Basislager aufzuschlagen.

Der Himmel ist grau und wolkenverhangen, die Schirme dienen heute nicht als Sonnenschutz. In einer Regenpause entschließen wir uns aufzubrechen, um Singapurs Elektronikkaufhäuser zu erkunden. Das Angebot an Foto- und Videoausrüstung ist schier überwälti-gend. Hier gibt es einfach alles, von der Knipse im Scheckkartenformat über das 800er Canon L-Objektiv bis zur Profi-Videokamera. Schon wenn man nur in die Nähe eines Shops kommt wird, man bereits von einem der vielen geschäftstüchtigen Verkäufer überfallen. Fach- bzw. Produktkenntnisse gehören nicht gerade zu den Stärken der asiatischen Power-seller, hier geht es ums schnelle Geschäft, und gnadenloses Feilschen ist angesagt. Das wichtigste Arbeitsmittel ist der Taschenrechner, doch bevor unser smarter Verkaufsberater die Zahlen eingetippt hat, haben wir seinen "Special Price" bereits im Kopf errechnet. Er ist sichtlich verblüfft ob unserer Grundstufen-Rechenkünste. Wie auch immer, der Preis ist so astronomisch, dass wir weit von dem entfernt sind, was uns eine heimische Elektronikmarkt-Fachkraft mit schmerzverzerrtem Gesicht zugestehen würde. Wir ziehen weiter. Das Prozedere wiederholt sich noch unzählige Male, das Ergebnis bleibt jedoch annähernd gleich.

Auch der nächste Tag beginnt grau und verregnet, doch gegen Mittag lüftet sich der Wolkenschleier und wir versuchen, ein paar Eindrücke von der Stadt einzufangen. Mit Bus Nr. 7 fahren wir ins Stadtzentrum und schlagen uns zu Fuß in Richtung Marina Bay durch, das gigantische Riesenrad, den "Singapore Flyer" als Orientierung vor Augen.

Eine halbe Stunde dauert eine Umrundung mit Ausblick auf die Stadt, wer mag, kann diesen auch bei einem einstündigen Mondscheindinner in der Gondel genießen. Das Risiko, das Dinner in Gesellschaft von zehn Chinesen einnehmen zu müssen, was in etwa dem Ge-räuschpegel einer fortgeschrittenen Frauentagsfeier in einer Gartenkneipe entspricht, erschien uns, ebenso wie der Preis für eine Privatgondel, zu hoch.

Nicht weit vom Riesenrad entfernt liegt das futuristische Bauwerk des Marina Bay Sands Hotels mit seiner gigantischen Dachterrasse, das erst vor einem Monat eröffnet wurde. Inzwischen haben wir strahlenden Sonnenschein und beschließen, uns einen Blick auf die Skyline von Singapur zu gönnen. Gegen Entrichtung eines Eintrittspreises von S$ 20.00 ist es Besuchern möglich, den Ausblick vom Dach des Hotels zu genießen. Das Spa und der 150 Meter lange Pool des Sky Parks bleiben jedoch ausschließlich Hotelgästen vorbehalten.

Als wir unseren Stadtrundgang beenden und zum Hotel zurückkehren, steht schon der Voll-mond am Himmel und auf der Straße patrollieren bereits die Mädels von der Spätschicht.

Auch heute überzieht eine gleichmäßig graue Wolkendecke den Himmel, und der Asphalt glänzt vom Regen - es scheint, als kenne Singapur kein anders Wetter. Selbst die freiberuflichen Damen haben heute den Straßenrand gegen einen regensicheren Platz getauscht. Wir entscheiden uns für Indoor-Aktivitäten und gehen nochmals auf die Suche nach einer Unterwasserkamera. Doch bevor wir uns dem schnöden Kommerz hingeben, stärken wir uns im Food Court der Bugis Junction Mall mit leckerer Suppe, Salat und Sandwich.

Nach fast einem halben Jahr auf Reise habe ich beschlossen, dass endlich mal wieder die Wolle vom Kopf kommt. Der Möglichkeiten gibt es viele in Singapur - Express Cut heißt die D-Zug-Variante. Ein Haarschnitt in 10 Minuten für 10 Singapurdollar, das klingt doch gut.
Ganz so einfach geht es dann doch nicht, denn beim Prepaid-Friseur muss ich zuerst meinen Geldschein in einen Automaten einfädeln, was im dritten Versuch auch gelingt. Mit dem so erworbenen Gutschein begebe ich mich zur nächsten freien Stylistin. Im sauberen Singapur wird natürlich größter Wert auf Hygiene gelegt, die Friseurin entnimmt ihre Instrumente dem bereitstehenden Sterilisator. Trotz allen Zeitdrucks fehlt auch der berufstypische Smalltalk nicht: Woher wir kommen, möchte sie wissen, wie lange wir bleiben und wann es nach Hause geht.

Zehn Minuten später bin ich meine Pelzmütze los. Als krönender Abschluss der Behandlung wird mit innovativer Technik auf dem Kopf Staub gesaugt, damit kein lästiges Härchen im Kragen verbleibt. Das Ergebnis gibt keinen Anlass zur Kritik, selbst Heike ist beindruckt und zieht spontan eine "Fahrkarte"...

Ein weiteres Mal auf unserer Reise kommt Mattias Klum ins Spiel. Er hat, während wir in Australien weilten, seine aktuelle Ausstellung "Being There" bei National Geographic in Sin-gapur eröffnet. Wir beschließen, der Galerie an der Harbour Front am frühen Abend einen Besuch abzustatten. Die meisten Bilder haben wir bereits in Borneo im Kleinformat auf Mat-tias' iPhone gesehen, jetzt können wir sie noch einmal in voller Größe bewundern.

Wir haben die Vorzüge von Singapurs U-Bahn - bekannt unter dem Kürzel MRT für Mass Rapid Transit - für uns entdeckt und steuern als heutiges Tagesziel das quirlige Chinatown an. Viele historische Bauten des chinesischen Händlerquartiers mussten seit der Jahrtau-sendwende bereits visionären städtebaulichen Konzepten weichen. Die restlichen der fröhlich bunten, meist zweigeschossigen Häuser mit ihren schmucken Fassaden wirken im Schatten der Hochhausriesen wie ein Spielzeugdorf. Wie überall in Singapur geht es auch hier aufgeräumt und gepflegt zu.

Es scheint in Südostasien eine schöne Tradition zu sein, dass der wichtigste hinduistische Tempel der Stadt paradoxerweise nicht in Little India, sondern in Chinatown zu finden ist. Das war bereits in Kuala Lumpur so, und auch hier besuchen wir zunächst den ältesten Hin-duschrein der Stadt. Der überaus farbenprächtige Tempel ist der Göttin Sri Mariamman ge-weiht, der man magische Heilkräfte nachsagt.

Nur zwei Straßenzüge weiter erhebt sich der fünfgeschossige Buddha Tooth Relict Temple, obwohl erst 2008 fertiggestellt, bereits eines der wichtigsten Gebetshäuser der reichen chinesischen Gemeinde des Stadtstaates. Das in klassischer Bauweise errichtete Bauwerk be-sticht nicht nur durch eine prunkvolle Innenausstattung, sondern trägt den neuzeitlichen Ansprüchen seiner Besucher Rechnung und verfügt über einen Aufzug, eine Klimaanlage und eine Tiefgarage.

Zwischen den Orten göttlicher Verehrung widmet man sich mit Hingabe den profanen Dingen des Lebens. Chinatown ist ein Ort, an dem nahezu alles verkauft wird, was sich irgendwie zu Geld machen lässt. Das Angebot reicht von billigen Textilien bis zur teuren Fotoausrüstung, vom Räucherstäbchen bis zur Mao-Statue, dazu gibt es alle erdenklichen exotischen Zutaten für die chinesische Küche und segensreiche Medikamente aus der althergebrachten Heilkunst. Wer nicht handelt, vertreibt sich die Zeit beim Brettspiel unter freiem Himmel oder nimmt am nächsten Essensstand eine Mahlzeit zu sich.

Uns zieht es weiter hinunter zum Fluss, an den Clarke Quay, wo eine ausgedehnte Flaniermeile nicht nur zum ausgiebigen Bummeln einlädt, sondern auch eine Vielzahl kulinarischer Genüsse bereithält. Hier beschließen wir unseren letzten Abend in Singapur bei besten amerikanischen BBQ-Spare Ribs.

Heute müssen wir Singapur bereits wieder verlassen. Nachdem wir wieder etwas Gepäckoptimierung betrieben haben, checken wir, ohne eine einzige Minute zu verschenken, exakt 12.00 Uhr aus und lassen uns von einem Taxi zum Changi Airport bringen. Wir haben bis zum Abflug noch eine Menge Zeit und erkunden vorerst den Flughafenterminal, wo ich noch ein paar meiner geliebten asiatischen Süßigkeiten, Kokosklebreis mit einer undefinierbaren grünen Masse kombiniert, erstehe.

Als dann unser Check in Schalter ca. zwei Stunden später endlich öffnet, weist uns eine nette Dame mit charmantem Asia-Lächeln darauf hin, dass dieser nur der Aufgabe des Reisegepäcks dient und wir den restlichen Check in - selbstverständlich nur zu unserem persönlichem Komfort - am Automaten erledigen müssen. Es wundert uns eigentlich nicht, nach dem automatisiertem Friseurbesuch im hochtechnisiertem Singapur nun also der elektronische Check in. Den Instruktionen auf dem Bildschirm folgend, kämpfen wir uns durch den Registrierungsvorgang und müssen bald feststellen, dass in der Maschine lediglich noch zwei Sitzplätze frei sind - natürlich in unterschiedlichen Sitzreihen. Die Entscheidung ist einfach, immerhin haben wir Sitzplätze - das hinter uns wartende Paar geht vorerst leer aus. Nun geht es also zurück zum Schalter, zur (noch) manuellen Gepäckaufgabe. Auf unsere Nachfrage bezüglich der Sitzplätze erhalten wir wieder das bereits vertraute Dienstleistungsgrinsen: "Sorry, the aircraft is coming from Amsterdam and it is fully booked. Maybe you can try to change your seats after boarding..." Unser "Zwangslächeln" ist nur noch dem Gewicht unserer Gepäckstücke geschuldet, wir haben einfach die schlechteren Karten. In froher Erwartung eines "angenehmen" Fluges und "leckerer" Catering-Verpflegung gönnen wir uns noch einen Abstecher zu "Burger King", um die unsere letzten Singapur-Dollar in fröhlich machende Nahrung zu investieren.

Das Boarding verläuft wie erwartet - chaotisch. Gefühlt jeder dritte Fluggast in der überbuchten Maschine versucht seine Plätze zu tauschen. Es ist ein einziges Durcheinander, manche Plätze wurden offensichtlich doppelt vergeben. Neben Heike sitzt ein Paar auf Hochzeitsreise, das seine Plätze bereits in Amsterdam reserviert hat. Die Sitzplatznummern auf den Bordkarten wurden von Hand geändert, allerdings nicht im Computersystem der Airline. Wider Erwarten hebt die Boing der KLM dann doch noch ab, und wir nähern uns kontinuierlich unserem letzten Reiseziel - der indonesischen Insel Bali.

© Dirk Vorwerk, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Der Wunsch etwas in dieser Art zu tun war schon lange da. Im letzten Jahr wurde aus diesem Wunsch dann ein Entschluss und nach langer Überlegung haben wir uns für eine Tour durch Asien entschieden. Seit dem 23. Februar sind wir nun auf unserer Reise die uns in 6 Monaten durch Indien, Malaysia und Indonesien führen soll.
Details:
Aufbruch: 23.02.2010
Dauer: 6 Monate
Heimkehr: 26.08.2010
Reiseziele: Indien
Malaysia
Australien
Singapur
Indonesien
Der Autor
 
Dirk Vorwerk berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.