Die Slowakei bei Regen kennenlernen

Reisezeit: August / September 2010  |  von Manfred Sürig

Stippvisite in Ungarn zum Abgewöhnen

Da fällt es leicht, Kosice zu verlassen. Es weht kräftig aus Norden, wo über den Bergen dichte Wolken hängen. Im Süden ist es etwas heller, und ich brauche nicht mehr mit Handschuhen zu radeln. Allein lege ich ein tolles Tempo vor, schon nach einer Stunde bin ich 26 km weiter im Grenzort Hidasnemeti in Ungarn, Zeit für ein Picknick im Freien.
Im Stadtpark finde ich eine geeignete Bank und lasse mich dort nieder. Dabei fällt mir auf, welche Wassermassen in den letzten Tagen hier herabgeregnet sein müssen. Gräben, die sonst zur Bewässerung der Pußta dienen, laufen über und stauen große Seen an, um die ich herumfahren muß

Der Radweg, den ich benutzen soll, ist an jedem Hang von Erdrutschen verschüttet. Es bleibt nichts weiter übrig, als die Europastraße zu benutzen.
Aber nach 500 Metern steht da ein Verbotsschild für Radfahrer: Autostraße! Zunächst nehme ich einen Umweg über die Dörfer, aber am Ende lande ich nur wieder an der Europastraße.
Der Rückenwind hat inzwischen nachgelassen. Statt dessen weht mir ein warmer Südostwind entgegen, der schnell auch wieder neuen Regen bringt.
Wegweiser nach Miscolc sind selten und noch seltener sind es auch welche, auf denen die Entfernung angegeben ist.
Ich vermumme mich wieder wie gewohnt, aber dieses Mal wird es ein Kampf gegen alles: gegen Wind, gegen Regen, gegen Spritzwasser, gegen Pfützen, gegen rücksichtslos überholende Autofahrer.
Nach 3 Stunden lande ich auf einer Autobahn nach Miscolc, die an riesigen Industriekomplexen und Einkaufsmärkten entlangführt und für die es für Radfahrer weder auf der Straße noch auf dem Fußweg ein Fortkommen gibt. Auf der Straße nicht, weil ich es nicht riskieren kann, mich irgendwo einzuordnen, ohne bedrängt zu werden und auf den Fußwegen nicht, weil jede Bordsteinkante meine Felgen zerfressen würde. So schiebe ich die letzten Kilometer bis zum Busbahnhof im Zentrum und bekomme wenigstens wieder warme Füße dabei.

Am ZOB startet gerade ein Bus mit Ziel Tapolca. Dem muss ich folgen!

Das gelingt mir vortrefflich, weil der Bus noch langsamer vorankommt als ich, allerdings unter Mißachtung aller Verkehrsregeln, so solche hier überhaupt eingehalten werden! 12 km außerhalb der Stadt komme ich sogar auf grüne Alleen mit Radwegen, die mich durchs Universitätsviertel nach Tapolca führen.
Hier kann ich unter vielen Pensionen wählen, aber da mir das Wasser aus meinen Klamotten läuft, kann ich keine Pension betreten, in der der Weg zur Rezeption über trockenen Fußboden führt.
Doch auch dies Problem löst sich: Eine Frau spricht mich an, ob ich eine Unterkunft suche, sie hätte was anzubieten. Keine Frage, dass ich das Angebot unbesehen annehme, mich warm dusche, die letzten trockenen Sachen anziehe und dann erst zum Fenster hinaussehe: Ein trostloser Blick auf regennasse Straßen und überschwemmte Fußwege!

Nun gilt es, die Sachen zum Trocknen aufzuhängen. Dem feinen Parkettboden in der Pension kann ich das nicht antun, es bleibt nur der Garangendurchgang zum Haus, in dem es lausig zieht. Aber dort sind schon Wäscheleinen aufgespannt, die ich nun vollhänge.
Das Abendbrot lasse ich ausfallen und ziehe mir die Decke über den Kopf, beim Einschlafen habe ich nur noch einen Gedanken: Bloß morgen hier wieder weg ! Leider weiß ich von meiner Wirtin, das das erst einmal wieder 12 km quer durch die Innenstadt sein werden.

Es regnet nicht am nächsten Morgen. Aber meine Wirtsleute haben die Garagendurchfahrt nachts geschlossen. Dadurch war dort kein Durchzug mehr und ich finde meine Klamotten so naß vor wie am Abend vorher aufgehängt. Nun bleibt nur, die nassen Sachen wieder anzuziehen und unterwegs vom Fahrtwind trocknen zu lassen.
Ein zweifelhaftes Vergnügen.
Und dennoch erweist es sich als richtig. Nicht, weil die Sachen wirklich trocken werden, sondern weil der erneut einsetzende Regen sie nun auch nicht noch nasser machen kann. Ich strampele unverdrossen mit hohem Tempo über die Autobahn zurück durch die Stadt Richtung Nordwesten. Von Miscolc habe ich nichts gesehen, aber dennoch die Nase voll.
Mich lockt ein Ort namens Ciz in der Slowakei, dort ist eine warme Quelle mit einem großen Warmbad. 70 km sind es bis dorthin, bis 13.30 Uhr müßte ich dort sein können, da bleiben dann noch 4 Stunden anschließend, um in 34 Grad warmem Wasser zu baden!

© Manfred Sürig, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zehn Jahre nach meiner ersten Radtour in die Slowakei wollte ich diese Tour möglichst exakt genauso noch einmal erleben. Dass sich das Land seitdem stark verändert hat, wusste ich, auch, dass mit deutlich mehr Verkehr zu rechnen sein würde, nur dass das Wetter auch mal nicht mitspielt, das hatte ich nicht einkalkuliert
Details:
Aufbruch: 30.08.2010
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 19.09.2010
Reiseziele: Polen
Slowakei
Ungarn
Der Autor
 
Manfred Sürig berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.