Naturparks der Hochprovence

Reisezeit: September 2017  |  von Ralf Beelitz

Im Norden der Provence, im Naturpark „Baronnies Provençales“ mit seinen Kalksteinfelsen, drängen sich malerische Dörfer an die Berghänge. Im Süden erstrecken sich die wilden Schluchten, kargen Gipfeln, aber auch üppigen Pinienwäldern des „Parc Naturel Régional du Luberon“. Dazwischen liegt eine Landschaft, wie geschaffen für interessante Motorrollertouren.

Dem Himmel so nah

Col du Noyer

Col du Noyer

Die N85, die „Route Napoléon“, folgt der Strecke, die Napoléon I. von Elba kommend über Grasse, Digne, Sisteron und Gap bis nach Grenoble zurücklegte, nachdem er, um die Macht zurückzuerobern, in Südfrankreich gelandet war. Der Gewaltmarsch wird auch als „Adlerflug“ bezeichnet. Neben der Straße tauchen daher immer wieder Schilder mit dem kaiserlichen Adler auf. Sie erinnern bis heute daran, wer hier vor über 200 Jahren unterwegs gewesen ist. Gut ausgebaut ist die N85 wie geschaffen, meiner Silver Wing freien Lauf zu lassen. Der Verkehr hält sich in überschaubaren Grenzen. Zügig erreichen wir Gap, die Hauptstadt des französischen Départements Hautes-Alpes, umgeben von den Dauphiné-Alpen und deren Voralpen. Aus der Senke von Gap führen uns weit geschwungene Kehren hinauf zum Col Bayard (1.248). Nach einer kurzen Abfahrt biegen wir auf der D217A zum Col du Noyer (1.664) ab. Rot, gelb und braun leuchten die Blätter der Kastanienwälder, welche sich die Berghänge hinaufziehen, in der Herbstsonne. Ein Traumpanorama; Indian Summer in Südfrankreich. Die in den Hang geschlagene Straße windet sich einspurig in enge Serpentinen steil dem Pass entgegen. Die Aussicht ins Tal ist phantastisch.

Kloster Notre-Dame de La Salette

Kloster Notre-Dame de La Salette

Auf der Westseite des Passes empfängt uns eine hochalpine Gebirgslandschaft, durch die sich nun schön kurvig ein fast zweispurig ausgebautes Sträßchen schlängelt. Nirgendwo ein Haus; Natur pur.
An der Kreuzung von D117 und D17 endet die Passstraße. Kurz davor treffen wir auf die „Défilé des Etroit“. Die Borne hat hier eine tief in die imposanten Kalkfelsen geschnittene Schlucht geschaffen. Die Straße schlängelt sich an senkrecht emporstrebenden Steilwänden entlang. Nur gelegentlich ist ein flüchtiger Blick über die Leitplanke auf den Fluss möglich. Die Engstelle ist schließlich geschafft und wir rollen durch Felder und Wiesen weiter nordwärts. Einige Bauernhöfe, dann ist wieder nichts. Landleben pur. Hühner laufen auf der Straße. Im Marktflecken Corps, der Hauptstadt des Beaumont, stoßen wir wieder auf die „Route Napoléon“. Ein verwittertes Straßenschild weist uns den Weg nach La Salette-Fallavaux. Das kleine Dorf mit nur 70 Einwohnern liegt abgelegen am Ende eines Seitentals am Fuße des Massif des Écrins. 12 kleine Weiler klammern sich an die Hänge eines Bergkessels über den sich mehr als 2.000 m hohe Bergspitzen erheben. Wildbäche stürzen tosend die Hänge hinab und treffen sich in einer düsteren Schlucht.

Eine zehn Kilometer lange Serpentinenstrecke führt hinauf zum Kloster Notre-Dame de La Salette. Luftlinie kaum 2 Kilometer vom Dorf entfernt thront die Wallfahrtskirche auf 1.757 m Höhe inmitten der großartigen Bergwelt der Savoyer Alpen. Jährlich pilgern unzählige Menschen dorthin. Die gewaltige Basilika „Notre Dame de la Salette“ wurde an der Stelle erbaut, an der nach der Überlieferung 1846 zwei Hirtenkindern die Muttergottes erschienen ist. So abgeschieden von der Welt dieses Tal auch scheint, so ist der Fortschritt auch hier bereits angekommen. Am Eingang erhebt sich eine Ladesäule für Elektrofahrzeuge!

Bei einem dampfenden Café au Lait auf der Terrasse des Pilgercafes schweift der Blick weit über das Tal. Über allem liegt eine unendliche Ruhe. Wir lassen die Szene auf uns wirken. Nichts festhalten, einfach den Moment genießen.

Entlang des Lac du Sautet, der Perle des Dèvoluy, in dessen blaugrünem Wasser sich die umliegenden Berge spiegeln, touren wir südwärts. Wir überqueren den 86 m langen Stahlbetonbogen der Pont du Sautet, 160 m über dem Drac. Der Fluss wird hier zu einem 200 m tiefen und an einigen Stellen nur 7 m breiten See angestaut. Eine Postkartenlandschaft an der Grenze zwischen dem Beaumont, dem Dévoluy und dem Champsaur. Die winzige D217 führt uns am steilen Südufer entlang und gibt immer wieder wunderbare Panoramen auf den See frei. In der Ferne erheben sich der Grand Ferrand (2.758) und die Bergketten des Vercors. Überraschend öffnet sich wieder eine raue Schlucht. Die sollte es hier eigentlich nicht geben. Spinnt das Navi? Zum Glück habe ich zur Sicherheit immer noch die altbewährte (analoge) Straßenkarte dabei. Es ist so, wie ich es geahnt habe - wir haben uns hoffnungslos im Nirgendwo verfahren. Eine junge Französin - Männer fragen eigentlich nicht nach dem Weg, aber ich mache hier mal eine Ausnahme - erklärt mir freundlich den Weg zurück in die Zivilisation.

Durch eine freie, offene Landschaft erreichen wir den Col du Festre (1.441). Der Pass liegt unterhalb der kahlen Bergkuppen der Montagne d`Aurouze und gewährt uns einen wunderschönen Blick auf das Massiv du Dévoluy. Die Passstraße, die das Drac-Tal mit dem Vallée du Buëch verbindet, verengt sich und wird kurviger. Einige Schlaglöcher und Bodenwellen gibt es gratis dazu. Auf der Südseite weitet sie sich wieder, ist breit ausgebaut und erlaubt uns eine recht flotte Fahrt durch das Tal der Bèoux. Vom Scheitel des nahen Col d’Espréaux (1.160) öffnet sich uns ein Ausblick auf die Montagne de Céüse (2.016) im Nordosten und auf den nahe gelegenen Roc de la Lauze (1.567) im Südwesten. Kaum zu glauben, aber sogar die Rallye Monte Carlo wurde hier schon gesehen. Das schmale Band der D20 führt uns auf einer landschaftlich recht ansprechenden Strecke, entlang von interessant gefalteten Felsformationen, zurück ins Tal der Durance.

Lac du Sautet

Lac du Sautet

© Ralf Beelitz, 2018
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Die Reise
 
Details:
Aufbruch: 18.09.2017
Dauer: 8 Tage
Heimkehr: 25.09.2017
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Ralf Beelitz berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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