Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Zum zweiten Mal in die Versilia

Reisezeit: Juli 2019  |  von Kathrin Hentzschel

Abschiede

Die Katzen werden immer zutraulicher, und inzwischen lassen sich nicht nur Fiducia und Flirt streicheln. La Grigia macht weiterhin auf echte Katze – sie sucht zwar die Nähe, doch Anfassen ist nicht. Dafür belohnt sie uns mit intensiven Blicken aus ihren unergründlichen grünen Augen.

Irgendeine/r hat mir allerdings in der Nacht in den Gummischuh für draußen gepinkelt. Signora Vittoria kommt vorbei, überschüttet uns mit unverständlichem Wortschwall und schenkt uns eine Gurke (die sie uns doch tatsächlich als Aubergine verkaufen will!). Das Wörterbuch gibt mir recht: è un cetriolo.

Meine letzte Ausfahrt führt mich über den schon gewohnten Weg hoch nach Cardoso. Ich habe diesen Ort gewählt, weil er nur drei Kilometer hinter Pontestazzemese liegt und demnach zu schaffen sein sollte. So ist es auch – eine breite Straße führt in gemächlicher Steigung in diesen Ort, der 1996 von einer großen Naturkatastrophe heimgesucht wurde: Zahlreiche Tafeln erinnern an den 19. Juni, an dem die Vezza nach starken Regenfällen, denen eine lange Trockenzeit vorhergegangen war, über die Ufer getreten war. Sämtliche Orte im Vezza-Tal waren betroffen, und 14 Menschen verloren ihr Leben, die meisten in Cardoso. Bekannt ist Cardoso aber auch für seinen Schiefer.

Auf dem Rückweg suche ich mir bei Pontestazzemese einen schönen Zugang zum Fluss, der nicht einsehbar ist, und verweile dort. Ich spaziere auf den bunten Flusskieseln umher, lasse die Füße von einem (natürlich kühlen) weißen Marmorblock ins Wasser hängen und warte geduldig, bis die kleinen Fische, von Neugier überwältigt, mit ihren winzigen Mäulchen an meine Füße stupsen. Obwohl das Thermometer im Ort 32 Grad anzeigt und ich direkt in der Sonne sitze, bleiben meine Beine noch eine ganze Weile auf der Rückfahrt kühl.

Nicht nur ein Bild, sondern eine Verheißung!

Nicht nur ein Bild, sondern eine Verheißung!

Bevor ich ein wohlverdientes Abschieds-Moretti in der Kastanienkneipe trinke, komme ich an einer Stelle vorbei, an dem ein Susinenbaum Dutzende Früchte in den Straßengraben geworfen hat. Damit stopfe ich mich voll, und beim Geschmack der sonnenheißen und fast überreifen Früchte ist mir, als würde ich in von einem Topf gerade kochender Marmelade naschen.

Als wir am Samstag abfahren, kommt eine einzige Katze zur Verabschiedung: Fiducia. Aus dem Radio (Radio Italia – solo musica italiana) ertönt ein letztes Mal unser diesjähriger Hit „Siamo tutti Muhammad Ali“ von Marco Mengoni.

Alla prossima, cara Versilia!

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zwei Mal hintereinander an denselben Ort?! Eigentlich sind wir doch noch nicht in dem Alter … Dochdoch, das geht, wenn man sich dort erstens bereits im letzten Jahr sehr wohl gefühlt hat. Und man zweitens Höhepunkte einplant. Zum einen hatte ich diesmal die Goldfüchsin, mein Rennrad, dabei und mir extra schicke Radklamotten gekauft. Wenn ich schon nichts auf der Kette habe, dann will ich wenigstens in Schönheit sterben! Zudem „bella figura“ in Italien Pflicht ist.
Details:
Aufbruch: 07.07.2019
Dauer: 14 Tage
Heimkehr: 20.07.2019
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Kathrin Hentzschel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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