Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Zum zweiten Mal in die Versilia

Reisezeit: Juli 2019  |  von Kathrin Hentzschel

Wo wildes Wasser um den Knöchel rauscht

Forza e coraggio! Beides braucht man für die Auffahrt vom Parkplatz.

Forza e coraggio! Beides braucht man für die Auffahrt vom Parkplatz.

Urban hat Fieber. Definitiv. Ich lasse ihn schlafen, braue ihm ab und zu einen Tee aus den Kräutern, die ich finde, und steige nach Cappella hoch. Da kenne ich mich aus. Zikaden zirpen, aus der Ferne wehen die Geräusche des Steinbruchs herüber, es duftet nach Schafgarbe, Oregano, Rosmarin, Minze und Thymian – eben jenen Kräutern, aus denen ich die Erkältungstees aufbrühe. Ich entdecke einen Steinkreis, der zum Meditieren einlädt und mache von dieser Einladung ausgiebig Gebrauch. Energie für meine Lieben und mich!

Nach einem Mittagsschlaf grollt und donnert es vom Gebirge her. Die Katzen – es sind etwa sechs, die sich auf dem steinernen Hof vor unserem Haus einfinden – werden bereits zudringlich und drängen ins Haus, doch das lasse ich nicht zu. Da gibt es strenge Anweisungen. Zwei alte Bekannte sind darunter: Die schwanzlose Maine-Coon (es ist ein Kater, wie er mit schwungvollem Markierungsstrahl an den Roller gegenüber beweist) und die Kätzin mit dem Gesäugetumor (der natürlich gewachsen ist). Eine graue Katze mit blassgrünen Augen, das linke tränt, erregt mein besonderes Mitleid: Ein erbärmlich dürres Tier mit struppigem Fell und, wie viele andere auch, mit sicher mehr Parasiten auf der Haut als Haaren. Ihr stelle ich zumindest einen Teller mit Wasser hin, den sie dankbar annimmt.

La Grigia mit ihrem rätselhaften Blick.

La Grigia mit ihrem rätselhaften Blick.

Ich bin wild entschlossen, heute zunächst nach Azzano, was leider in Richtung des gewitterumwölkten Gebirges liegt, zu fahren und die andere Abfahrt nach Seravezza zu nehmen. Sie ist tagsüber für den Autoverkehr gesperrt und enorm steil.

Hinter Azzano fallen erste Regentropfen, und mir sind steile Abfahrten alles andere als geläufig. Also schiebe ich! Und beschließe: Hier fahre ich niemals hoch! Allenfalls will ich die Abfahrt noch einmal versuchen.

Unten in Seravezza ist es erwartungsgemäß warm und trocken. Ich halte mich nicht lange auf und fahre wieder meine „Mädchenauffahrt“ hoch. Das ist okay bis zur Kastanienkneipe, dann fängt es auch hier an zu regnen. Und das nicht zu knapp. Ich überlege kurz, ob ich nicht einkehren soll, habe aber auf ein stickiges Lokal mit lauter Italo-Boys nicht so wirklich Lust. Zumal mein weißes Radtrikot binnen Sekunden hautfarben wird … Also fahre ich weiter. Inzwischen platscht, gießt, schüttet es noch stärker. Das geht eigentlich gar nicht mehr, aber eine Steigerung ist trotzdem möglich: Hagel prasselt auf den Helm, und das ist ganz schön laut.

In Fabbianos steilen kleinen Gässchen rauscht das Wasser knöchelhoch. Zum Glück ist es nicht kalt, eben ein echter Sommerwolkenbruch. Trotzdem werden meine Sachen wohl drei Tage brauchen, bis sie trocken sind, vor allem die Schuhe mit den neuen Einlagen. War ja klar. In einem warmen, basischen Sitzbad (ja, es gibt eine Badewanne) dümpelnd, genieße ich durchs Dachfenster den Anblick der Wolken, aus denen jetzt nur noch vereinzelte dicke Tropfen fallen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zwei Mal hintereinander an denselben Ort?! Eigentlich sind wir doch noch nicht in dem Alter … Dochdoch, das geht, wenn man sich dort erstens bereits im letzten Jahr sehr wohl gefühlt hat. Und man zweitens Höhepunkte einplant. Zum einen hatte ich diesmal die Goldfüchsin, mein Rennrad, dabei und mir extra schicke Radklamotten gekauft. Wenn ich schon nichts auf der Kette habe, dann will ich wenigstens in Schönheit sterben! Zudem „bella figura“ in Italien Pflicht ist.
Details:
Aufbruch: 07.07.2019
Dauer: 14 Tage
Heimkehr: 20.07.2019
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Kathrin Hentzschel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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