Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Zum zweiten Mal in die Versilia

Reisezeit: Juli 2019  |  von Kathrin Hentzschel

Beinah bös verfahren und 50 Jahre Woodstock

Nicht, dass ich mich zum Müll hingezogen fühlte. Aber ich liebe Farbharmonien.

Nicht, dass ich mich zum Müll hingezogen fühlte. Aber ich liebe Farbharmonien.

Heute will ich mir die Strecke Minazzana – Basati mit dem Rad erschließen. Dorthin waren wir letztes Jahr auch schon gewandert. Das geht leicht, weil es nur eine leichte, kurze Steigung gibt. In Basati ist die Welt zu Ende. Aber es gibt eine Strecke bergab mit einem Hinweis auf Ruosina. Meiner Michelin-Map im Handy zufolge komme ich an der Vezza im Tal raus und müsste dem Fluss nur noch wenige Kilometer nach Seravezza folgen. Da ich aber bei unbekannten Strecken vorsichtig bin – sie könnten ja wieder sinnlos bergauf führen und an meinen Kräften zehren – frage ich nach einigen Kehren einen Signore, der sich an seinem Auto zu schaffen macht. Ja, nach Ruosina gehe es nur bergab. Die Strecke ist zum Teil steil, und vor allem lang. Nichts zum Hochfahren, merke ich mir.

In Ruosina, einem großen und schönen Dorf im Tal, bin ich mir zwar sicher mit der Richtung, frage aber vorsichtshalber noch einmal einen Signore, der seinen Pudel spazieren führt. „Nach Seravezza? Da lang, wo das Auto fährt!“ „Ähm, von dort bin ich doch gekommen. Nicht doch die andere Richtung?“, frage ich verzagt. Neinnein. Als Alternative könne ich ja über Minazzana und Basati fahren, aber das sei hart mit dem Rad. Ja, danke, das weiß ich, da komme ich her. Allora, ich vertraue ihm und fahre in die gewiesene Richtung. Und siehe da, es ist zum Glück nicht dieselbe Straße, die ich gekommen bin. Bis Seravezza sind es auch nurmehr 2 Kilometer, allerdings im Schwerlastverkehr, denn alle naselang gibt es einen Marmorverarbeitungsbetrieb, aus dem mir weißer Staub um die Ohren fliegt. Aber gut, bald bin ich ja wieder in vertrautem Fahrwasser (heute nicht wörtlich zu nehmen; es ist warm und trocken).

Mühle im Vezza-Tal. Ich werde sie noch oft sehen.

Mühle im Vezza-Tal. Ich werde sie noch oft sehen.

Belohnung.

Belohnung.

Weil das 5. Seravezza Blues Festival heute eröffnet wird, fahren wir am Abend runter. Hier gibt sich das kulturbeflissene und alternative Seravezza in schwarzen oder wallenden Gewändern ein Stelldichein. Es gibt Stände von Geigen- und Gitarrenbauern, Anbietern regionaler und Bioprodukte und natürlich jede Menge Essen. Ich entscheide mich für einen veganen Burger aus Kichererbsen. Zubereitung und Verkauf betreibt eine vierköpfige Familie aus einem alten roten Wohnwagen heraus, und es scheint ihnen noch an Routine zu fehlen. Die Schlange hinter mir wird immer länger, und es dauert. Aber das Warten lohnt sich – einen besseren Burger habe ich nie gegessen. An einem anderen Stand werden Cannabis- und Hanfprodukte verkauft; die Blüten hätten aus Legalitätsgründen allerdings einen sehr niedrigen THC-Gehalt. Also nichts, was ich haben müsste … Doch die Sportcreme aus Arnika, Teufelskralle, Mandel- und Hanföl, natürlich bio, vegan und nicht ganz billig, muss ich haben. Bei meinen Fußgeschichten sicher keine schlechte Investition.

Gegen 21 Uhr begibt man sich vor die Bühne vorm Medici-Palast und ist gespannt. Viel Italienisch zur Begrüßung vom Verein, der auch immer etwas für wohltätige Zwecke spendet, und drei Stromausfälle verzögern die Hauptdarbietung. Die besteht aus einer Multivisions-Show zu 50 Jahren Woodstock. Eigentlich hatten wir mit Musik gerechnet. Also noch mehr Italienisch, und während Urban, mit der Woodstock-Geschichte einigermaßen vertraut und auch der damaligen Musik nicht abgeneigt, andächtig lauscht, schalte ich irgendwann ab und leide ein bisschen. Meine Zeit wird noch kommen – am Samstag!

Blick auf Seravezza, links der Palast und die Zelte des "Blues-Village".

Blick auf Seravezza, links der Palast und die Zelte des "Blues-Village".

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Zwei Mal hintereinander an denselben Ort?! Eigentlich sind wir doch noch nicht in dem Alter … Dochdoch, das geht, wenn man sich dort erstens bereits im letzten Jahr sehr wohl gefühlt hat. Und man zweitens Höhepunkte einplant. Zum einen hatte ich diesmal die Goldfüchsin, mein Rennrad, dabei und mir extra schicke Radklamotten gekauft. Wenn ich schon nichts auf der Kette habe, dann will ich wenigstens in Schönheit sterben! Zudem „bella figura“ in Italien Pflicht ist.
Details:
Aufbruch: 07.07.2019
Dauer: 14 Tage
Heimkehr: 20.07.2019
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Kathrin Hentzschel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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