Radreise in Zeiten von Corona

Reisezeit: August 2020  |  von Klaus Lüttgen

4. Tag - Weißer See - Lübbe See 61,55 km

"Stilleben" kurz vor Aufbruch zum Werbelinsee

"Stilleben" kurz vor Aufbruch zum Werbelinsee

Das geht in Ordnung!

Das geht in Ordnung!

Tomate und Brot, schmecken mir immer joot!

Tomate und Brot, schmecken mir immer joot!

Tomate und Brot, schmecken mir immer joot!

Tomate und Brot, schmecken mir immer joot!

Auf Tuchfühlung mit dem Werbelin See

Auf Tuchfühlung mit dem Werbelin See

Luft tanken an einer Tankstelle in Joachimsthal (Schorfheide)

Luft tanken an einer Tankstelle in Joachimsthal (Schorfheide)

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Camp am  Lübbe See

Camp am Lübbe See

Camp am  Lübbe See

Camp am Lübbe See

4.Tag Weisser See - Lübbe See 61,55 km

Am nächsten Tag gönne ich mir eine ausgiebige Dusche auf dem gnadenlos überfüllten Campingplatz direkt am Werbellinsee. Dort befülle ich meinen drei Liter Sack sowie die beiden Trinkflaschen mit Wasser und bezahle sechs Euronen für die Tageskarte - inklusive der Dusche. Der wirklich traumhaft schöne See, liegt von Mischwald umgeben, im Herzen der Schorfheide. Doch selbst wenn auf dem Campingplatz noch eine Handbreit an Platz vorhanden wäre, will ich erst gar nicht danach fragen, denn eine Übernachtung ist hier ohnehin undenkbar für mich - da schlafe ich lieber alleine und ruhig irgendwo am Waldesrand. Ab dem Werbelinsee, beginnt für mich einer der schönsten Gegenden meiner Tour, wenn da nur nicht die verwirrende Wegbeschreibung wäre - diese immer wieder in die falsche Richtung führt oder schlimmer noch, manchmal sogar mitten im Wald endet, oder zur unfahrbaren Pflaster oder Sandpiste wird. Ein paar Kilometer weiter am Seeufer entlang, wird es etwas ruhiger und ich wage einen Sprung ins kühle Nass. Dann geht es weiter, meinem heutigen Ziel entgegen, dem Lübbe See in der angrenzenden Uckermark. Über eine stark befahrene Auto Strada fahre ich in Richtung Templin. Große Waldflächen sind unterbrochen von Acker und Wiesen. Hin und wieder tauchen kleine Seen auf aus der gefälligen Landschaft und kleine Dörfer, deren liebevoll erhaltene Häuser und Höfe im Schatten uralter Eichen und Linden stehen.

Am frühen Abend treffe ich auf einen Radfahrer, der mir mit fleißigen Tritten in die Pedalerie und entsprechend hohem Tempo entgegenkommt. Als ich ihn nach dem Weg, zur Badestelle am Lübbe See frage, habe ich einen Volltreffer gelandet. Der Mann macht sofort eine quietschende Vollbremsung und hört mir wohlwollend zu. Er erzählt, dass er soeben von einem anderen See kommt, in dem er täglich ein Bad nimmt. Dietmar heißt der Mann und er sieht mit seinem schwarzen Kampfsport-Dress einem typischen 72-jährigen Herren in etwa so wenig ähnlich, wie eine afrikanische Wasserschildkröte einem Yeti - nämlich überhaupt nicht. Dietmar ist, beziehungsweise war mal, Sportlehrer und hat viele Jahre in Berlin gelebt. "Bis es mich dann doch wieder in die Uckermark zurück verschlagen hat. Ich bin halt Uckermärker und gehöre einfach hier hin - dies ist und bleibt meine Heimat." Sagt er sichtlich stolz. Als Dietmar merkt, dass ich mich für seine Heimat interessiere, plaudern wir eine ganze Zeitlang weiter und ich merke nicht wie dabei die Zeit vergeht. Als wir dann über Politik reden und Dietmar mir in Details erklärt wie es hier in der Uckermark, bezüglich des Abbaus von Arbeitsplätzen, an allen Ecken und Kanten, dringend an benötigter finanzieller Unterstützung seitens der EU bedarf, machen wir fast Zeitgleich einen Punkt. Klaus, sagt Dietmar - lass uns aufhören, sonst wird mir schlecht... Ach ja der Lübbe See Klaus, - das ist übrigens eines der saubersten Gewässer hier in der Region. Ein Klasse See schwärmt Dietmar. Dann erklärt er mir wo es lang geht und unsere Wege trennen sich wieder.

Um halb acht erreiche ich die gesuchte, kleine Badebucht am Lübbe See. Entgegengesetzt meiner Befürchtung halten sich hier nur ein paar Erwachsene mit Kindern und in einer versteckten Ecke der Bucht - noch ein Pärchen auf. Einige packen bereits ihre Sachen und verlassen den See. Mein Plan ist es, ab zu wachten bis alle verschwunden sind. Dann werde ich still und heimlich ein paar Meter entfernt von der Bucht, nur mein Innenzelt aufbauen - regnen wird es sicherlich nicht und so bin ich am nächsten Morgen auch schnell wieder abfahrbereit.
Wie jeden Tag, so habe ich auch heute wieder einen Bärenhunger. Doch hier und jetzt eine Suppe kochen, nein, das lasse ich besser. Obwohl ich nur ein paar Meter neben dem See, auf einer überdachten Bank sitze, ist der Hinweis auf dem Schild eindeutig. Offenes Feuer verboten! Also packe ich mein Brot, den Käse und ein paar Tomaten auf den Tisch und schmiere mir ein paar Stullen. Als nun langsam die Sonne hinter den Wäldern verschwindet, ziehe ich die Badehose an und wate in den See. Ich schaufele mir das klare, kühlende Wasser über die Arme und Oberbeine, dann gleite ich komplett hinein und tauche unter. Dies wiederhole ich mehrmals und wasche mir dabei den Schweiß von der Haut - dann mache ich noch ein paar Schwimmzüge nach vorn, bevor ich zufrieden aus dem See steige. Während meiner Wäsche, waren alle Leute bis auf das Paar in der Ecke der kleinen Badebucht verschwunden - doch dann rafften auch sie ihre Sachen und fuhren weg. Die Sonne war soeben untergegangen. Ich hole die Kamera raus und mache ein paar Fotos vom Abendrot - dann rolle ich meinen Schlitten durch das hohe Gras bis an den angrenzenden Wald heran. So, hier bin ich weit genug vom Seeufer entfernt, denke ich und schlage mein Zelt auf. Es ist stockduster - und ich verziehe mich in meine Behausung. Bevor ich das Zelt aufgestellt habe, hatte ich vorsorglich den Boden mit ein paar Büscheln langem Gras ausstaffiert - trotzdem war der wellige Untergrund unter meinem Rücken, deutlich zu spüren. Das würde unter anderem dann auch der Anlass für eine unruhige Nacht sein. Ich war wohl gerade eingeschlafen, als die Stille durch ein lautes Brüllen, jäh unterbrochen und wurde. Darauf folgte aufgeregtes Getrampel. Sofort war ich hellwach und versuchte das Tier zu lokalisieren. Sehr wahrscheinlich waren es Wildschweine, die mich gewittert hatten. Puh, mein Herz klopfte mir spürbar bis zum Hals - so eine Wildschweinrotte kann durchaus gefährlich werden. Jedenfalls war ich nun wach und es würde noch eine lange Zeit dauern, bis ich mich schließlich traute die Augen zuzumachen...

© Klaus Lüttgen, 2020
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Corona hat vieles bereits verändert - so auch das unterwegs sein. Ich habe versucht, mit möglichst wenig Berührungen, trotzdem auf Tuchfühlung mit den Menschen zu gehen und bin mit nur begrenzten finanziellen Mitteln, hauptsächlich durch die ehemaligen Ostgebiete gefahren. In Bleckede, etwa 75 Elbe-Kilometer von Hamburg entfernt, war Start und Zielpunkt meiner 1374 km langen Rad-Reise
Details:
Aufbruch: 02.08.2020
Dauer: 17 Tage
Heimkehr: 18.08.2020
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Klaus Lüttgen berichtet seit 4 Jahren auf umdiewelt.
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