7000 Kilometer ostwärts!

Reisezeit: September 2017  |  von Sylvia Michel

Das Abenteuer beginnt!

Das Abenteuer beginnt!

Viel Spaß beim Lesen!
Vielleicht interessiert es den einen oder anderen von Euch. Es ist eines der letzten großen Abenteuer in der heutigen Zeit.
DAS ABENTEUER TRANSSIB BEGINNT
(und es wird ein etwas längerer Bericht,
weil soooo schön ...)
Von unserem Heimatort in der Oberlausitz fahren wir am 06.09.2017 gegen 09:00 Uhr mit einem Kleinbus nach Berlin- Schönefeld. Unser 88-jähriger Vati verabschiedet uns und beobachtet unsere Vorbereitungen. Was mag in Ihm vorgehen? Erinnerungen an seine vielen schönen Reisen? Fernweh? Oder die Ungewißheit, uns gesund wieder zu sehen? Wir wissen es nicht.
Das Flughafengebäude in Berlin- Schönefeld strahlt an allen Ecken noch den sozialistischen Charme aus. Wir kaufen uns erst einmal eine Flasche russischen Wodka und stoßen auf unseren Reisebeginn an. 14:10 Uhr hebt unser Flieger in Richtung Moskau- Scheremetjewo ab. Nach einer Flugzeit von 2,5 Stunden landen wir. Es ist stürmisch, regnerisch, ungemütlich. Juri, ein russischer Reiseleiter holt uns ab und will uns zum Tranferbus bringen. Aber alle Ausgänge, an denen wir vorbei laufen, sind wegen Bauarbeiten geschlossen. Hoch und runter, kreuz und quer durch den Flughafen mit großem Gepäck, Wanderschuhen, dicken Sachen,...
Dann finden wir doch einen Ausgang, aber da steht natürlich nicht unser bestellter Kleinbus. Trotzdem- rein in den Bus- Gepäck zum Teil auf dem Schoß und ab zum Bahnhof! Wir sind alle aufgedreht und meine Schwägerin ruft: "Gebt mal allen einen Schnaps, dem Fahrer auch!". Wir müssen lachen. Andererseits aber müssen wir Juri daran erinnern, dass er Wodka und kein Wasser trinkt.

Episoden eben,...
Unser Zug fährt heute, am Mittwoch, dem 06.09.2017, 23:55 Uhr vom Jaroslawer Bahnhof ab. Das Gebäude von außen ist schon ein Schmuckstück mit einer für uns beeindruckenden Beleuchtung. Nach einer Gepäckkontrolle am Eingang -ähnlich der am Flughafen- begeben wir uns in den ersten Stock, in den Wartesaal, der aber kein Raum im herkömmlichen Sinne ist, sondern die ganze obere Etage einnimmt. Eine riesige Anzeigentafel zeigt die Zugabfahrten in viele Richtungen des Landes. Städte wie Iwanowo, Tomsk, Workuta, Jaroslawl oder Abakan, die man noch aus dem Geographieunterricht kennt, sind Zielpunkte dieser Bahnlinien.
Hinter einer großen Glasfront schaut man direkt auf das Gleisbett.
Rund um den Bahnhof gibt es viele Geschäfte wie zum Beispiel die 24-Stunden- Läden, in denen man alles kaufen kann, was für die mehrtägige Zugfahrt benötigt wird. Ob Tee, alkoholfreie Getränke, Suppen, Obst oder Hygieneartikel- ich würde bei einer nächsten Fahrt mit der Transsib keinerlei Verpflegung mehr aus Deutschland mitbringen. Auch im Wartesaal gibt es die verschiedendsten Kioske für Getränke, Gebäck, Bier usw..
Wir fahren mit dem Zug Nr. 6. Ein einziger russischer Waggon- unserer- und der letzte des Zuges mit Waggonnummer 16. Alle anderen Waggons gehören der mongolischen Bahn. Die Gegensätze sind schon beachtlich. Und das wirft bei uns dann doch einige Fragen auf. Aber schon bald sollte sich herausstellen, dass wir den originalsten und ursprünglichsten Waggon der Transsib haben.
Das haben wir einem älteren englischen Ehepaar zu verdanken, das mit uns den Waggon teilt. Es unternahm diese Reise als Hochzeitsreise vor 40 Jahren und wiederholt sie jetzt zum Ehejubiläum. Und sie erzählen uns, dass die Waggons heute noch genau so aussehen wie vor 40 Jahren. Und dieses Abenteuer suchen wir ja!

Nach strenger Kontrolle unserer Zugtickets bekommen wir unsere Kabinen zugewiesen. Dann geht es erst einmal zum Beziehen der Betten. Gar nicht so leicht auf engstem Raum und dem Rütteln des Zuges. Gutes Bettzeug einschließlich weicher, mittelgroßer Kopfkissen (rechteckig, so wie heute in den Hotels)Tischdecke auf dem Tisch. Wir sind angekommen.
Jeder richtet sich sein Domizil für die nächsten Tage ein. Pro Bett gibt es ein kleines Handtuch; über den Betten befinden sich Netze und Ablagemöglichkeiten für Dinge des täglichen Bedarfes. Auch einige Garderobenhaken findet man im Abteil.
Fürs große Gepäck ist auch ausreichend Platz. Unter den unteren Betten befindet sich ein Kasten, der gut einen Rucksack oder eine mittelgroße Reisetasche aufnimmt. Daneben findet ein ebenso großes Reisegepäck Platz. Und über der Tür ist reichlich Stauraum für kleines Gepäck u. ä..
Es ist inzwischen Tag zwei unserer Reise und 02:00 Uhr morgens. Wir haben wir uns „eingerollt“ und das Abenteuer beginnt.
Wir- das sind acht Personen. Der Rest unserer Gruppe kommt per Flugzeug und wird uns in Irkutsk treffen. Unsere Kabinen liegen nebeneinander, wir teilen unsere Lebensmittel (und den Wodka) und haben viel Spaß miteinander.
Und wir leben in den Tag. Zeit und Raum sind uns egal. Wichtig für unsere Männer sind nur die Haltezeiten des Zuges, die im Gang an einer Tafel ausgehängt sind. Denn dann können sie für Nachschub an Obst, alkoholfreien Getränken, Eis oder anderen Kleinigkeiten sorgen. Von diesen kleinen Kiosken auf den Bahnsteigen gibt es reichlich. Und das Angebot ist sehr gut. Aber Achtung: Wodka gibt es in diesen Kiosken nicht zu kaufen. Und jetzt im September verkaufen auch nur an einem Bahnhof, in Barabinsk, die Babuschkas ihre Waren. Pelmeni, gekochte Kartoffeln, Tomaten und Gurken, aber auch Pelze und Strickwaren. Die zweite Nacht ist für meine Schwägerin Silli und mich sehr kurz. Wir alle waren noch nie in Asien. Und so wollen wir zwei unbedingt die Grenze zwischen Europa und Asien, die im Ural liegt, erleben. Und das ist nachts gegen 01:30 Uhr. Der Obelisk wird in der stockdunklen Nacht rasch passiert- eigentlich nur für die Länge eines Augenaufschlages. Und total unspektakulär. Keine Beleuchtung o.ä.. Aber wir erleben ihn, freuen uns und schlafen dann selig ein.

Wir leben gut hier im Zug. Essen, Schlafen, Lesen, Rausschauen, Essen, Schlafen, Lesen, Rausschauen, Essen....
Man kann sich dran gewöhnen!
Zweimal frühstücken wir im (auch) russischen Speisewagen. Sehr gute Auswahl zu moderaten Preisen und mit viel Liebe und frischen Kräutern zubereitet. Auch das Abendessen am letzten Tag findet im Speisewagen statt. Es gibt Flaschenbier, aber keinen Wein. Darauf muss man sich einstellen.
Die anderen Mahlzeiten finden in unseren Kabinen statt. Acht Personen auf engstem Raum- da ist Spaß vorprogrammiert. So schön!
An einem Abend ist unser Abteil für das Abendessen zuständig. Wir legen alle Lebensmittel zusammen und bereiten eine Art Büfett vor. Es soll Handfood geben; das ist unter diesen Bedingungen die einfachste Art, zu essen. Wir denken an Käse -und Salamispieße mit Weintrauben bzw. Gewürzgurken. Aber woher die Spieße?
Ich gehe in den Speisewagen und „kaufe“ beim Servicepersonal Zahnstocher, Salz und Senf. Der Kellner lächelt; wir sind wohl nicht die Ersten, die mit solch ungewöhnlichen Wünschen kommen. Das Salz wird mir ganz vorsichtig in eine Serviette eingeschlagen und den Senf bekomme ich in ein kleine Pastetenform. Glücklich und erfolgreich kehre ich in mein Abteil zurück. Das Abendessen schmeckt uns acht sehr gut und wir haben viel Spaß.
Am nächsten Abend bereitet die andere Kabine das Abendessen vor. Mit unserem Halt im Barabinsk haben die vier „Heimvorteil“. Denn die Babuschkas verkaufen am Bahnsteig frisch geräucherten Fisch. Und der schmeckt soo lecker!
Der „Sanitärbereich“ ist das einzig Gewöhnungsbedürftige. Waschbecken und Toilettenbecken sind aus Edelstahl, aber s. o., eben auch schon über 40 Jahre alt. Einfach verbraucht, nicht verschmutzt!

Sauber ja. Und dafür sorgen auch die zwei „Deschurnajas“, die zwei Waggonbegleiterinnen, die dreimal am Tag die Toiletten, die Kabinen und die Gänge feucht wischen. Bei Ihnen in der kleinen Küche kann man auch Getränke, Knabbergebäck und Souvenirs kaufen. Und: seine „Multifunktionstasse“ abwaschen.
Interessant auch, bedingt durch die Länge des Zuges und unseres letzten Waggons ist oft das Aussteigen weitab vom Bahnsteig. Auf so lange Züge sind die Bahnsteige nicht ausgerichtet. Und der letzte Schritt hinunter auf die Gleise ist für mich mit 1,60 cm Körpergröße jedesmal eine kleine sportliche Herausforderung.
Bekanntschaften kommen nicht zu kurz und sind international. Rechts im Abteil neben uns fährt ein ruhiger Mitvierziger zur Arbeit an den Baikalsee. Das ältere englische Ehepaar habe ich schon am Anfang erwähnt. Neben ihnen wohnt Juri, ein Alleinreisender im besten Alter mit den typischen goldenen Frontzähnen. Er fühlt sich bestimmt einsam auf der Strecke, denn er sucht oft den Kontakt mit unserer Gruppe. Und am zweiten Abend bekommen wir Besuch von einem jungen Mann, einem Amerikaner, der mit Gleichaltrigen unterwegs in Asien ist und Urlaub und Arbeit verbindet. Er heißt lt. Visitenkarte Kylo Chong und arbeitet als managing director bei der Fa. Zansker. Er will von uns vieles über unsere politischen Einstellungen, unser Verhältnis zu Trump, zu Angela Merkel oder Putin wissen und macht sich darüber Notizen als Basis für eine spätere Arbeit. Seine Freude ist groß, als er nach mehreren Gläsern Wodka auch noch die Sächsische Zeitung vom Vortag und einen Beutel unser Heimatstadt Bautzen geschenkt bekommt.
Am nächsten Abend kommt er uns wieder besuchen und schenkt uns Ansichtskarten aus seiner Heimat. Eine schöne Geste!
Die Tage vergehen, Wetter und Landschaften wechseln, die Speicherkarte füllt sich und so kommen wir am Sonntagmorgen bei 4 Grad plus ausgeruht und relaxt in Irkutsk an.

Moskau- Scheremetjewo

Moskau- Scheremetjewo

Der Jaroslawer Bahnhof in Moskau

Der Jaroslawer Bahnhof in Moskau

Im Wartesaal

Im Wartesaal

Der Bahnhof von außen- ein Schmuckstück!

Der Bahnhof von außen- ein Schmuckstück!

Spiegelungen

Spiegelungen

Zu den Gleisen

Zu den Gleisen

Unsere Kabine

Unsere Kabine

Unverzichtbar: der Samowar. 24 Stunden täglich gibt es hier heißes Wasser. Für Kafffe, Tee, Suppen, zum Zähneputzen,....

Unverzichtbar: der Samowar. 24 Stunden täglich gibt es hier heißes Wasser. Für Kafffe, Tee, Suppen, zum Zähneputzen,....

Kurz vor der Abfahrt

Kurz vor der Abfahrt

Russische Weiten

Russische Weiten

Frühstück im Speisewagen

Frühstück im Speisewagen

Das bin ich mit meiner Multifunktionstasse. Hier komme ich gerade von der "Morgentoilette".

Das bin ich mit meiner Multifunktionstasse. Hier komme ich gerade von der "Morgentoilette".

Kurz hinter dem Ural. Selbstversorgungmit Gewächshäusern,  vielen Kohlarten und immer ganz viele Blumen!

Kurz hinter dem Ural. Selbstversorgungmit Gewächshäusern, vielen Kohlarten und immer ganz viele Blumen!

Eine der beiden netten " Deschurnajas".

Eine der beiden netten " Deschurnajas".

Unterwegs. Hier in Nischnedinsk.

Unterwegs. Hier in Nischnedinsk.

Russische Weite,...

Russische Weite,...

Hier sieht man, dass im wahrsten Sinne des Wortes die Straße hochgeklappt wird, wenn sich die Schranken schließen.

Hier sieht man, dass im wahrsten Sinne des Wortes die Straße hochgeklappt wird, wenn sich die Schranken schließen.

Der Sanitärbereich.

Der Sanitärbereich.

Aber wie gesagt. Nur verbraucht, nicht schmutzig. Waschen geht übrigens nur einhändig. Am Hahn muß man einen Stift eindrücken, dann läuft Wasser, solange man hält.

Aber wie gesagt. Nur verbraucht, nicht schmutzig. Waschen geht übrigens nur einhändig. Am Hahn muß man einen Stift eindrücken, dann läuft Wasser, solange man hält.

Nostalgie pur!

Nostalgie pur!

Die Babuschkas verkaufen frische Ware am Zug.

Die Babuschkas verkaufen frische Ware am Zug.

Und solch ein Abendessen kann sich doch sehen lassen, oder?

Und solch ein Abendessen kann sich doch sehen lassen, oder?

Unterwegs

Unterwegs

Das sind die Zugbegleiterinnen des nächsten Waggons.

Das sind die Zugbegleiterinnen des nächsten Waggons.

Wir sind der letzte Waggon. Das bedeutet, Ausstieg außerhalb des Bahnsteiges.

Wir sind der letzte Waggon. Das bedeutet, Ausstieg außerhalb des Bahnsteiges.

Leckere Mahlzeit.

Leckere Mahlzeit.

© Sylvia Michel, 2020
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ich möchte mithelfen, diese Reiseseite zu erhalten. Wie gern bin ich selbst hier und erlebe in den Reiseberichten einen Teil der Reise mit. Gerade bin ich in Gedanken mit 1000B. in Thailand und verfolge seine Erlebnisse. Ich will Euch heute und in den nächsten Tagen mitnehmen auf ein ganz großes Abenteuer! Eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Irkutsk und 14 Tage Urlaub in und um den Baikalsee.
Details:
Aufbruch: 06.09.2017
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 23.09.2017
Reiseziele: Russland / Russische Föderation
Der Autor
 
Sylvia Michel berichtet seit 6 Jahren auf umdiewelt.
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