Frankreich - Im wilden Vercors

Reisezeit: September 2013  |  von Ralf Beelitz

Mythos L’Alpe d’Huez

Die Passstraße den Hängen des 3.327m hohen Pic du Lac Blanc nach L'Alpe d'Huez (1.860m) bietet Kehren ohne Ende. Sie ist fast genauso berühmt wie ihre populären Kollegen Mont Ventoux oder der Col du Tourmalet. Kurz hinter Le Bourg-d`Oisans beginnt der 14 km lange Anstieg.
Bei einer Steigung bis zu 12 % sind die "21 Kehren des Satans" wie sie genannt werden zu überwinden. In Kurve 21 und 19 steht heute noch der Name Armstrong zu lesen, der dort 2001 gewonnen hatte. Auch der 2004 an einer Überdosis Kokain gestorbene Italiener Marco Pantani hat noch seine Ehrentafeln. 1997 fuhr der "Pirat" in nur 37:35 Minuten hinauf - bis heute die schnellste Zeit. Mit Rücksicht auf die zahlreichen Rennradfahrer halte ich meine Silver Wing in Zaum, obwohl die gut ausgebaute Straße geradezu zur Kurvenhatz einlädt. Dafür entschädigt der Blick auf die grandiose Schönheit der Landschaft. Eine kilometerlange Gerade führt uns schließlich zum Etappenziel: in ein grauenhaftes Retorten-Wintersportressort, welchem man vergeblich versucht hat, durch Holzverkleidungen das Flair einer Westernstadt zu verleihen. Da hilft nur ein beherzter Dreh am Gasgriff, um diesen unwirtlichen Ort schnellstmöglich hinter uns zu lassen.
Glücklicherweise gibt es weiterführende Strecken, die sich lohnen, z.B. über den Col de Sarenne. Unsere Fahrt über die D254a erweist sich als ein fahrerischer und landschaftlicher Höhepunkt. Die schmale, holprige Straße zieht sich durch ein breites Hochtal dem Pass entgegen. Gelegentlich bieten gepflasterte Wasserrinnen kleine Hindernisse, dann ist der Sattel auf 1.999m Höhe erreicht.
Die Abfahrt ist eng und steil. Einzelne Kehren sind nur im Schritttempo zu meistern. Wenn man dort eine Kurve nicht richtig nimmt, fällt man sehr, sehr tief. Immer wieder liegt Splitt oder Geröll auf dem Weg. Vor uns Schlaglöcher und rauer Asphalt. Dafür wird die Landschaft mit jedem zurückgelegten Kilometer um so schöner: neben uns gleißende Granitwände; die Wasserfälle der Cascade du Ferrand hoch oben an den Hängen und rauschende Wildbäche tief unter uns.
In Mizoën am Lac du Chambon stoßen wir wieder auf die N91 und schwenken auf die D213 ab. Die 11km lange Stichstrasse zieht sich durch teilweise tiefen Mischwald nach oben. Auf wunderbar zu befahrenden Asphalt sind 10 numerierte Serpentinen zu bezwingen, die uns hinauf zum Massif du Soreiller mit dem la Meije (3.983 m) und damit erneut ins Grauen führen. Wir haben den Skiort "Les 2 Alpes" auf 1.650m Höhe erreicht. Betonklötze, geschlossene Restaurants, heruntergelassene Rolläden. Hier würde sich nicht einmal der Yeti wohlfühlen. Also schnellstmöglich wieder bergab. Dort erwartet uns die Barrage du Chambon und am Talausgang die wildromantische Schlucht Gorges de l'Infernet mit ihren tief in den Fels geschnittenen Kurven und langen Tunnels. So wird die Rückfahrt doch noch zum Erlebnis!

© Ralf Beelitz, 2014
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Der Gebirgsstock des Vercors, im äußersten Westen der französischen Alpen, wirkt wie eine überdimensionale Trutzburg. Eine Landschaft mit tiefen, schroffen Schluchten und wilden Felsabstürzen, weit verzweigten Höhlensystemen und verträumten kleinen Örtchen. Dieses schwer zugängliche Gebirge mit Gipfeln bis zu 2.350m Höhe kann man auch heute noch nur über schmale und kühne Straßen erkunden.
Details:
Aufbruch: 16.09.2013
Dauer: 7 Tage
Heimkehr: 22.09.2013
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Ralf Beelitz berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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