Auf dem Jakobsweg durch die Schweiz

Reisezeit: Juni 2003  |  von Andreas Honisch

Lebe langsam...: von Tobel nach Fischingen

9.6.2003 2. Tag, von Tobel nach Fischingen

Wieder eine Affenhitze! Aber die Hitze hat mir heute weniger zu schaffen gemacht als mein körperlicher Zustand. Mir tut fast alles weh. Nach einer Rast müssen meine Gelenke und Muskeln irgendwann einsehen, dass ich nicht mitten im Wald einfach sitzen bleiben kann und ich torkele die ersten Schritte wie ein kleines Kind, das die Hosen voll hat. Zum Glück habe ich meine Wanderstöcke dabei, dadurch komme ich trotz allem ganz gut voran.
Ich bin heute bis Fischingen gelaufen, das Hörnli, mein eigentliches Etappenziel habe ich mir für morgen früh aufgehoben. Nach einem guten Frühstück mit Ovo und Kirschmarmelade bin ich gegen 8 Uhr von Tobel gestartet. Meine Wirtin brachte mich noch ein Stück auf den richtigen Weg bis zu einem Wegkreuz, wo wir uns nach einem Vaterunser verabschiedeten.

Wegkreuz bei Tobel

Wegkreuz bei Tobel

Bis kurz vor St. Margarethen war es ein schöner, angenehmer Weg, zumeist im Wald und vor allem im Schatten. In der schönen alten Kapelle habe ich meinen Pilgerausweis gestempelt und auf einem schattigen Bänkchen vor der Kapelle meine erste Rast eingelegt.

Bald führte der Weg immer der Murg entlang über Münchwilen und Sirnach bis Oberwangen. Ein sehr schönes Teilstück, meist im Schatten unter Bäumen und oft auch direkt am Wasser. Kurz nach Oberwangen begann der kurze Aufstieg auf einen Hochweg durch den Wald. Trotz des wunderschönen Weges hielt sich aber mein Genuss in Grenzen, da ich immer mehr meine Erschöpfung zu spüren bekam.

Ein imposantes Bild bot sich mir, als ich aus dem Wald heraustrat und vor mir im Tal ganz friedlich und ruhig Fischingen mit seinem Kloster lag. Endlich war ich an meinem heutigen Etappenziel angelangt, nur noch eine halbe Stunde den Berg runter und durch das Dorf wieder hoch bis zum Kloster, wo ich mich gegenüber in der "Post" erstmal stärken konnte. Leider werden dort keine Zimmer vermietet, aber die Wirtin war so freundlich hier im Sternen "azlüta", da heute eigentlich wegen Ruhetag geschlossen ist. Kaum im Zimmer angekommen fiel ich erst mal für eine Stunde ins Koma.

Kloster Fischingen

Kloster Fischingen

Jetzt werde ich bald aufbrechen und das Kloster erkunden, schließlich bin ich ja Pilger! Außerdem soll es dort ein heiliges Fußloch geben, in das die Pilgernden ihre schmerzenden Füße stecken können. Wer weiß, vielleicht geschieht ja ein Wunder! Das erste Wunder hat die wohltuende Dusche vollbracht. Zunächst war ich etwas verwirt, da nur ein Wasserhahn angebracht ist, entsprechend "warm" war meine Dusche, aber ausgesprochen belebend und damit genau das Richtige für mich! Es muss sich bei meinem Zimmer hier unter dem Dach wohl um eines der berühmten "Schwabenzimmer" des "Sternen" handeln, zumindest ist es recht sparsam ausgestattet. Aber ich fühle mich hier sehr wohl, bin immer noch sehr beeindruckt von den netten und überaus freundlichen Menschen hier und spüre, wie meine Lebensgeister langsam wieder zurückkehren.

...vor dem Kloster in Fischingen

...vor dem Kloster in Fischingen

Ein schöner und sehr ermutigender Ausklang war der heutige Abend. Vor der "Post" bin ich noch mit 2 Pilgerpärchen zusammen gesessen. Zwei sind mit dem Rad unterwegs, die beiden Anderen ebenfalls zu Fuß. Obwohl wir alle erst seit 2 Tagen unterwegs sind, haben wir doch schon ein paar unserer Abenteuer austauschen können, was zu einem lustigen und geselligen Abend geführt hat. Bei der hl. Idda war ich auch noch, habe meine Füße in das Fußloch gesteckt und intensiv versucht positive und hoffentlich auch heilende Energie aufzusaugen. Sogar meine Schuhe habe ich ausgezogen und hoffe sehr, dass es geholfen hat. Das werde ich morgen bitter nötig haben, heute Abend konnte ich mich jedenfalls schon wieder ganz gut bewegen.

Wegweiser vor dem Kloster Fischingen:
"1910 km nach Santiago de Compostela"

Wegweiser vor dem Kloster Fischingen:
"1910 km nach Santiago de Compostela"

© Andreas Honisch, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Reisebericht von meiner Wanderung auf dem Jakobsweg durch die Schweiz. Gestartet bin ich in Kreuzlingen und nach 2 Wochen in Genf angekommen.
Details:
Aufbruch: 08.06.2003
Dauer: 14 Tage
Heimkehr: 21.06.2003
Reiseziele: Schweiz
Der Autor
 
Andreas Honisch berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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