12 (?) Monate in Benin - ein Leben in einer anderen Welt

Reisezeit: Oktober 2007 - Oktober 2008  |  von Johanna Hoffmann

Weihnachtsferien 28.12.-06.01.

Am 28.12. bin ich nach Porto Novo, der Hauptstadt des Landes, gefahren. Östlich an der Küste entlang, keine 45 Automin. von Cotonou entfernt. Zusammen mit Fortune, der Cousine von Maman. Sie ist normalerweise in Cotonou am Campus und ist jetzt heimgefahren, ihre Eltern besuchen. Ich habe mich dort richtig wohl gefühlt. Es waren nämlich alles zu Hause, die großen Brüder von 22 und 25 Jahren, und der 26jährige Cousin. Perfekt für die Johanna, die hier einen Entzug an Kumpels hat. (Kontakt zu Jungs ist einfach generell schwer, weil sie früher oder später alle das Eine wollen und das nur wegen meiner weißen Haut. Das ist mir zu blöd, deswegen gehe ich mit dem männlichen Geschlecht generell auf Abstand) Auch sind ihre Eltern ganz anders als die Eltern hier. Man redet normal mit seinen Kindern anstatt ihnen nur Befehle zu erteilen und man ist eine richtige Familie. V.a. sind sie interessiert und offen für das, was ich ihnen erzählen kann. Man merkt das gleich. Und obwohl alles noch etwas ländlich ist bei ihnen, sprich Plumpsklo draußen im Hof und Brunnen zum Wasserschöpfen, sind sie in vieler Hinsicht doch weiter als meine Leute hier. Welcome z.B., der 22jährige, lebt seit 2 Jahren in Accra, Ghana. D.h. diese Familie hat mal die Grenze überschritten, sowohl geistig als auch reell. Das hat mir sehr gut getan. Auch weil wir ständig unterwegs waren, ich alles in Porto gesehen habe was es zu sehen gibt. Alles. Sogar den König von Porto Novo. Das ist nicht immer so einfach, auf jeden Fall muss man ein kleines Geschenk machen (sprich Geld), wenn man die Könige sehen will. Und Beziehungen haben, sonst kann man es gleich vergessen.

Es gibt ja hier noch viele Könige. Calavi hat auch einen. Und dann hat jedes Viertel von Calavi noch mal einen. Das ist eine Tradition, die so weitergeht. Weil es den Leuten wichtig ist. Aber im Endeffekt hat der König nichts zu sagen. Es macht was her, wenn es bei einer offiziellen Feier erscheint, aber ansonsten hat er keine Macht in dem Sinne. Einer meiner Kumpels von SOS ist gut befreundet mit dem König von Calavi. Also, man sieht, dass das alles (in den Augen desjenigen, der nicht daran glaubt und es somit objektiv beurteilt) relativ ist.
Naja, jedenfalls hatten wir eine Audienz beim König, Dè GBÈZÉ Agnontonmè Toffa IX von Porto Novo. Er wurde erst am 28.12. inthronisiert, sprich 2 Tage vor unserem Besuch. Die Krönungszeremonien waren noch in vollem Gang. Die Königin irgendwo im Palast versteckt, die darf erst nach Beendigung der Zeremonien herauskommen. Der König selbst war vor seiner Krönung am Hafen von Cotonou tätig. In der Verwaltung. Ist recht jung, höchstens 30 Jahre alt. Und er hat mich gleich um meine Adresse und Kontakte in Deutschland gebeten, damit man Beziehungen zur Erhaltung des Palastes und der Kultur in Porto entwickeln kann. Er hat also was im Kopf, der gute Mann.
Die Könige von Porto... Seit dem letzten König, Roi Toffa I, der in der Geschichte um Proto in Bezug auf die Kolonialisten eine wichtige Rolle gespielt hat, heißen alle Könige "Toffa" und dann eben ihre Nummer. Das "Dè" am Anfang bedeutet so viel wie "Majestät". Der Name ist gewählt, er hat meistens eine Bedeutung. Der bürgerliche Name wird abgelegt und ist ab der Inthronisierung ungültig. Leider haben wir vergessen zu fragen, was "GBÈZÉ Agnontonmè" bedeutet. Im alten Königspalast von Porto, den man als das sogn. Musée Honmè (auf Gun, der Sprache der Portonoviens) , sprich Musée Palais (Palastmuseum), besichtigen kann, wurden uns von der Führerin auch ein paar nette Kleinigkeiten erzählt. Z.B. hat der König nie gegessen, denn er ist ja eine Art höheres Wesen. Man sagte bei ihm: "Il adore l'assiette.", was übersetzt soviel bedeutet wie "Er verehrt den Teller." Auch wäscht er sich nicht, sondern er "genießt das frische Nass". Nett, oder? Die Wahl des neuen Königs nach dem Tod des alten wird durch den Fa, das Mirakel, entschieden. Da muss der Bokonon, der Fa-Priester, eine Zeremonie machen und Fragen stellen und dann wird ihm die geeignete Person gewiesen. Das wird auch heute noch so gemacht.

Was man in Porto Novo auch viel sieht, sind Motos, die in Tankwägen transformiert wurden. Also, man nehme ein Moto und schweiße rings rum, oben unten, links, rechts und auch vorne Metallkanister dran. Das ganze ist dann ein einziger riesiger Tank, über einen Meter hoch, auf dem man drauf sitzt und sich nach unten beugt, um den Lenker noch bedienen zu können. Das ist echt der Abschuss.
Außerdem laufen viele Leute mit "Ballack"-Trikots herum. Nicht, weil es Fans sind, sondern weil ihnen die Farben gefallen und es wohl billig ist. Das ist das Praktische daran, wenn keiner eine andere Sprache versteht als die eigne: Wenn auf deinem Shirt steht "I'm a bitch" wird dich keiner dumm anreden, weil sie es nicht verstehen - genauso wenig wie du selbst weißt, was du da auf deiner Brust durch die Gegend spazierst.

Am 31. Haben wir bis um 6 Uhr morgens getanzt, auf der Terrasse. Nur Fortune, Welcome und ich. Die Mutter saß am Feuer und hat noch gekocht und irgendwann sind wir ins Bett gefallen. Kein Anstoßen um Mitternacht, kein Feuerwerk, kein nichts. Trotzdem hab ich mich selten so amüsiert an Sylvester wie dieses Jahr.
Am 01.01. bin ich dann zurück nach Cotonou. Welcome hat mich begleitet, weil sie alle Angst hatten, es würde was passieren. Die Leute fahren hier eh wie Sau, und dann noch am Neujahrstag... Tatsächlich hat die Fahrt auch nur ne knappe halbe Stunde gedauert, weil der betrunkene Fahrer ein bisschen gerast ist 
In Cotonou bin ich dann bei Mireilles Familie geblieben. Die leben in einem dieser typischen Höfe, die man beim Gedanken an Afrika im Kopf hat. Ein großer Hof mit Brunnen in der Mitte, mehrere Familien, alle Türen offen und jeder ist bei jedem zu Hause. Der Kinder gibt es so viele, dass man irgendwann gar nicht mehr hinterher kommt. Wir waren am Strand und auf dem Markt und ansonsten im Hof, denn da gibt es auch immer eine Beschäftigung. Das war auch richtig schön. Familiär. Gelassen. Die afrikanische Trägheit, Ruhe, gemischt mit der Arbeit und dem Eifer. Schwer zu begreifen, unmöglich zu beschreiben, wunderbar zu beobachten und zu erleben.

Am 02. waren wir in Ouidah, mit Ghislain, einem Freund von Welcome, der ebenfalls in Ghana wohnt. Ouidah ist neben Abomey die geschichtsträchtigste Stadt in Benin. Falsch. Es sind sehr sehr viele Monumente und Statuen und so erhalten geblieben, so rum. Z.B. "la porte du non retour". Das ist ein großes Tor am Strand, das 1995 vom damaligen Präsidenten und der UNESCO errichtet wurde zum Gedenken an die Sklavenverschleppung. Oder der Schlangentempel, bzw. Pythontempel. Schade war dort, dass der Führer nichts wusste. Er ist Voodoo-Anhänger und somit interessiert ihn von wissenschaftlicher oder biologischer Seite her nichts. Das Alter der Schlangen? Die Anzahl der Schlangen? Nichts wusste er. Aber eine Python um den Hals zu haben war trotzdem ein tolles Erlebnis. Die Dinger sind schön. Wirklich. Ansonsten werde ich noch mal nach Ouidah fahren, weil alles etwas chaotisch was und wir ohne Führer unterwegs waren. Sprich ich habe nur die Hälfte aller Sachen gesehen und das noch ohne geschichtliche Erklärungen.

Am 03. sind wir zurück nach Calavi, da die Ferien sich dem Ende neigten. Am Freitag war ich bei Radio ado fm von Cotonou. Ein Onkel arbeitet dort und da hat er mich rumgeführt. Die Station ist im ehem. Olympiastadion. Im Prinzip wurde das komplette Stadion transformiert in Büros. Naja, die Visite war nicht so spannend, aber immerhin habe ich jetzt mal eine beninische Radiostation von innen gesehen. Abends war eine soirée dansante (Tanzabend) bei SOS, von Rufin organisiert. War ganz nett, bin irgendwann um 4 Uhr morgens heimgekommen. Das erste Mal nachts unterwegs. Juhuuuu!! Das Wochenende habe ich dann eher ruhig gehalten, habe Mensah besucht und ansonsten meine Wohnung geputzt. Ein Überraschungsbesuch von Judi und seinen Kumpels. Das hast mich gefreut. Einer von ihnen fragt zur Begrüßung immer: "La vie est belle?!"

© Johanna Hoffmann, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Endlich wird ein Traum wahr: Mama Africa, ich komme!! Für voraussichtlich 12 Monate werde ich in Abomey leben, davon 6 Monate in einem SOS Kinderdorf, die anderen 6 in einem Krankenhaus ein freiwilliges Praktikum machen.
Details:
Aufbruch: 07.10.2007
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: Oktober 2008
Reiseziele: Benin
Ghana
Der Autor
 
Johanna Hoffmann berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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