12 (?) Monate in Benin - ein Leben in einer anderen Welt

Reisezeit: Oktober 2007 - Oktober 2008  |  von Johanna Hoffmann

1. Woche Accra, Ghana 19.-25.01.08

Mal ein bisschen andere Luft schnuppern, hat sich die Johanna gesagt. Davon profitieren, dass der große Bruder (einer meiner beninischen grands frères) seit 4 Jahren in Accra, der Hauptstadt Ghanas lebt. Die Koffer gepackt und losgedüst.
Naja, also, dass ich nicht sofort gedüst bin ist ja aus dem letzten Bericht bzgl. Botschaft schon klar geworden. Als das dann geregelt war habe ich den Kumpel von Ghislain, Aubin, kontaktiert. Der hat dann seinerseits die Abfahrt immer weiter nach hinten verschoben. Mein Brüderchen Welcome (besagter großer Bruder) hat mich schon ungeduldig von Accra aus mit SMS bombadiert. Die Kommunikation ist da nicht teuer und sehr billig. Billiger als in Deutschland, wohingegen Benin ja ziemlich auf einem Level steht mit Deutschland, bei Anrufen sogar teurer ist.
Naja, an einem mehr oder weniger schönen und Dank dem Harmattan ungeheuer kaltem Samstag Morgen gings dann los. Um 6Uhr war ich mit Aubin verabredet. Noch nie habe ich die Straße und Calavi SO LEER gesehen. Das war richtig komisch. Kein einziges Zém, Taxi, nichts. Und dabei wird es da schon langsam hell... Mit Aubin sind wir dann an den verabredeten Treffpunkt mit unserem Taxi gegangen, dass uns bis über die Grenze Togo-Ghana bringen sollte. Weil Aubin irgendwelche lebenden Dinger dabei hatte (ich glaube Fische, aber er wollte mir das nicht präzisieren) und die quasi schmuggeln musste. Nun muss man, an der Grenze angekommen, als Beifahrer das Auto verlassen und zu Fuß überqueren. Nur der Fahrer bleibt im Auto. Das fand ich zunächst sehr komisch, aber im Nachhinein ist es einleuchtend. Man muss nämlich zuerst in Benin (bzw. im Ausreiseland) einen Stempel abholen, dass man das Land verlässt. 100m weiter an der togolesischen Grenze muss man dann einen Visumsantrag ausfüllen und alles Reden und Bitten, dass man kein Visum für eine Woche braucht sondern nur für den Transit hilft nichts - es gibt nämlich kein Transitvisum. Das wurde mir mit einem Augenzwinkern so erklärt, dass die Togolesen wollen, dass man das 1wöchig Visum ausnützt und doch das eine oder andere Geld im Land lässt. Also Visum und Einreisestempel. Das ganze dauert so seine Weile und sämtliche Taxifahrer werden ungeduldig und fahren dir teilweise sogar fast vor der Nase weg (mit deinem Gepäck im Kofferraum). Dabei ist die Prozedur nicht weiter schwierig, nur die Grenzbeamten interessieren sich recht wenig für ihre Arbeit. Das kann bedeuten, dass sie mit deinem Pass in der Hand mal schnell Kaffee holen gehen oder den neuesten Klatsch anhören und dann vergessen haben, dass sie alle Fragen schon gestellt haben und die Hälfte des Blattes schon ausgefüllt haben und dann geht alles noch mal von vorne los. Am schlimmsten sind die Togolesen (das sagen auch die Afrikaner). Die lassen sich auch immer noch schmieren - allerdings nur von Afrikanern. Das war auch ein Gefühl: ausnahmsweise war ich die einzige, die wortlos passieren konnte und alle anderen wurden um Geld angequatscht. Aubin war auch ganz überrascht, dass er an der Grenze Togo-Ghana nicht schmieren musste für seine Lebewesen. Da hat er gleich seine Mutter angerufen und das lauthals rumgeschrieen, dass sein Schmuggeln erfolgreich war. Sie bringen mich schon oft zum Schmunzeln, meine Beniner...

Ja, die Reise war eigentlich in Ordnung. In Ghana angekommen gibt es direkt hinter der Grenze einen Bus, der für 50000 Cedis, bzw. nach der Währungsänderung 50 Ghana Cedis (ca. 4€) direkt nach Accra fährt. Und mit Bus meine ich hier einen Reisebus wie bei uns, also afrikanischer Komfort pur.
Ghana hat mich dann von Anfang an überrascht. Nachdem man zwischen Togo und Benin quasi keinen Unterschied erkennen konnte, hatte ich von Ghana ähnliches erwartet. Tja, falsch gedacht. Zuerst einmal ist Ghana riesig. Graslandschaft und Baobabs ohne Ende, soweit der Blick reicht. Dann sieht man hier, schon in den Grenzdörfern, kaum mehr die bunten Stoffe. Die Leute hier machen den "style américain", sprich Klamotten wie bei uns. Dann sieht man überall die Nationalfarben rot-gelb-grün. Überall: Telefonkabinen, Autos, Leitplanken, Hauswände, ... Klar, jetzt natürlich auch auf T-Shirts und Flaggen und Hupen und Hüten, weil ja die CAN (Coupe d'Afrique des Nations, afrikanische Fußballmeisterschaft) war und Ghana das Gastgeberland war. Aber abgesehen davon haben die Ghanaer einen ausgeprägten Nationalstolz und mangeln nicht, besagte Farben überall hinzumalen oder die Hymne zu singen oder dir einfach mal so erklären zu wollen, dass Ghana das Land der Länder ist.
Also, die Farben. Dann hat mich noch erstaunt, wie breit die Straßen hier bereits in den Dörfern sind und dass sogar ein weißer Mittelstreifen gezogen wurde!! Auch kann man ab und zu Straßennamen lesen. Ampeln sind sehr beliebt in Ghana, und auch notwendig. In Accra angekommen gibt es hauptsächlich 4spurige Straßen (für eine Richtung) , auch in der Innenstadt sind sie meistens 2spurig, und dennoch ist hier täglich Stau. Täglich. Und Stau heißt hier stehen. Wenn du um 8Uhr in der Arbeit sein musst dann fahr um 6Uhr bei dir weg. Dann hast du eine geringe Chance, pünktlich zu sein. Es gibt einfach unglaublich viele Menschen hier in Accra. Zu jeder Tages- und Nachtzeit wuselt es in der Stadt und im Umland. Das liegt nicht nur an der Migration der ghanaischen Bevölkerung, sondern auch an der Tatsache, dass Ghana anglophon ist. Ich habe z.B. in meinen knapp 3 Wochen quasi nur Francophone kennen gelernt. Alle kommen nach Ghana um Englisch zu lernen und dann ihr Studium zu beenden oder eine erweiterte Ausbildung zu genießen. Die Menschen in Accra unterscheiden sich vom ganzen Denken her schon extrem von denen in den Dörfern oder selbst denen in Cotonou, das ja seinerseits Hauptstadt ist. Einfach weil es eine Art Tor zur Welt darstellt, und das haben die meisten begriffen.

Also, Accra ist riesig. (Ich sage bewusst Accra, weil ich Ghana im Prinzip nicht beurteilen kann.) So viele Straßen, so viele Menschen, so viele Vororte... es ist am Anfang schwer, sich nicht zu verirren. Am Ende hat man das Prinzip raus und es ist einfach. Im Notfall kann man auch immer ei Taxi anhalten und dem Fahrer vertrauen, dass er den Ort kennt - und sich völlig verfransen, denn die meisten Taxifahrer kennen sich nicht aus. Das ist immer ein kleines Abenteuer. Zéms gibt es hier keine. Aber die billigere Alternative zu den persönlichen Taxis sind die Trotros, die Bustaxis. Das sind Busse die bei uns schon auf dem Schrott gelandet wären. 12- bis 18-sitzer, die eine bestimmte Route fahren. Man kann dann eben am Straßenrand warten und bei Bedarf einsteigen und bis zu seiner Haltestelle (es gibt sogar Haltestellen!!!) mitfahren. Das ist sehr billig, kann aber manchmal dauern, wenn der Bus nicht schnell voll wird.

In Accra angekommen sind wir dann mit Aubin, Ghislain und noch einem Kumpel, Michel, erstmal essen gegangen. Alloko und Adjeke. Ja, was sich dahinter wohl verbirgt?! Das sind frittierte Kochbananen und Maniokraspel. Sehr sehr lecker. Die Elfenbeinküstler essen nichts anderes und da die beiden Länder aneinander grenzen ist es auch in Ghana sehr bekannt und beliebt. Ich bin also gleich kulinarisch begrüßt worden.

Der Sonntag, mein erster Tag in Accra, war der Eröffnungstag der CAN. Die Stadt stand nicht still. Überall Musik und Tröten und Feiern und Hupen und es war unglaublich. Im Vergleich dazu war bei der WM 2006 in Regensburg ja mal tote Hose!! V.a. die Tage an denen Ghana spielte... unglaublich. Man hat auch ab Anpfiff kein Taxi mehr gefunden, weil sie alle in irgendeiner Kneipe saßen und Fußball guckten. Das war wirklich ein Erlebnis!!! Die Ghanaer können feiern bis zum Abwinken. Das liegt auch daran, dass sie Übung haben. Ghana ist aufgrund seiner Gold- und Kakaoquellen nicht gerade arm. Das Land hat Geld, die Bevölkerung ebenso. Hier kann man es sich leisten, abends feiern zu gehen. Es gibt Nachtclubs und Discos und Bars und Billardkneipen und Restaurants und noch viel viel mehr. Und die sind praktisch immer gefüllt. Die Bevölkerung gibt aus, das kurbelt die Wirtschaft an und das Angebot wird noch besser. Ich sag euch, ich habe die ersten Tage ständig gesagt: "Ich glaub ich bin in Canada!" Nicht nur die Straßen und die Weite des Landes, sondern auch die Architektur, die Lebenseinstellung, die Lebensart. Das ist der Wahnsinn. Vergleich zu Benin unmöglich weil sich die beiden Länder in nichts gleichen. Was an Accra allerdings ungemein stört ist der Gestank. Die Kanalisation verläuft am Straßenrand und ist nicht abgedeckt. Sprich man spaziert entlang des Abwassers sämtlicher Häuser und kann sich in aller Ruhe anschauen, was es bei Hansens zum Mittagessen gab und was Meiers sonst noch so ins Klo gekippt haben. Dazu kommt, dass die Leute alles, und wirklich ALLES einfach auf die Straße schmeißen. Nicht mehr gebrauchte Klamotten, Essensreste, Plastiktüten, alles. Der ehemalige Präsident legte sehr viel Wert auf Sauberkeit. Mir wurde erzählt, dass alle 200m eine Mülltonne stand und wenn man erwischt wurde, wie man etwas einfach so auf die Straße und nicht in den Abfall schmeißt, musste man Strafe zahlen. Das Land war sauber. Der jetzige Präsident, John Kufuor, ist seit 7 Jahren im Amt (Dezember 2008 sind die Neuwahlen) und er hat sich andere Schwerpunkte gesetzt. So sieht man quasi keine einzige Mülltonne mehr und das Land ist wieder dreckig und stinkt. Die Bevölkerung beschwert sich, ändert aber ihr Verhalten nicht. Ohne gemein sein zu wollen, in meinen Augen ein typisch afrikanisches Verhalten: Den Fehler sehen, vielleicht sogar einsehen, aber trotzdem einfach weiter machen.

Auch ist mir hier aufgefallen, dass die Leute mich eigentlich nicht weiter beachten. Wie ich hier ständig das "Jovo, Jovo, bonsoir...." Zu hören kriege, so hat es in Accra eine Woche gedauert, bis ich das Wort in Twi (auch Ashanti genannt) für "Weiß" überhaupt kannte. Das liegt auch mit an was ich vorhin erwähnt habe, dass es einfach viele verschiedene Nationalitäten gibt in Accra und quasi jeder 2. der deinen Weg kreuzt, nicht Ghanaer ist. Da macht die Hautfarbe dann auch keinen Unterschied mehr. Ich habe das als sehr angenehm empfunden muss ich gestehen.

In meiner ersten Woche Accra habe ich täglich neue Leute kennen gelernt. Mit denen waren wir dann unterwegs, hauptsächlich abends. Ansonsten habe ich nicht viel gemacht, sprich touristenmäßig. Ich bin eine zeitlang eingetaucht in das Leben der Studenten in Accra. Da grade Semesterferien waren, war das Leben äußerst angenehm.

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mit den Jungs unterwegs (rechts oben is mein Bruder Welcome)

mit den Jungs unterwegs (rechts oben is mein Bruder Welcome)

© Johanna Hoffmann, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Endlich wird ein Traum wahr: Mama Africa, ich komme!! Für voraussichtlich 12 Monate werde ich in Abomey leben, davon 6 Monate in einem SOS Kinderdorf, die anderen 6 in einem Krankenhaus ein freiwilliges Praktikum machen.
Details:
Aufbruch: 07.10.2007
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: Oktober 2008
Reiseziele: Benin
Ghana
Der Autor
 
Johanna Hoffmann berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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