Rundreise Kyushu und Yakushima - Japan

Reisezeit: Oktober 2009  |  von Klaus Möller

Hitoyoshi

Schon bringt uns die Bahn zurück zum Hafen und wir setzen mit der Fähre nach Kumamoto über. Hier nehmen wir den Zug über Yatsushiro nach Hitoyoshi. Nach Hitoyoshi führ eine Bimmelbahn, lediglich ein Wagen. Und spätestens jetzt bin ich mir sicher, das Dracula ein Japaner sein muss. Und ganz Japan ist mit vielen Vampiren durchdrungen. Egal ob Bus ob Bahn, sobald nur ein Anzeichen von einem Sonnenstrahl zu erahnen ist, sofort wird die Gardine vorm Fenster zugezogen oder das Rollo heruntergezogen. Die Japaner scheuen die Sonne wie ein Vampir. So ist es auch in der Bimmelbahn nach Hitoyoshi. Nicht nur, dass wir zunächst nichts von der wunderschönen Landschaft sehen, es ist auch ein Problem, dass wir die Stationsschilder nicht erkennen. Je Bahnhof gibt es nur ein Schild mit dem Namen der Station. Verpasst man dieses, könnte man ein Problem bekommen. Wir sind jedoch immer richtig ausgestiegen. Bemerkenswert auf der 1 ½ stündigen Fahrt nach Hitoyoshi ist, dass nur in Yatsushiro Leute einsteigen. An den Haltebahnhöfen zwischendurch steigen nur Leute aus, keinen neuen Fahrgäste kommen hinzu.
Meine erste Handlung ist es, das Rollo an unserem Fenster zu öffnen. Es ist eine beeindruckende Fahrt durch ein enges Tal. In der Mitte schlängelt sich der noch ursprüngliche Fluss mit vielen Felsen im tiefblauem Wasser. Auf beiden Seiten des Tals beginnen sofort die steilen, bewaldeten Hänge der Berge. Nur für die Straße und die Bahnschienen ist noch Platz. Der Zug kämpft sich das stetig ansteigende Tal hoch und es scheint mir, dass es sich um eine Stichstrecke handelt, die in den Bergen endet. Aber so ist es dann doch nicht. Eine bezaubernde und lohneswerte Strecke.

Auch in Hitoyoshi wohnen wir in einem stilvollem Ryokan, dem Hitoyoshi-Ryokan. Eine Unterkunft, bei der einfach alles perfekt ist.
(Ein Ryokan (wörtlich: Reisegasthaus) ist ein traditionell eingerichtetes japanisches Hotel. Die Zimmer sind typisch japanisch gestaltet: Die Böden sind mit Tatami-Matten ausgelegt, die Schiebetüren (Shoji) mit Washi bespannt und im Zimmer ist einen kleiner, leicht erhöhter Bereich, der Tokonoma genannt wird und in dem ein Blumengesteck stehen oder eine Kalligraphie hängen kann. Häufig gibt es auch eine Veranda, die mit Schiebetüren vom Zimmer abgetrennt werden kann und die oft nach außen verglast ist.
In einem Ryokan gibt es normalerweise ein großzügiges Gemeinschaftsbad (Onsen) und Aufenthaltsbereiche, die von allen Gästen genutzt werden können. Die Schuhe werden am Hoteleingang ausgezogen, wobei meist ein Angestellter diese entgegennimmt und wieder aushändigt. Im Ryokan werden die vom Hotel bereitgestellten Hausschuhe getragen. Es ist auch möglich, den bereitgestellten Yukata im Haus und außerhalb zu tragen.Wenn man ein Zimmer in einem Ryokan bezieht, steht im Raum normalerweise lediglich ein etwa 30 cm hoher Tisch, auf dem zum Empfang meist grüner Tee und für die Region typisches Gebäck oder eine entsprechende Süßigkeit bereitstehen. Auch das Abendessen und das Frühstück wird oft hier serviert, in einigen Fällen jedoch auch im hauseigenen Restaurant oder Speisezimmer. Die Mahlzeiten sind traditionell japanisch und normalerweise sehr üppig.
Nach dem Essen wird der Tisch von Bediensteten in einen Nebenraum gestellt und die Futons auf den Tatami-Matten als Nachtlager ausgebreitet. Am Morgen werden sie wieder entfernt.)

Die Lage am Fluss, ein uralter Shinto-Schrein mit einer roten Bogenbrücke in direkter Nachbarschaft zum Ryokan - so stelle ich mir Japan vor. Die Hausherrin, eine Koreanerin, findet durch ihre englischen Sprachkenntnisse und ihre erfrischende Art einen schnellen Zugang zum Gast. Das Abendessen wird uns auch hier von einer lieben Japanerin auf dem Zimmer serviert; auch hier nehmen die Speisen kein Ende. Es scheint, als ob endlos aufgetischt wird. Und bei jeder Speise, die sie uns ins Zimmer bringt, verbeugt sie sich auf Knien vor uns. Sie freut sich, dass ich etwas Japanisch spreche und ist äußert geduldig mit mir und meinen "Sprachkünsten".

Am nächsten Morgen gehen wir - korrekt japanisch in dem Yukata gekleidet - in den Frühstücksraum. In dem großen, mit Tatamimatten ausgelegtem Raum stehen 10 japanische Tische mit Sitzkissen davor, auf denen Frühstück angerichtet ist. Obwohl mehrere Personen im Raum frühstücken, fühlen wir uns wie unter uns. Die übrigen Gäste bemerken wir kaum. In einer Ecke des Raumes sitzen zwei Bedienstete, um jeden Wunsch sofort zu erfüllen.
Nach dem Frühstück erkunden wir die Stadt. Zunächst besuchen wir den Eikokuji-Tempel. Das Besondere in diesem Tempel ist das Bild eines Geistes. Die Geschichte zu diesem Bild spielt in der Samuraizeit. Ein Samurai hatte neben seiner Frau eine junge Geliebte. Dies gefiel seiner Gattin gar nicht und sie machte der Geliebten das Leben schwer. Darauf nahm sich die Geliebte vor Gram das Leben und erschien aus Groll gegenüber der Gattin dieser seitdem als Geist. Dies ängstigte die Gattin sehr und fragte den Priester des Tempel was sie tun könne. Er nahm sich der Sache an und malte das Bild vom Geist. Als dieser das nächste Mal erschien, zeigte der Priester ihm das Bild. Der Geist war so erschrocken über sein hässliches Aussehen, dass er seitdem nie wieder erschien.

Danach besichtigen wir ein altes Samuraihaus. Auch hier hat uns ein Japaner mit Freude durchs Haus geführt, als er merkte, dass ich wenige Worte Japanisch spreche. Viel verstehen wir nicht, aber es ist immer wieder ein Erlebnis, mit wie viel Freunde und Engagement die Japaner Fremden ihre Sehenswürdigkeiten erklären möchten.

Ein weiterer Höhepunkt der Stadt war eine Shochu Distillery.
Shochu ist ein hochprozentiges, durch Destillation gewonnenes alkoholisches Getränk, das traditionell in Japan hergestellt wird. Seine Herstellung wurde aus China oder Korea nach Japan eingeführt. Die Heimat von Shochu in Japan befindet sich in Kagoshima auf der Insel Kyushu. Im Englischen Sprachraum wird er oft als "Japanischer Wodka" bezeichnet. Die meisten Sorten haben um 25% Alkohol, einige auch bis zu 43%. Der destillierte Shochu ist nicht zu verwechseln mit Sake, einem ebenfalls unter Einsatz von Koji hergestellten, aber nicht destillierten Reiswein. Jedoch bedeutet Sake im Süden von Kyushu Kartoffelshochu (Imojochu).)

Wir betreten den Fabrikhof und schon ruft uns ein Angestellter zu sich und fordert uns auf, uns in eine Liste einzutragen. Schon bald erscheint eine nette Frau, die uns die Produktion von Shochu erklärt und die Produktionsanlagen erläutert. Natürlich wieder alles auf Japanisch. Und auch hier verstehen wir kaum ein Wort, aber gerade deshalb gibt es auch wieder viel zu lachen. Die Führung endet - wie kann es anders sein - in einem Verkostungsraum, in dem wir Shochu ohne Ende kosten dürfen. Nach drei Gläschen brechen wir die Probe ab, der Tag ist ja noch jung. Wir probieren auch einen Fruchtlikör, der ähnlich wie Pflaumenwein schmeckt. Es kann uns jedoch keiner sagen, welche Frucht zu diesem Likör verarbeitet wird. Doch schon bald kommt eine Angestellte mit einen Handy, auf dessen Display die Übersetzung des japanischen Wortes auf Englisch steht. Zur Herstellung wird die Beafsteakflower verwendet, was das auch immer für eine Blume sein mag. Japanische Handys sind wohl Alleskönner. Ein Japanisch-Englisches Wörterbuch scheint Standard auf jedem japanischen Handy zu sein.

Schon ziehen wir weiter und schauen uns die Reste der Hitoyoshi-jo, der Burg von Hitoyoshi an. Es muss einmal eine imposante Anlage gewesen sein. Nach einer Rast überqueren wir den Fluss und sieh da: Auf der anderen Flussseite entdecken wir ein herrliches Cafe. Hier kehren wir sofort ein und legen bei Matcha und Okashi gleich wieder eine Pause ein.
(Matcha ("gemahlener Tee") ist ein zu feinstem Pulver vermahlener Grüntee, der in der japanischen Teezeremonie verwendet wird. Er hat eine intensive, grüne Farbe und schmeckt leicht herb. Der für Matcha vorgesehene Grüntee (Tencha) wird von Teesträuchern geerntet, die in der Regel vier Wochen vor der Ernte beschattet werden. Dadurch entsteht ein extrem delikates, dunkelgrünes Blatt. Matcha hat einen lieblichen, süßlichen Geschmack. Nach der Ernte werden die Teeblätter gedämpft, getrocknet und anschließend in Steinmühlen zu feinem Pulver gemahlen.
Matcha wird ausschließlich in Japan produziert. Um rund 30 Gramm Matcha-Pulver zu produzieren, benötigen die traditionellen Granitsteinmühlen eine Stunde. Matcha gilt als besonders edle Teesorte und ist entsprechend teuer.)
Von unserem Platz haben wir einen wunderbaren Ausblick über den Fluss auf die Reste der Burg.

Nun ist diesem Cafe auch eine Galerie mit wunderbaren getöpferten Waren angegliedert. Mir haben es die Teetassen angetan. Aber eigentlich ist die Teetasse, aus der ich getrunken habe, die schönste. Es braucht viel Überredungskunst, bis mir die Tasse verkauft wird, aus der ich getrunken hatte. Es ist der Verkäuferin wohl unangenehm, eine gebrauchte Tasse zu verkaufen. Dafür habe ich sie ein Drittel günstiger bekommen.

Eine Stadtbesichtigung macht auch hungrig. Und schon sitzen wir mit einer Sushibox vor einem Geschäft auf einer Bank. Zu unserer Überraschung kommt die Geschäftsinhaberin heraus und bringt uns zwei Gläser Tee. Kurze Zeit später erscheint sie erneut, schüttet nochmals Tee nach und schenkt uns süße Esskastanien als Nachtisch. Ich meinte zu Thomas, sie müsse nun nur noch kommen und uns den Müll abnehmen. Und schon steht sie kurze Zeit später mit einer Mülltüte vor uns. Japaner können so unheimlich freundlich und hilfsbereit sein.

Als Höhepunkt unserer Tour durch Hitoyoshi haben wir uns den Aoi Aso Schrein (einem Nationalschatz der Japaner) aufgespart. Der jetzige Schrein stammt aus dem Jahre 1609. Besonders an den Gebäuden sind dekorative Motive und Verzierungen, die man nur in dieser Gegend findet und daher auch "Hitoyoshi-Stil" genannt werden. Dies sind z.B. verschiedene Masken, die Freude, Ärger, Traurigkeit und Glück repräsentieren.

Bevor wir zum Abendessen gehen, schauen wir noch bei dem japanischen Glockenspiel auf dem Bahnhofsvorplatz vorbei. Das Glockenspiel ist in einem Nachbau einer japanischen Burg untergebracht. Jede Stunde öffnen sich die Fenster der Burg und es werden verschieden Szenen aus der Samuraizeit gezeigt z.B. grimmig aussehende, trommelnde Samurais.

© Klaus Möller, 2010
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Im Oktober habe ich eine dreiwöchige Reise durch Kyushu gemacht: Stationen: Himeji (Honshu), Nagasaki, Imari, Okawachiyama, Unzen, Shimabara, Hitoyoshi, Kogoshima, Sakurashima, Yakushima, Ebino-Kogen und Aso.
Details:
Aufbruch: 04.10.2009
Dauer: 3 Wochen
Heimkehr: 24.10.2009
Reiseziele: Japan
Der Autor
 
Klaus Möller berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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