Toskana alpin: So kennt man sie weniger (Apuanische Alpen)

Reisezeit: Juni / Juli 2018  |  von Kathrin Hentzschel

Michelangelo auf der Spur, und der Pfarrer pfeift

Die Schwalben haben 4 Junge, und die Eltern sind ununterbrochen im Einsatz. Manchmal treffen sie sich auf der Stromleitung vor dem Haus und rufen sich zu: „Du fliegst hoch zum Futterholen, ich runter. Wenn die nur nicht solchen Hunger hätten. Keine Pause ist einem gegönnt.“ Oder so.

Eine ältere Dame, nur unzureichend rasiert, pink gekleidet und mit Gipsarm, begrüßt uns fröhlich („‘Tschorno!“) und weiß natürlich, wem unser Häuschen gehört.

Auf einem Spaziergang rund ums Dorf Fabiola (in Urbans Verballhornung) besichtigen wir alte Marmorabbaustätten, und wir lernen, dass dieser Marmor schon vor hunderten von Jahren sehr begehrt war. Michelangelo haben wir es zu verdanken, dass die Gegend wegbar und für den Abbau vorbereitet worden war. Daher bestehen hier alle Fensterbänke, Tischplatten oder Treppen aus dem typischen taubenblauen Marmor; sogar für ein Operngebäude in Florenz wurde er verwendet. Und man findet ihn in der kleinen Kirche im benachbarten Cappella, wo der Pfarrer pfeifend in Sandalen durch sein Reich latscht und uns gemessen-fröhlich grüßt. Rund um die Kirche findet jährlich ein Sommerkurs im Bildhauen statt; das einzige Geräusch neben dem Ratschen der Zikaden ist das Klimpern der Hämmerchen auf Stein.

Kunst am Bau.

Kunst am Bau.

Kunst in der Landschaft.

Kunst in der Landschaft.

Kunst am Briefkasten.

Kunst am Briefkasten.

Noch mehr Kunst.

Noch mehr Kunst.

Und ein Blick aufs Meer.

Und ein Blick aufs Meer.

Später fahren wir die 80 Kurven runter nach Forte dei Marmi und mischen uns ins Strandleben in einem der wenigen Abschnitte, in denen man nicht bezahlen muss. Keine gute Idee an einem Sonntagnachmittag. Es ist heiß, voll und laut, das Wasser badewannenwarm und es gibt viel zu sehen. Italienisch eben.

Den Abend verbringen wir im Dorf unterhalb (Griezmann in Urbans Diktion), wo es eine Pizzeria gibt, nach deren Erzeugnissen uns gelüstet. Und wieder sind wir pünktlich – gerade rechtzeitig zu den Klängen der kroatischen Nationalhymne. Dem Fernseher, der pflichtschuldig läuft, wird wenig Bedeutung beigemessen; schließlich findet die WM für Italien nicht statt.

Stattdessen treffen immer mehr Leute ein, die hier ihr sonntägliches Abendessen einzunehmen gedenken. Zwanglos und wie ein Rudel hungriger Katzen bewegen sie sich von der Terrasse in den Barraum ins Hinterzimmer und wieder raus, debattieren, scherzen, trösten weinende Babys. Unsere Pizzen sind köstlich, und im Laufe des spannenden Spiels, das sich bis zum Elfmeterschießen dehnt, fachsimpeln wir mit den Einheimischen, so gut es geht, und fiebern gemeinsam bis zum hart verdienten Sieg der Kroaten über die Wikinger. Weil ich so viel Bier trinken muss, ist unsere Rechnung ebenfalls verdient hoch.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Geheimtipps sind doch immer die besten, vor allem, wenn sie über ein paar Ecken kommen, die Quellen aber verlässlich sind. So hatten wir die Gelegenheit, zwei Wochen in einem Haus von Freunden von Freunden zu verbringen – in der Toskana. Wer nun an sanft geschwungene Hügel mit Zypressen und Olivenhainen denkt, irrt. Unser Ziel war die Alta Versilia, und das „Hoch“ ist wörtlich zu nehmen. Die Alta Versilia markiert den Übergang zu den Apuanischen Alpen.
Details:
Aufbruch: 30.06.2018
Dauer: 15 Tage
Heimkehr: 14.07.2018
Reiseziele: Italien
Der Autor
 
Kathrin Hentzschel berichtet seit 14 Jahren auf umdiewelt.
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