Abenteuer Amazonas

Reisezeit: Januar 2020  |  von Beatrice Feldbauer

Casa Fitzcarraldo

Zum Frühstück sind sie zurück. Eveline und Peter. Mit dem Motortaxi und dann mit dem öffentlichen Bus haben Davis und Angelica sie zurück gebracht. Zurück vom Besuch bei der Schamanin, zurück nach einer intensiven und eindrücklichen Nacht.

Spontan laden sie Davis und Angelica zum Frühstück ein. Davis ist Guide, hat schon oft Gäste hier im Hotel abgeholt, aber weiter als bis zum Eingang ist er noch nie gekommen. Also hat er auch den Pool und den Garten, der fast wie ein Dschungel aussieht, noch nie gesehen. Er staunt. Das hat er sich nicht so vorgestellt, auch wenn er schon oft davon gehört hat. Wie wäre es, wenn wir ihn mit seiner Familie heute Nachmittag zum Baden einladen würden?

Die beiden sind ziemlich überwältigt, das hätten sie nie erwartet. Sie brauchen etwas Zeit, um mit dem Bus zurück nach Hause zu fahren und dann mit den Kindern wieder herzukommen. Fast glauben wir, dass wir uns nicht richtig verstanden haben, dass sie vielleicht nicht heute kommen. Doch dann stehen sie plötzlich wieder da. Mit ihren zwei Buben und dem Mädchen. Veronica, Handy und der kleine David haben noch nie einen Swimming Pool gesehen. Und auch für Davis ist es das erste Mal, dass er in einem Pool schwimmen darf. Anglica hat wie viele Leute hier kein Badekleid, aber sie behilft sich mit einem Tshirt und Shorts.

Es wird ein wunderbarer Nachmittag. Die Kinder geniessen nach anfänglicher Scheu das Wasser, wenn auch der jüngste, David etwas fröstelt, das Flusswasser ist wärmer, als der Pool, der sogar extra gekühlt ist. Es ist der einzige Pool, den ich kenne, der gekühlt ist, damit er nicht an heissen Tagen zu einer warmen Badewanne wird.

Das Casa Fitzcarraldo ist ein ganz spezieller Ort. Eigentlich ein Wohnhaus etwas ausserhalb des Zentrums, das Walter Saxer für die Filmcrew gekauft hatte. Walter ist Schweizer und war der Produzent von Filmen wie Fitzcarraldo oder Aquirre. Hier waren die Schauspieler wie Klaus Kinski, Claudia Cardinale und Mick Jagger untergebracht. Zugegeben, Jagger spielt in dem Film Fitzcarraldo nicht mit, aber er war für eine Rolle vorgesehen, musste aber aufgeben, weil sich die Aufnahmen immer wieder verzögerten und er mit den Stones auf Welttournee ging.

Es ist schon eine spezielle Vorstellung, im Bett zu schlafen, in dem schon Mick gelegen hat. Obwohl der sich, wie Walter sagt, gern die Nächte in den Bars von Iquitos um die Ohren geschlagen hat. Das war vor 40 Jahren, der Film kam 1982 auf den Markt und ist zu einem Kultfilm geworden.

Walter muss sich in die Stadt verliebt haben, obwohl er das natürlich nie zugeben würde. Oder wenigstens in das Haus, jedenfalls ist er hier geblieben. Die Zimmer wurden zu Hotelzimmern, eine Mauer um das Grundstück gezogen. Draussen entwickelte sich die Stadt weiter, die Slums ziehen sich inzwischen bis hierher. Aber drinnen ist die Zeit stehen geblieben.

Es gibt nur wenige Zimmer, aber jedes ist individuell gestaltet. Zusätzlich gibt es einen Anbau hinter der Mauer, in dem zwei Studios eingebaut wind. In einem bin ich untergebracht. Es besteht aus zwei Etagen. Unten ein Zimmer mit zwei Betten und einem grossen Tisch, dazu Dusche/WC und eine kleine Küchenzeile, oben ein weiteres Zimmer. Ich brauche nur die untere Etage. Solange das Hotel nicht komplett belegt ist, darf ich hier bleiben.

Nebenan ist noch einmal eine solche Kombination, dort sind im Moment Renovations-Arbeiten im Gang. Auch dem Haus würde nach all der Zeit eine Gesamtrenovation gut tun. Im Moment wird der Kinosaal umgebaut, der ebenfalls im Haupthaus untergebracht ist. Was daraus wird, werde ich wohl erst bei meinem nächsten Besuch herausfinden.

Vor ein paar Jahren hat Walter das gesamte Wassersystem erneuert, so dass jetzt aus jedem Hahnen Trinkwasser fliesst. Ein absoluter Luxus hier in Iquitos. Dafür gibt es im ganzen Haus keine Klimaanlage. Die Zimmer sind dank den vielen Bäumen rundum etwas dunkel und schattig und eher kühl. Ausserdem gibt es überall Ventilatoren an der Decke.

Wenn man durch das Tor tritt, glaubt man, in eine andere Welt einzutauchen. Ins Paradies. All die knatternden Mototaxis, die Iquitos zur lautesten Stadt machen, die ich kenne, bleiben draussen. Nicht dass man sie gar nicht mehr hören würde, aber die mit Pflanzen bedeckte dicke Mauer dämmt den Lärm sehr stark ein. Manchmal hört man nachts Musik von draussen, wenn die Bewohner in den blechbedeckten Holzhütten etwas zu feiern haben, doch das gehört zum Leben in Iquitos.

Walter sammelt Pflanzen, 20 Bäume hat er gepflanzt, die sich im Laufe der Jahre zu stattlichen Exemplaren entwickelt haben. Dazu kamen viele Büsche, Blumen, exotische Pflanzen. Verschiedenste Orchideen, die er eigenhändig an den Bäumen befestigt hat. Jetzt ist es ein exotischer Garten, der eine Unmenge an verschiedenen Pflanzen beherbergt. Heute habe ich sogar einen Kakaobaum entdeckt.

Blick vom Baumhaus

Blick vom Baumhaus

Die Krone setzt dem Ganzen das fünf-stöckige Baumhaus auf. Auch das Marke Eigenbau. Über Leitern und Bretter, durch die Astgabelung klettert man hinauf bis ganz oben, wo einen eine Hängematte erwartet, um den wunderbaren Ausblick bis zum Fluss und zur untergehenden Sonne gebührend zu geniessen. Man kann da oben auch ganz einfach den Nachmittag abhängen.

Rund um den Pool gibt es jede Menge schattige Ecken, Hängematten, Tische und Stühle auf zwei Stockwerken. In die oberen Etagen gelangt man über Leitern, ausser beim Aufbau, der erst vor ein paar Jahren entstanden ist, mit der Terrasse, auf der wir in den letzten Tagen immer gefrühstückt haben. Ausser im Baumhaus, wird überall serviert.

Der Ort ist eine Art Geheimtipp. Vor allem unter Jungen, die es sich leisten können. Gegen eine Gebühr von 10 Soles kann man den Pool benutzen und es sich in einer der Nischen bequem machen. Später wird man sich etwas zu Essen bestellen, ein paar Cola, Bier oder einen Krug frischen Fruchtsaft. So lässt sich das Leben geniessen. Die beiden Köche sind an heissen Tagen den ganzen Nachmittag voll beschäftigt und manchmal steht Walter selber am Grill.

Weil in Iquitos kaum jemand ein Auto fährt, braucht es auch keinen Parkplatz. Wer es sich irgendwie leisten kann, fährt ein Motorrad. Und so ist denn der Platz vor dem Haus überstellt mit Motorrädern. Und am Pool wimmelt es von jungen Menschen.

Viele Paare nutzen die Gelegenheit in den versteckten Nischen zu kuscheln. In einer Stadt in der Privatsphäre in den eigenen vier Wänden wegen den grossen Familien, die auf kleinstem Raum zusammen wohnen, sehr beschränkt ist und die Moral öffentliches Küssen nicht gern sieht, ist ein solcher Ort ein Paradies für junge Paare.

Vor allem an den Wochenenden herrscht hier Hochbetrieb, unter der Woche ist es ruhiger. Ich kann mir nicht vorstellen, in einem anderen Hotel in Iquitos einen Nachmittag am Pool zu verbringen. Die meisten sind steril zwischen Mauern eingequetscht und werden kaum benutzt.

Bevor ich das Haus kannte, habe ich in verschiedenen Hotels gewohnt, aber keines hat auch nur annährend dieses Flair, dieses Laissez-faire, diese Lockerheit. Am Nachmittag lässt Walter den ganzen Pool und die angrenzenden Tische mitsamt der Bar beschallen. Ganz im Stil von Fitzcarraldo mit Opernmusik. Oder internationaler Filmmusik. Das muss man mögen. Es gehört eben zu dieser ganz speziellen Atmosphäre.

Und genau hier verbringen wir mit der Familie von Davis heute einen wunderbaren Nachmittag. Mit einem späten Mittagessen, das schon bald als Nachtessen gelten kann. Ganz so wie es sich hier gehört.

Ein Festessen, ein wunderbarer Tag für alle geht zu Ende.

Ein Festessen, ein wunderbarer Tag für alle geht zu Ende.

Am Abend ist hier nichts mehr los

Am Abend ist hier nichts mehr los

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach vier Jahren kehre ich zurück nach Iquitos, wo ich mit Hilfe von Einheimischen eine Lodge geführt habe. Ich werde Freunde besuchen und freue mich auf neue Begegnungen.
Details:
Aufbruch: 04.01.2020
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 31.01.2020
Reiseziele: Peru
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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