Abenteuer Amazonas

Reisezeit: Januar 2020  |  von Beatrice Feldbauer

Ultimo dia

Heute ist auch für mich der letzte Tag. Und wie jedesmal kommt noch einmal die Frage, ob ich etwas verpasst habe, was ich unbedingt noch erledigen wollte. Noch einmal auf den Markt, ich war diesmal tatsächlich nur einmal dort.

Also fahre ich mit einem der Mototaxis, die immer vor dem Hotel stehen zum Hauptplatz, zur Bank und geniesse noch einmal den Fahrtwind im Gesicht, den wilden Ritt um die Schlaglöcher. Während ich in der gekühlten Halle ein letztes Mal ein paar Scheine aus dem Automaten ziehe, wartet mein Fahrer draussen. Er wartet auch geduldig, während ich noch einmal durch den Markt schlendere.

Es geht gegen Mittag, Die Stände mit Kleidern und Schuhen und all den Haushalt-Gegenständen bleiben den ganzen Tag offen, aber es hat nicht mehr viele Leute. In der Fleischhalle treffe ich auf Araceli, die wir bei unserem ersten Besuch kennen gelernt haben. Sie erinnert sich sofort an mich, dank Facebook weiss sie auch, was wir in den letzten Tagen in Iquitos unternommen haben.

Lass deine Freunde grüssen, lacht sie, und komm wieder nach Iquitos. Ihr Stand ist leer, sie hat ihre Poulets alle verkauft, jetzt muss nur noch geputzt werden, dann macht sie Feierabend für heute. Wird morgen ab sechs Uhr wieder hier sein.

Araceli

Araceli

Ich schlendere weiter, der Nase nach komme ich zu den Gewürzständen. Es riecht verführerisch nach Curry und Paprika. Farbige Gewürze werden offen verkauft. Sossen, Essig und Oele hängen in kleinen Plastiksäcklein in der Höhe. Zusammen mit Suppenwürfeln, abgepackten Kräutern. Daneben gibt es Mani. Geschälte und gesalzene Erdnüsse. Maniokmehl, Zimtstangen, Knoblauch frisch oder getrocknet. Scharfe kleine Pfefferfrüchte, Chillis, Geordnet oder durcheinander. das gesamte Angebot. Nur die Früchte und Gemüsestände werden langsam leer, die Frauen packen zusammen.

Im Schamanenmarkt ist nicht mehr viel los. Ich suche noch etwas Palo Santo für eine Freundin. Und eine Räuchermischung mit verschiedenen Ingredienzen. Weihrauch.

Die Frauen haben Zeit für einen Schwatz, Schenken meiner Kamera ein Lächeln, einen Scherz. Und mitten drin entdecke ich eine junge Mutter mit ihrem einen Monat alten Baby.

Ein paar Stände weiter ruft eine Frau Zahlen aus. Als ich näher komme, sehe ich, dass ein Lotto stattfindet. Weil kaum mehr Kunden unterwegs sind, haben sich die Landenbesitzer zusammen getan und spielen Lotto. Was es wohl zu gewinnen gibt? Ich würde ja gern das eine oder andere fragen, aber hier scheint es mir jetzt tatsächlich nicht angebracht zu sein, Fragen zu stellen. Die Leute sind höchst konzentriert.

Für jedes Leiden gibt es eine Medizi auf dem Schamanenmarkt

Für jedes Leiden gibt es eine Medizi auf dem Schamanenmarkt

Belinda mit ihrer kleinen Manuela

Belinda mit ihrer kleinen Manuela

Sie lächelt mit dem getrockneten Baby-Krokodil um die Wette.

Sie lächelt mit dem getrockneten Baby-Krokodil um die Wette.

Auf dem Rückweg zum Bulevard muss mein Mototaxi tanken. Wir fahren eine Tankstelle an. Natürlich sind hier Tankstellen-Automaten unbekannt. Die Tankstellen sind bedient und man sagt am Anfang den Betrag für den man tanken möchte, dann kann der Tankwart den Betrag einstellen und es wird genau für diesen Betrag Benzin getankt. In unserem Fall waren es drei Soles, also ungefähr ein Franken.

Ich muss dann immer schmunzeln und stelle mir eine Schweizer Tankstelle vor. Bedient. Für ein paar Franken pro Tankung. Zum Tanken muss ich übrigens aus dem Mototaxi aussteigen. Sicherheit geht vor.

Am Abend stosse ich ein letztes Mal mit Walter an der Bar an. Wer weiss, wann wir uns wieder sehen. Das letzte Mal hatte ich mich 'für immer' verabschiedet, und jetzt bin ich, vier Jahre später schon wieder hier. Bestimmt komme ich wieder, ich fühle mich hier inzwischen schon fast wie zu Hause.

Fanny, die thailändische Angestellte, die seit ein paar Monaten hier ist, hat für ihn thailändisch gekocht. Das ist ein Angebot, das Walter in nächster Zeit ausbauen möchte, denn wo kann man hier schon thailändisch essen.

Darum dürfen heute alle probieren. Es gibt gekochten Fisch mit viel frischem Gemüse und einer aromatisch-scharfen Erdnusssosse. Fanny macht kleine Häppchen und wir probieren reihum. Walter hat heute sozusagen einen Mundschenk. Kein Wunder kommt er immer wieder ganz schnell zurück, wenn er einmal weg fährt. Zehn Leute sind hier, die sich um mein Wohl sorgen, lächelt er und geniesst Fannys Leckereien.

Ein Teil der Casa-Fitzcarraldo-Crew

Ein Teil der Casa-Fitzcarraldo-Crew

Später kommt Keyla vorbei. Wir wollen unseren letzten gemeinsamen Abend in der Stadt verbringen.

Es gibt noch einiges zu besprechen, wenn ich im Juni mit meiner Gruppe aus der Schweiz in der Lodge übernachten will. Keyla ist zuversichtlich, dass sie bis dahin mit Hilfe ihres Vaters alles vorbereiten kann.

Auch den ganzen Ablauf unseres Besuches in Iquitos möchte ich noch einmal mit ihr durchgehen. Zwei Nächte in der Lodge, zwei Nächte in einem Hotel in Iquitos. Ausserdem eine Stadtführung mit Bootsfahrten. Das ganze Programm eben, was man in der kurzen Zeit machen kann.

Zuerst gehen wir an den Bulevard. Meine Aktion gestern mit den Stein-Anhängern von Victoria war ein voller Erfolg. Sie hat die die Bestellungen in Säcklein verpackt, immer mit den Namen der Steine beschriftet.

Victoria - Pocahontas

Victoria - Pocahontas

Sie trägt einen neuen Kopfschmuck. Sie grinst: "damit sehe ich aus wie Pocahontas". Sie liebt diese grossen Arbeiten, auch wenn es schwierig ist, solch grosse Kreationen zu verkaufen. "Ich gebe meinen Arbeiten gerne eine tiefere Bedeutung, verknüpfe gerne meine Ideen und Gedanken in meine Arbeit."

"Weisst du, der runde grüne Stein steht für den Dschungel. All die vielen kleinen Blätter mit den verschiedenen Farben zeigen die medizinischen Möglichkeiten, die sich darin verstecken und die darauf warten, dass sie entdeckt werden. Das Band auf der Seite sieht aus wie Augen, die sich bei der Einnahme von Ayahuasca öffnen. Die Erkenntnis, die der Dschungel uns gibt."

Ja, sie hat Ayahuasca getrunken. "Dreimal, als ich grosse Fragen hatte, als es mir nicht gut ging. Es hat mir geholfen, doch ich brauche es jetzt nicht mehr Ich kenne meinen Weg."

Der Kopf mit dem grünen Blätter-Hirn ist Teil einer grösseren Arbeit, die in den nächsten Tagen fertig wird.

Der Kopf mit dem grünen Blätter-Hirn ist Teil einer grösseren Arbeit, die in den nächsten Tagen fertig wird.

Im Down on the Amazon, am Bulevard

Im Down on the Amazon, am Bulevard

Keyla und ich setzen uns auf dem Bulevard in eines der Restaurants und bestellen Lomo saltado, das nebst dem Ceviche, sowas wie das Nationalgericht Perus ist.

Lomo saltado = geschnetzeltes Rindfleisch mit Sosse und viel Zwiebeln und Möhren. Dazu Reis und Pommes.
Ceviche = in Zitronensaft gegarter roher Fisch mit verschiedenen Zutaten.

Als ein kleiner Junge einen Rollstuhl vor unserem Tisch vorbei schiebt, traue ich mich erst gar nicht, hinzusehen. Ein kleiner Mensch, mit verwachsenem Körper und ungewöhnlich kurzen kraftlosen Beinen sitzt darin. Doch dann sehe ich das strahlende Gesicht und spreche ihn an. Will wissen, wie er heisst, woher er kommt,

"Ich heisse Meiky, bin 28 Jahre alt." Geboren wurde er in der Nähe der Grenze zu Ecuador, doch er ist schon lange unterwegs. Allein. Im Moment reist er zwar mit einer Gauklertruppe, aber oft ist er alleine unterwegs. Seinen Rollstuhl kann er nicht allein bewegen, er ist immer auf Hilfe angewiesen. Versucht sich, das was er braucht zu erbetteln oder tritt mit den Gauklern auf.

Ich bin tief beeindruckt von seinem fröhlichen Wesen und als er weitergeht, bin ich selber bestärkt und ein wenig beschämt von all den Wünschen, die ich noch immer habe, und die ich mir sehr oft auch erfüllen kann. Wie oft bin ich einfach nur zufrieden?

Und dann kommt doch tatsächlich noch Pipi Vela an unseren Tisch. Bringt uns ein Ständchen, freut sich über den Pisco, den wir ihm offerieren und macht sich über die Reste meines Essens her.

Ein wunderbarer Abend geht zu Ende. Gegen zehn Uhr verabschieden wir uns. Keyla wohnt am anderen Ende der Stadt. Auch wenn ich die Stadt noch nie als gefährlich empfunden habe, empfiehlt es sich doch, spät abends nicht mehr allein unterwegs zu sein. Auch nicht im Mototaxi.

Eine Viertelstunde später vergewissern wir uns gegenseitig per WhatsApp: "bin gut zu Hause angekommen. Cuidate, hasta la proxima."

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach vier Jahren kehre ich zurück nach Iquitos, wo ich mit Hilfe von Einheimischen eine Lodge geführt habe. Ich werde Freunde besuchen und freue mich auf neue Begegnungen.
Details:
Aufbruch: 04.01.2020
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 31.01.2020
Reiseziele: Peru
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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