Ein Paradies inmitten des Chaos

Reisezeit: Februar 2011  |  von Albert Wiesbaden

Child Labour Hostel - HELGO North Point -

H.E.L.G.O. e.V. in Hamburg unterhält in Howrah drei Standorte. Der zentrale Punkt mit einer kleinen, von Dr. Razzaque geleiteten, Verwaltung ist im Stadtteil Tikiapara 103 Belilious Road in Howrah. Neben dem Hostelvater Asgar Ali gibt es noch drei Sozialarbeiter und zwei deutsche Volontäre.

Man muss schon genau hinsehen, um das an einem Fenster im zweiten Stock angebrachte Schild von HELGO zu sehen. In einer kleinen Seitenstraße ist der Hosteleingang. Auch hier gibt es ein Hinweisschild. Der Hauseingang ist, wie überall hier, dunkel und nicht beleuchtet. Man geht durch ein wenig einladendes Treppenhaus hinauf in den zweiten Stock.

Tikiapara 103 Belilious Road in Howrah. 
Das Hostel im 2. OG

Tikiapara 103 Belilious Road in Howrah.
Das Hostel im 2. OG

Der Eingang zum Hostel

Der Eingang zum Hostel

Nach Klopfen oder Klingeln wird die Tür von Asgar Ali, dem Hostelvater, oder einem der 17 Jungs, geöffnet. Unangemeldete Besucher gibt es eher wenige. Christoph und Alexander und auch ich werden mit einem herzlich "Namaste" begrüßt und neugierig von einer handvoll Jungs umringt.

Asgar Ali, der Hostelfather

Asgar Ali, der Hostelfather

Christoph und Alexander leisten hier über die Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V. ein soziales Jahr ab. Beide haben direkt nach dem Abitur diesen Schritt gewählt und leben jetzt seit Mitte August 2010 in Howrah. Jeder hat ein eigenes kleines Zimmer mit Computeranschluss und Deckenventilator. Die Zimmer liegen zur lauten Strasse hinaus. Bei den normalerweise recht hohen Außentemperaturen sind die Fenster immer geöffnet, um eine Luftzirkulation zu gewährleisten. Aber auch bei geschlossenen Fenstern wird der Schreibtisch schon nach wenigen Stunden von einer dicken Staubschicht überzogen. Die von zuhause mitgebrachten Laptops bestehen hier - auch durch die Erkundung der neugierigen Hosteljungs - einen besonderen Härtetest.

Christoph und Alexander

Christoph und Alexander

Der gesamte Einsatz, aber auch die Freude, mit der die beiden hier ihren Beitrag für die Kinder von HELGO leisten, verdient besonderen Respekt und Hochachtung.

Zusätzlich zu dem Nachhilfeunterricht durch indische Lehrer coachen auch Christoph und Alexander die Kinder in deren Freizeit. Das heißt, man setzt sich mit einem oder zwei Kindern an einen ruhigen Platz; Christoph und Alexander nutzen dazu ihre Zimmer.

Ich setze mich mit Safaraz in die kleine Bibliothek. Safaraz zeigt mir sein Englischbuch und -heft. Ich höre ihn die erlernten Sätze ab. Das klappt sehr gut. Dann soll er vorgegebene Sätze in eine Frage umwandeln. Er schreibt alles in sein Schulheft. Der Bleistift saust nur so über das Papier. Er ist mit Begeisterung dabei und möchte mir unbedingt sein Können zeigen. Ich bin ganz begeistert von dem kleinen, 10-jährigen jungen Mann. Danach gehe ich mit Safaraz die Aufgabe auch nochmal mündlich durch. Perfekt, ich denke, wenn er das so in der Schule vorträgt müsste er eine gute Note bekommen.

Safraraz

Safraraz

rechts Chuto links Rohna

rechts Chuto links Rohna

Auf dem Bild rechts wiederhole ich das Gleiche mit Rohan und Chuto. Auch hier erstaunt mich die Disziplin und Gewissenhaftigkeit, mit der dieser Nachhilfeunterricht abläuft. Die Buben haben gelernt und möchten ihr Können jetzt unter Beweis stellen. Sie sind voll bei der Sache. Es macht Spaß, sie abzuhören und damit ihre durch HELGO gegebenen Chancen zu erhöhen.

Noch ein paar Worte zum Tagesablauf hier im Hostel:

05.30 h Aufstehen, Waschen Zähneputzen, Beten, Fertigmachen für die Schule.
07.15 h bis 11.30 h Schule
12.00 h bis 13.30 h Lernen oder Nachhilfe (Coaching)
13.30 h bis 14.00 h Mittagessen
14.00 h bis 15.30 h Ruhezeit - ggfl. schlafen
15.30 h bis 17.00 h Hausaufgaben
17.00 h bis 19.00 h (Montag, Mittwoch und Freitag) Spielen im Belilious Park.(Dienstag und Donnerstag) Spielen im Hostel
19.15 h bis 20.00 h Abendessen
20.00 h Nachtruhe

Das alles hat der Hostelvater, Asgar Ali, im Griff.
Das Coaching und die Hausaufgaben werden von Nachhilfelehrern oder den Volontären geleitet.

Im Hostel in der Belilious Road leben und schlafen zurzeit 17 Jungs. Die meisten Kinder, die HELGO aus der Kinderarbeit geholt hat, wohnen jedoch ganz normal bei ihren Eltern in den Familien. Sie gehen jeden Tag in die Schule und nach der Schule für Hausaufgaben und Nachhilfe in die jeweiligen Einrichtungen in Liluha oder Buxarah. Aufgabe der Sozialarbeiter ist, dies zu überwachen. Die Kinder erhalten in allen Standorten mittags eine ausgewogene, warme Mahlzeit, die auch für das Fortkommen der Kinder wichtig ist.

Die Sozialarbeiter besuchen die Eltern unserer Schützlinge in regelmäßigen Abständen, um die Fortschritte oder Probleme mit den Eltern zu besprechen oder mögliche Fehlzeiten in der Schule zu hinterfragen. Der Kontakt zu den Eltern ist sehr eng. Da die Kinder nicht mehr arbeiten und so zum Einkommen der Familie beitragen, erhalten ihre Familien eine monatliche Kompensation in Form von Reis und anderen Sachwerten.

Von der Belilious Road aus habe ich Gelegenheit mit der Sozialarbeiterin Jaya Ghosh drei Familien zu besuchen. Die ersten beiden Familien wohnen in einem Steinhaus in der Nähe der Schule. Durch einen dunklen Hauseingang gehen wir in den ersten Stock und folgen einigen Gängen, von denen die Wohnungen abgehen. Vor der Wohnung ist eine Rinne für Abwässer. Es leben hier bestimmt zehn Familien auf engsten Raum zusammen.

Mein Besuch bei Nasriin und ihren Eltern

Mein Besuch bei Nasriin und ihren Eltern

Kochstelle in der Wohnung; Kartoffeln, Erbsen und Tomaten sind im Topf

Kochstelle in der Wohnung; Kartoffeln, Erbsen und Tomaten sind im Topf

Hanna (14 Jahre) wohnt zwei Wohnungen weiter.
Der Vater arbeitet als Tagelöhner und bringt etwa 120 Rupien (Euro 1,80) am Tag nach Hause. Dafür muss er von 6.00 h morgens bis 18.00 h abends arbeiten.
Die Toiletten und Waschgelegeneheiten liegen außerhalb der Wohnung.

Shabana (10 Jahre) wohnt mit ihren Eltern und 4 weiteren Geschwistern (3 Töchter, 2 Söhne) in einer illegal gebauten Hütte aus Palmblättern und Plastikplanen am Rande der Eisenbahntrasse. Ihr Vater ist Rikschafahrer. Die Mutter erzählt, dass er seinen Tagesverdienst von etwa 80 Rupien (ca. 1,25 Euro) auch für Alkohol ausgibt. Die Mutter verkauft auf der Strasse Süßigkeiten, die sie vorher in einem Art Großhandel einkauft. Damit verdient sie am Tag rund 100 Rupien, von dem sie die Familie ernährt.

- Shabana Eltern, 2. von links Jaya Ghosh, die Sozialarbeiterin

- Shabana Eltern, 2. von links Jaya Ghosh, die Sozialarbeiterin

Diese Besuche der Sozialarbeiterinnen finden regelmäßig statt, um mit den Familien Kontakt zu halten.

Alles in allem haben die Mitarbeiter von HELGO einen sehr persönlichen Kontakt zu allen Familien ihrer Schützlinge, um darüber sicherzustellen, dass die Kinder auch regelmäßig in die Schule kommen und keinen Unterricht versäumen.

© Albert Wiesbaden, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Kalkutta ist für mich der Vorhof zu Hölle, und als ich vor einem Jahr im ZDF von H.E.L.G.O. e.V. hörte stand mein Entschluss sofort fest. Ich besuchte den Initiator in Hamburg, wir sprachen zwei, drei Stunden mit einander. Im Februar 2011 besuchte ich Kolkata um endlich selbst etwas gegen die Ausbeutung von Kindern zu tun. Schon 1987 habe ich Kinder in kleinen, dreckigen und verrauchten Werkstätten arbeiten gesehen. Tagein, tagaus und das schon im Alter von 7 oder 8 Jahren.
Details:
Aufbruch: 12.02.2011
Dauer: 7 Tage
Heimkehr: 18.02.2011
Reiseziele: Indien
Der Autor
 
Albert Wiesbaden berichtet seit 13 Jahren auf umdiewelt.
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