12 (?) Monate in Benin - ein Leben in einer anderen Welt

Reisezeit: Oktober 2007 - Oktober 2008  |  von Johanna Hoffmann

14.-19.10.

Jetz gabs ewig nichts weil das www hier die Site nicht mag. Keine Ahnung wieso, aber ich konnte keinen einzigen Bericht veröffentlichen. Aber jetzt gibt's dafür geballte Ladung. Viel Spaß!

Als ich noch in D war hatte mir Rahel in einer e-mail geschrieben "...aber hier ist fast eder Tag wie ein Abenteuer." Naja, also, das stimmt. Ob wohl ich inzwischen einen festen Tagesablauf haben von in der Früh in die Arbeit gehen, nach der Arbeit zu einem Kumpel, Rufin, in die Buvette gegenüber vom SOS Komplex gehen, dann mit einem Zém heim fahren und mit Mireille in der Küche sitzen und kochen (bzw. zuschauen...), wenn die Eltern heimkommen mit ihnen essen und danach zu den Jugendlichen, sprich Mireille, Carin und René (momentan ist noch Fortune, eine Cousine von Irène zu Besuch) ins Zimmer gehen und mich viel zu spät, irgendwann zwischen Mitternacht und halb 2, schlafen legen. Trotzdem ist jeder Tag anders, irgendwas unerwartetes passiert immer. Und das ist toll!!
Küche heißt übrigens der Gang hinter dem Haus, in dem ein kleiner Metallofen, so mit Kohle zum Schüren, steht und darauf wird gekocht. Schön eins nach dem anderen, weil es gibt ja nur eine "Platte". Zwischendurch Kohlen nachlegen und mit dem Feger anfeuern usw. Richtig schön urig!

Am Sonntag, 14.10., waren wir, die Familie und ich, mit Rahel am Strand in Cotonou. Dieser Strand ist der Hammer! Überall unglaublich hohe Palmen, Strohhütten als Sonnenschutz, alle 100m eine Buvette mit lauter Musik und Tanzen und guter Laune und trotzdem herrscht eine Ruhe. Die Kraft des Meeres, Ruhe auszustrahlen... Leider ist das Meer sehr dreckig, es kommen neben Schuhen und Orangen auch Äpfel und Ananasse (??) angeschwemmt. Und baden is sowieso nicht, weil die meisten Beniner eine tierische Angst vorm Meer haben. Francis ist irgendwann weggegangen weil er es nicht mit ansehen konnte, dass Rahel und ich bis zu den Knien im Wasser stehen. Ansonsten war es aber ein wunderschöner Tag. Um halb sieben ca. sind wir dann heim, und da wird es ja dunkel bei uns. Und da kamen schon die ersten Abend-Strand-Gänger. Das ist DIE Partyszene von Cotonou. Saugefährlich natürlich. Aber geniale Stimmung, ich hätte Lust hinzugehen. Aber Leute die nicht in der Strandclique sind trauen sich nicht hin. Schade...

Montag und Dienstag war ich damit beschäftigt, meine Männer von mir fern zu halten. Echt mal, da sagt man "Nein!" und die Antwort ist "Ich respektiere dich und deine Entscheidung." Man ist überrascht, weil das so gar nicht ins Bild passt - und wird auch schon im nächsten Moment bestätigt denn es geht weiter mit "...solange ich das und das und das machen kann." Aha. Also Respekt is doch nich so. Mir wurde auch schon erklärt, dass das Ende seiner Welt vor seiner Nase stehe, weil ich nichts mit ihm anfangen will und dabei weiß er doch ganz genau dass die Liebe von Gott auch zu mir geschickt werden wird und dass blablabla (An dieser Stelle: Ernst, herzliche Entschuldigung für mein Verhalten. Gott, muss ich genervt haben... Sorry, echt!!)
Sprich also die Männer hier sind wie erwartet.
Ich hatte auch ein sehr interessantes Gespräch mit Francis über die Mann-Frau-Rollenverteilung in Benin. Weil es ist hier ja wirklich so, dass der Mann arbeiten geht und nach der Arbeit ab aufs Sofa und das wars dann bis ihm das Essen serviert wird. Der Tonfall ist meistens kommandierend und Widerspruch gibt es nicht. Mireille zB kommt um 19Uhr aus der Schule heim und muss das Essen zubereiten bis ca 21Uhr. Da kommen die Eltern heim und dann muss sie denen servieren. Obwohl in Benin nicht unterschieden wird zB zwischen Onkel und Vater, man hat die gleiche Relation zueinander, essen doch nur seine leiblichen Kinder mit ihnen am Tisch und die anderen im Zimmer auf der Strohmatte. Also, dann doch wieder nicht so ganz das selbe Verhältnis. (Diese Kontradiktionen sind hier normal.) Wenn sie das Essen dann serviert hat geht sie lernen, irgendwann wenn ihr Bruder um ca 23Uhr aus der Arbeit heimkommt (wohin er direkt nach der Schule gegangen ist), essen sie und dann lernen sie weiter bis ca 1Uhr nachts: schlafen gehen und am nächsten morgen um ca halb sieben aufstehen und das ganze von vorne.

So der Unterschied zwischen Tagesablauf von Francis und Mireille, sprich Mann und Frau, denn beides sind typische Beispiele. Sie macht alles, er macht nichts. Im Gespräch hat er anerkannt dass das unfair ist. Aber dann hinzugefügt "Aber naja, das ist eben so." Und das ist die Antwort, die man immer bekommt, dass es eben so sei. Wobei man da sagen muss, dass es schon eine Leistung ist von Francis, dass er die Ungerechtigkeit sieht. Die meisten Männer, und auch Frauen, v.a. der älteren Generation, nehmen es nicht nur einfach so hin, sondern stellen es gar nicht in Frage. Sprich der Gedanke, dass es vielleicht etwas ungerecht verteilt sei, kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Wenn man mit ihnen darüber spricht geht das Licht dann auf, aber die finale Antwort ist immer "Naja, das ist eben so."

Am Mittwoch war ich noch mal in Cotonou um mich von Julian zu verabschieden der inzwischen wieder in D ist. Auf dem Heimweg bin ich wieder taxi de brousse gefahren: Mit Fahrer waren wir schon 6 Leute, und er hat trotzdem noch wen gesucht der mitfahren will, dann ist es natürlich rentabler. Bis irgendwann alle Insassen des Fahrzeuges zu schimpfen angefangen haben. Ich saß vorne zwischen Fahrer und Beifahrer und es gab für die Dauer der fahrt nur 1., 3. und 5. Gang weil ich so gequetscht auf der Schaltung saß, dass er die anderen nicht einlegen konnte. Eine Natürlichkeit hier 

Ich hab mir ein Buch gekauft um Fon richtig lernen zu können. Ich kann schon so Sachen wie "Wie war dein Tag?" und so. Aber Lesen und Schreiben kann hier keiner auf Fon. Ich will wenigstens das Sprechen lernen, denn Französisch wird nur gesprochen wenn ich in die Nahe komme. Und meistens nicht mal dann.. Rufin will mir helfen. Im Gegenzug bring ich ihm ein bisschen Deutsch bei. Hehe

Am Donnerstag hat Agnès, die Direktorin des JESOS, mir eröffnet, dass es ein Sportprogramm für die Lehrer bei SOS gibt. Ich werde Schwimmen und Gymnastik machen (also, so Aerobicgymnastik eher). Dazu auch wieder eine nette afrikanische Anekdote:
Das Schwimmen ist Donnerstags um 15:30. Im Olympiastadium in Cotonou. Um rechtzeitig dort zu sein müssen wir um 15Uhr weg. "Aber die Kleinen werden doch erst um 16Uhr von den Eltern abgeholt", sagte die Europäerin. "Kein Problem, 2 Maitresses bleiben da und die anderen gehen weg", sagt die Afrikanerin. Die haben echt einfach den Fernseher angeschaltet und jeweils 2 Gruppen zusammen geschmissen und sich dann aus dem Staub gemacht. Nicht schlecht.
Genauso wie gestern nach der Mittagspause plötzlich Agnès in der Tür erschien und zu Alexandrine, der Maitresse meiner Gruppe, erklärt, dass der Fahrer warte und sie sich beeilen solle. Wie? Was? Ja, und die Johanna bleibt bei den Kindern. Alleine. Da stand ich dann also ohne Vorwarnung mit 25 Kindern da. Wusste nicht genau, wie ich sie beschäftigen sollte und wie ich mit meinem kleinen Freund Bylal umgehen soll, der mich nicht für voll nimmt. Ich habe nicht bei allen Kindern die Autorität der Maitresse, und das sind halt meistens die Frechsten von allen. Naja, also musste ich jetzt über eine Stunde lang die Kinder beschäftigen. Ich habe nach anfänglichen Schwierigkeiten (die Maitresse vom Zimmer gegenüber hat mir auch nur zugeschaut und mich in keinster Weise unterstützt...) alle hingesetzt gekriegt und mit ihnen das Toiletten-Lied ("Je m'en vais aux toilettes, pour aller faire pipi. Je m'en vais, je m'en vais, je m'en vais aux toilettes.") gesungen und dann haben sie mit ihren Bauklötzen spielen dürfen. Naja, ich war ja schließlich nicht darauf vorbereitet... Aber es hat gut geklappt, und als ich danach alle sicher an ihre Eltern verteilt hatte, den Raum sauber gemacht und alles weggeräumt hatte, hab ich beim Abschließen doch ein gewissen Stolzgefühl gespürt. Yippieh

Ja, was ich genau dort mache? Ich mache ja ein Praktikum im Kindergarten bei den 3jährigen. Letzte Woche war ich bei den 4jährigen, nur um den Unterscheid zu sehen. Und der ist echt beachtlich!! Die Älteren, la section des grands, haben schon ihre Persönlichkeiten entdeckt und entfaltet: Der Angeber, der Schüchterne, die Aufmüpfige, die Streberin, etc. Das gibt es bei den Kleineren, la section des petits, zwar auch schon teilweise, aber das sind quasi die Frühzünder. Ansonsten sind die Kleinen einfach ein Haufen kleiner Lebewesen die nicht wissen wohin und was und wie. Man zeigt ihnen wie man sich die Hände richtig wäscht und im nächsten Moment machen sie es ganz anders. Viele sprechen auch nur Fon, das ist dann etwas schwierig. Aber mir wurde gesagt, dass bis spätestens Dezember alle Französisch zumindest verstehen werden, wenn schon nicht sprechen.
Ja, und ein normaler Tagesablauf im JESOS sieht quasi so aus:
- 8Uhr Beginn; nachdem alle auch halbwegs geistig angekommen sind wird Sport gemacht. D.h. man versucht, die Kleinen in einer Reihe im Kreis laufen zu lassen, in verschiedenen Tempi mit verschiedenen Liedern zum Anfeuern und so. Dann noch ein oder zwei Spiele, meistens irgendwas mit Fangen oder dem Ball hinterher rennen, einfach damit sie sich bewegen. Danach auf den Matten ausruhen.
- Toilettengang. Das mag sich einfach anhören, aber 26 (27?) Kinder, die teilweise noch nicht alleine aufs Klo gehen können, zu beaufsichtigen und gleichzeitig wem den Pimmel zu halten ist manchmal doch ein bisschen kompliziert.
- Händewaschen. Genau dasselbe. Es dauert ewig...
- 10Uhr: Brotessen (oder Paté, so ein frittiertes Teiggebäck)

- Spielplatz. Freizeit. Spielen. Danach wieder mühevoll den Sand entfernen und waschen und so. puuh....
- Dann ein Lied oder ein Gedicht oder Malen, je nachdem wie viel Zeit noch bleibt.
- 11:30Uhr: Mittagessen verteilen und beaufsichtigen. Allen beim Saubermachen helfen, den Großteil selber machen und dann werden die Matten ausgebreitet und bis 14Uhr geschlafen. Da geh ich meistens in die Bibliothek und lese oder schlafe dort.
- 14Uhr: (meistens eher 14:30) Nachdem alle erwacht sind und Pipi gemacht haben und sich gewaschen und was getrunken haben wird dann die Arbeit vom Vormittag fertig gemacht oder wiederholt oder was Neues angefangen oder so
- 15:30Uhr gibt's das gouté, eine kleine Zwischenmahlzeit, meistens Joghurt
- Ab 16Uhr kommen die Eltern und bis dann alle Kinder weg sind und zusammengeräumt ist und so ist es meistens 16:30 und ich geh dann heim oder rüber zu Rufin.

So schauts aus. Und es ist unglaublich, wie viel Zeit man für die ganz einfachen Sachen braucht. Wirklich. Ich habe eine Collage angefangen, die Kinder mussten nur auf ein Stück Papier Uhu tun und es auf ein anderes Stück Papier kleben. Nach insgesamt über einer Stunde Arbeit hab ich es mit vielleicht 10 Kinder gemacht. Wahnsinn!!
Ja, aber die Maternelle, sprich der Kindergartenjahrgang, da werden die Kinder geformt und das ist die Basis. Und es macht Spaß und es ist unbeschreiblich mit anzusehen, wie schnell die Kleinen sich verändern. Mael z.B. hat am Anfang nur geheult und keinen Schritt ohne die Maitresse gemacht. Heute ist er der immer "Nein!"- Sager. Aufmüpfig. Starrköpfig. Innerhalb von nicht mal zwei Wochen eine solche Veränderung. Und er ist da nicht der einzige. Bei den Drillingen ist es ähnlich. Und das ist wie ein kleines Wunder jeden Tag.

Palmen, Strohhuetten, Sand, Sonne...

Palmen, Strohhuetten, Sand, Sonne...

Kokosnuss am Strand, frisch gekoepft und getrunken. mhmm... lecker

Kokosnuss am Strand, frisch gekoepft und getrunken. mhmm... lecker

hehe... Maman Serge

hehe... Maman Serge

mein Zimmer Blick nach links

mein Zimmer Blick nach links

mein Zimmer Blick nach rechts

mein Zimmer Blick nach rechts

Teil des Spielplatzes

Teil des Spielplatzes

im Klassenzimmer

im Klassenzimmer

© Johanna Hoffmann, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Endlich wird ein Traum wahr: Mama Africa, ich komme!! Für voraussichtlich 12 Monate werde ich in Abomey leben, davon 6 Monate in einem SOS Kinderdorf, die anderen 6 in einem Krankenhaus ein freiwilliges Praktikum machen.
Details:
Aufbruch: 07.10.2007
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: Oktober 2008
Reiseziele: Benin
Ghana
Der Autor
 
Johanna Hoffmann berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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