12 (?) Monate in Benin - ein Leben in einer anderen Welt

Reisezeit: Oktober 2007 - Oktober 2008  |  von Johanna Hoffmann

20.-24.10.

Samstag war die dote von Irène. Dote, das ist hier die traditionelle Heirat, aber im Prinzip nur für die Frau. Quasi die Brautübergabe.
Also, Francis und Irène leben schon seit 8 Jahren zusammen und haben ja bekanntlich auch schon Kinder. Als sie sich kennen lernten und wussten dass sie zusammen bleiben wollen hat Francis einen Antrag an ihre Familie stellen müssen, um quasi den Kaufpreis zu erhalten. Da setzten sich dann alle Verwandten zusammen und tüfteln aus wie viel sie wollen. Weil da bekommt jeder, die Eltern, Onkel, Tanten, Cousinen, jeder. Naja, und wenn das Ehepaar, bzw. zusammenlebende Paar, das Geld hat das alles zu zahlen, dann gibt es einen Anruf and en Brautvater und es wird ein Termin ausgemacht. Bei der dote ist der Ehemann nicht anwesend, weil quasi seine Eltern in seinem Namen die Eltern der Braut um deren Hand bitten. Und das kann er ja aus Gründen des Anstandes nicht selber tun. Naja, dann werden also den ganzen Tag die Geschenke, meistens nützliche Sachen für die Küche und Getränke und Geld, eingepackt und alles vorbereitet. Ein Kameramann wird angeheuert, der wirklich ALLES filmt (das ist hier normal bei größeren Festen, die Leute sind das auch gewohnt und labern vor der Kamera weiter als wäre sie gar nicht da), und die dote-Frauen, die die Lieder singen. Das sind Frauen, die es als Beruf haben, die Braut zu preisen, ihre Schönheit, ihren Wert; oder das Glück der beiden zu preisen; Und auf Knien vor den Brauteltern rumzurutschen und ihnen hin zu schleimen und ihnen die Geschenke zu präsentieren. Das machen alles diese Frauen.
Eine dote läuft nach einem festen Plan ab, da gibt es keine Individualitäten. Z.B. werden erst "falsche Frauen" präsentiert, die einen Schleier über dem Kopf tragen und dann schreien diese dote-Frauen ganz laut, dass sie die nicht wollen und die Familie nach einer anderen verlangt und so. Ich war die erste dieser falschen Frauen, es gibt immer 3. Dann erst kommt die Braut und kniet nieder vor jeder Sitzgruppe, während die Frauen diesmal lauthals ihre Schönheit preisen und dass das die richtige sei und so. Die Braut zieht sich 3 mal um und jedes Mal dann wieder vor allen niederknien und... naja, so quasi sich präsentieren und den Segen für eine gute Ehe empfangen. Man wünscht ihr Glück mit dem Ehemann.

Und wenn dann irgendwann diese stundenlange Zeremonie vorbei ist, dann gibt's was zu Essen. Mhmmm... endlich Danach fährt man vom Haus ihrer Eltern zum Haus seiner Eltern und da gibt's dann wieder was zu Essen. Und inzwischen ist es schon nach Mitternacht und alle Leute sind müde und schlafen im Sitzen ein (wirklich!!) und deswegen ist die Szene wie leer gefegt ca. 2 min nachdem aufgegessen worden ist.

Am Sonntag haben wir dann alle sehr lange geschlafen und dann langsam und allmählich auf den Abend vorbereitet. Denn am Freitag ist René 20 geworden und das wollten wir ein bisschen feiern. Im kleinen Kreise. Naja, es gab leckeres Essen auf der Veranda, richtig schön traditionell auf Strohmatten und so. Und danach Fotosession vorm Haus. Dann wars Zeit für die Messe und wir Mädels sind hin. Ich bin mal mit aus Interesse. Die Kirche ist sehr einfach, aber nicht hässlich. Ich hätte es jedoch nie als Kirche erkannt. Wir waren zu spät dran und deswegen blieben wir dann draußen unter einem Baum sitzen und hörten dort zu. Nur zum Spenden sind wir kurz rein gegangen. Das fand ich schön, im Freien zu sitzen und dem Pfarrer zuzuhören.
Danach sind wir im Cyber von Francis vorbei und ich bin dann noch bis zum Schluss geblieben, ca 23Uhr, weil ich René nicht alleine lassen wollte. Der ist da jeden zweiten Abend und naja, ich war mal nett. Hehe

Gestern hatten wir dann das erste Mal richtig Stromausfall. Also, es ist hier ständig so, dass mittendrin der Strom aus ist, aber meistens nur für ein paar Minuten und wenn es noch hell ist. Aber gestern haben sie gegen 17Uhr den Strom abgestellt und erst abends um elf wieder angemacht. Das ist dann schon was anderes, es wird hier ja auch schon um halb sieben dunkel. Wir saßen in der Küche und haben mit Taschenlampen geleuchtet um zu sehen, was wir eigentlich machen. Carin hat dann Benzin besorgt und mit irgendwie nem Motor den Strom zumindest im Untergeschoss wieder hergestellt. Ich im ersten Stock saß ein bisschen im Dunkeln, aber ich bin ja eh eher selten in meinem Zimmer. War also nicht so schlimm.

Und dann war hier ein Streik der Brotverkäufer. Weil die Mehlpreise gestiegen sind und es gab 5 Tage lang kein Brot. Das war schon hart. Inzwischen gibt es wieder welches, aber teurer, logischerweise. Das interessante fand ich, dass alle auf die Bäckereinen geschimpft haben und als ich meinte, es sei doch nicht ihre Schuld dass sie teuerer verkaufen, da wurde ich komisch angeschaut. Die wenigsten hier wissen was von Verteuerung und wie der Wirtschaftskreislauf funktioniert. Es interessiert sie auch nicht wirklich glaub ich, denn sie sehen nur dass ihr Gehalt gleich bleibt, die Preise aber steigen.

Dazu fällt mir noch etwas Nettes ein. Ich habe ja ein Fußkettchen und René, ein sehr sehr intelligenter und raffinierter Kerl, hat mich allen Ernstes gefragt ob das ein Zeichen der Vegetarier sei. Einen Tag später fragt mich Mireille, ob wir Vegetarier eigentlich eigene Kirchen hätten. Als ich lächelnd verneinte und erklärte, dass das keine Religion sei sondern einfach eine Wahl zu leben das Essen betreffend, war sie ganz überrascht. Gut, es gibt hier wenige Vegetarier und es ist auch nicht einfach, etwas Abwechslung in sein Essen zu bringen als solcher. Aber ich habe doch immerhin innerhalb von 2 Wochen schon 2 Vegetarier kennen gelernt. Unabhängig voneinander. Es ist also nicht so, dass es die hier gar nicht gibt. Aber dennoch ist man über solche Fragen dann sehr überrascht.
Die Leute wissen hier auch nichts von den Weltkriegen oder Hitler oder so. Zumindest nicht diejenigen, die ich bisher kennen gelernt habe. Das internationale Geschichtswissen beschränkt sich auf die Kolonialgeschichte und das bisschen Drumrum. Naja, schade. Andererseits geht es hier wirklich jeden einzelnen Tag darum, dass genug Geld da ist und man nicht auf der Straße lebt oder gar verhungert. Was interessieren einen da ein paar tausend Juden die gestorben sind?
Was bei mir auch gedauert hat bis ich es begriffen habe: Es ist nicht die Bildung, die fehlt. Es gibt hier Schulen en masse. Auch an die Uni schaffen es noch die meisten. Aber was kommt danach? Es gibt einfach keine Jobs. Dann wird man mit einem Doktorantenabschluss eben Taxifahrer... Es bleibt einem einfach nichts anderes uebrig. Und das ist eigentlich wirklich tragisch!! Ich meine, wenn es einfach Dummheit waere, oder Faulheit, okay. Aber es ist einfach, bei den meisten zumindest, nicht selbstverschuldet. Und das tut weh mit an zu sehen.

Das Leben hier ist anders, und doch irgendwie einfach dasselbe. Im Prinzip geht es uns allen um das Selbe, nur in anderen Maßstäben gedacht. C'est vrai, non?

ich in Boba (sprich "Bomba")

ich in Boba (sprich "Bomba")

1. Outfit von 7 verschiedenen

1. Outfit von 7 verschiedenen

2. Outfit (man bedenke: Handtasche, Schuhe, Kofschmuck, Schminke jeweils passend!!!)

2. Outfit (man bedenke: Handtasche, Schuhe, Kofschmuck, Schminke jeweils passend!!!)

Geburtstagsessen traditionell auf dem Boden

Geburtstagsessen traditionell auf dem Boden

v.l. René, Ich, Carin (mein Herzallerliebster Schatz)

v.l. René, Ich, Carin (mein Herzallerliebster Schatz)

© Johanna Hoffmann, 2007
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Endlich wird ein Traum wahr: Mama Africa, ich komme!! Für voraussichtlich 12 Monate werde ich in Abomey leben, davon 6 Monate in einem SOS Kinderdorf, die anderen 6 in einem Krankenhaus ein freiwilliges Praktikum machen.
Details:
Aufbruch: 07.10.2007
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: Oktober 2008
Reiseziele: Benin
Ghana
Der Autor
 
Johanna Hoffmann berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.
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