Abenteuer Amazonas

Reisezeit: Januar 2020  |  von Beatrice Feldbauer

Regen - Wald

"Beatrice, bist du wach?" Ein Blick auf die Uhr, es ist kurz nach fünf. Davis steht vor meinem Bungalow. "Wir möchten einen Morgenausflug machen."

Sonnenaufgang ist gegen sechs Uhr. Allerdings ist der Himmel auch heute wieder wolkenverhangen, so wie eigentlich fast immer hier. Darum heisst es ja Regenwald, weil die Feuchtigkeit immer Wolken entstehen lässt, die sich jederzeit entladen können. Jetzt während der Regenzeit ist das noch stärker, es regnet oft, meistens nachts. Am ersten Abend war dann der Himmel aber plötzlich ganz frei. Eveline und Peter durften bei der Rückkehr von ihrem Krokodil-Ausflug, bei dem sie leider keine leuchtenden Augen am Flussufer entdeckten, einen Blick in den Himmel machen. Ein unglaublich faszierendes Erlebnis, wenn sich das gesamte Firmament über dem dunkeln Wald zeigt. Ich war da bereits eingeschlafen.

Die Dämmerung setzt bereits ein, als wir ins Boot steigen. Heute ist Pablo unser Motorista. Wir fahren auf dem Yarapa, In den Bäumen erwachen die Vögel und ein Konzert setzt ein. Es ist kein Gezwitscher, es sind eher Rufe, ein Geräuschteppich von vielen Vogelstimmen. Manchmal kann man einzelne schrille Pfiffe erkennen. Davis kann sie wohl zum grössten Teil unterscheiden, wir sind schon glücklich, wenn wir den prägnanten Ruf des Oropendula erkennen.

Ich weiss, Davis möchte uns gern verschiedene Tiere zeigen, doch in der Regenzeit ist das relativ schwierig. Nur die Vögel leben ihr normales Leben weiter, andere Tiere ziehen sich dann zurück. Wenn dann aber der Pegel des Wassers ganz hoch ist, dann kann man plötzlich wieder mehr Tiere finden, weil sie sich dann in den Schutz der Bäume zurückziehen müssen und nicht am Boden bleiben können.

Vögel schwirren über das Wasser auf der Suche nach Moskitos. Ganz oben können wir manchmal ein Papageienpaar erkennen, oder einen Tukan mit seinem grossen Schnabel. Auf den hohen Böumen sitzen Cara-Caras und behalten den Überblick und auch heute wieder sitzen mehrere Geier in den Böumen. Ein Eisvogel fliegt uns voran. Leider setzt er sich nie genug lange auf einen Ast, damit wir ihn fotografieren könnten. Egal, wir sammeln nicht nur Eindrücke mit der Kamera, sondern vor allem mit Augen und Ohren.

Mama Alicia

Mama Alicia

Zum Frühstück sind wir zurück. Vor der Lodge steht eine ältere Frau. Später erfahre ich, dass sie genau gleich alt ist, wie ich, so ist das eben mit den Jahren.

Es ist Mama Alicia, die frühere Besitzerin des Geländes. Sie hat ganz in der Nähe etwas flussaufwärts noch ein kleines Häuschen, wo sie wohnt. Wovon sie lebt weiss ich nicht, nur dass sie ein paar Hühner hat. Und manchmal vermietet sie ihr Boot oder verkauft ein paar Früchte. Sie kommt regelmässig vorbei, wenn Teresa in der Lodge ist. Sie scheint eine gute Freundin geworden zu sein.

Nach dem Frühstück, heute mit Omeletten, statt Spiegeleiern, meint Davis, dass er noch einen kurzen Ausflug machen möchte. Fischen ist angesagt, Piranas fischen.

"Nehmt euren Regenschutz mit, es könnte regnen."

Papayablüten

Papayablüten

Papaya

Papaya

schwarze Bananen

schwarze Bananen

Eine Lukuna ist vom Baum gefallen.

Eine Lukuna ist vom Baum gefallen.

Ich verzichte auf das Fischen, mache lieber noch einmal einen Rundgang um die Lodge. Teresa liebt das Gärtnern. Das sieht man gut. Sie hegt die verschiedensten Pflanzen: verschiedene Bananenstauden, Papayas, Zuckerrohr, Cocona, Mangos, Kokosnuss und natürlich Yucca. Es gibt auch einen Baum mit Cashew. Noch vor zwei Wochen hatte er ganz viele Früchte, jetzt kann ich keine mehr finden.

Teresa hat auch heute ihr Spezialwerkzeug geschultert und gräbt Löcher für neue Bananenstecklinge. Sie hat sie bei den grossen Sträuchern abgenommen und verteilt sie auf dem Gelände. Bananen sind eigentlich keine Bäume, sondern Stauden. Wenn sich eine Frucht bildet und reif ist, wird der Stamm umgehackt. Inzwischen haben sich rund um den Mutterstamm viele Stecklinge gebildet, die jetzt in die Höhe streben.

Auch Zuckerrohr ist einfach zu vermehren. Teresa hackt eine Stange mit der Machete um und schlägt sie in kurze Stücke. Diese will sie uns später servieren. Einen Teil aber steckt sie schräg in ein kleines Erdloch, das sie mit der Machete geöffnet hat und tritt die Erde mit den Gummistiefeln rundum fest. Es wird anwachsen.

Die Machete ist hier im Busch das Universalwerkzeug. Man kann mit ihr jäten, Garten umgraben, Wege frei machen und Gemüse rüsten. Nur um das Gras rund um die Lodge kurz zu halten, hat Pablo eine Maschine. So etwas wie einen einfachen Rasenmäher. Wenn er damit unterwegs ist, ist er immer von den glänzenden schwarzen Vögeln umschwärmt. Sie haben längst entdeckt, dass die Würmer und Insekten aufgeschreckt werden, wenn Pablo mit dem lauten Gerät unterwegs ist. "Manchmal muss ich richtig aufpassen, dass ich keinenvon ihnen erwische, sie sind wirklich ziemlich aufdringlich", hat mir Pablo gestern erzöhlt. Heute hocken sie im Gebüsch und beobachten Teresa.

ich ziehe mich in die Hängematte zurück. Noch einmal die Geräusche einfangen, ein letztes Mal.

Und dann fängt es an zu regnen. Und wie! Urplötzlich ist er da, Der ganz starke Regen. Teresa kommt, stellt den Tisch etwas zur Seite, denn sie hat genau gewusst, wo das Dach beim starken Regen durchlässig ist. Es schüttet aus allen Rohren. Und es geht ein starker Wind. Wo wohl die Fischer sind? Hoffentlich können sie irgendwo unterstehen, hoffentlich sind sie nicht in der Mitte des Flusses. "Sie kommen um halb zwölf zurück," Teresa ist nicht beunruhigt, ich versuche meine Nerven unter Kontrolle zu behalten.

Dann plötzlich ein Knall, etwas fällt um. Ein Baum? Es knacken Äste und kurz erschüttert es die ganze Lodge. Dann ist es ruhig. Der Regen hat nachgelassen, der Wind auch. Wir gehen nachsehen.

Hinten, beim Bungalow von Eveline und Peter ist ein Baum umgefallen. Ein morscher, trockener Baum, der im noch unbearbeiten Wald stand, da wo der Steg aufhört, der zu weiteren Bungalows führen wird.

Der umgestürzte Baum am Ende des Durchgangs

Der umgestürzte Baum am Ende des Durchgangs

Gestern noch habe ich mit Pablo über die hohen Böume gesprochen. Wir mögen beide nicht unnötig Bäume fällen, aber ich habe ihn gebeten, auf tote Böume zu achten. Dass da einer im Wald stand, in Reichweite der Lodge haben wir nicht beachtet. Der Schaden hält sich in Grenzen, einzig eine Ecke des Durchgangs wurde ein wenig getroffen. Mit ein paar Nägeln wird das bald wieder behoben sein. Zeigt aber doch, wie umsichtig beim Bau von weiteren Bungalows vorgegangen werden muss.

Es ist halb zwölf vorbei, ich bin jetzt doch etwas beunruhigt, wo die Fischer bleiben. In welche Richtung sind sie gefahren? Ich habe mich nicht geachtet, nehme an flussaufwärts. Zum Piranas fischen braucht es ruhiges Wasser.

Ich höre einen Motor, doch es ist nicht unser Boot. Wo sind sie? Es gibt keine Verbindung. Kein Telefon, kein Netz. Nur Wasser und Wald. Und wenn der Motor nicht mehr gestartet ist?

Zuckerrohr-Stücke

Zuckerrohr-Stücke

Teresa bringt mir Zuckerrohrstücke zum lutschen und aussaugen. "Pablo wird völlig durchnässt sein, er hat keinen Regenschutz dabei," meint sie und schaut jetzt auch etwas besorgter hinaus auf den Fluss.

Und dann kommen sie. Mit lachenden Gesichtern, die unter den blauen und grünen Pelerinen hervor leuchten. Regen im Regenwald, was kann man mehr verlangen. Abenteuer gebucht, Abenteuer erhalten. Nur mit den Piranas hat es nicht geklappt. "Bei Regen schlafen sie", meint Davis. "Swimming-Pool im Gummistiefel" lacht Eveline und streift sich die schwarzen Dinger von den Füssen. Auch Peter entlässt einen Wasserfall aus seinen Stiefeln.

Also alles in Ordnung. Sie waren in einem schmalen Nebenarm, etwas geschützt unter Bäumen als der grosse Schauer über sie kam.

Jetzt gibt es erst einmal Mittagessen. Spaghetti mit Tomatensosse und dann geht alles ganz schnell. Das Schiff für unsere Rückfahrt ist ingetroffen. Zusammenpacken, Küche räumen, Kisten einladen. Peter hilft beim Einladen der schweren Kisten. Teresa und Clothilda packen die Wäsche zusammen, nehmen sie mit nach Iquitos, die Kinder sind auch wieder aufgetaucht. Sie waren sehr ruhig, meistens im oberen Stock oder in der Küche.

Luana bringt mir einen Brief. Para Tia Beatrice. Sie hat ihre beiden Plüschtiere gezeichnet und ein wenig dazu geschrieben: Felipe esta timido como Diego, pero Listo esta listo para todo. - Felipe ist schüchtern wie Diego, aber Listo ist bereit für alles. Es scheint, auch Luana wäre bereit für alles.

Aber jetzt geht es erst einmal zurück nach Nauta. Zurück über den Ucayali, durch den Kanal der heute noch mehr mit Pflanzen überwachsen ist. Ein Wunder, wie der kleine Motorista, mehr als 14 wird er wohl kaum sein, hier den Weg findet.

Noch ein kurzes Stück flussaufwärts auf dem Maranon und dann hat uns die Ziviisation wieder. Pablo ruft Keyla an, damit sie das Taxi organisiert, das uns in Nauta abholen wird und wir starren auch wieder kurzfristig in unsere Handys, versenden erste Eindrücke aus dem Dschungel und checken mails und WhatsApp. So ist das eben, das moderne Reisen.

Mono hat jetzt auch ein Plätzchen gefunden. Er geht mit Davis, der ihn seinen drei Kindern mitbringt. Wie er uns später versichert wird er sofort als Familienmitglied aufgenommen und heisst jetzt Mono Marti.

Mono hat jetzt auch ein Plätzchen gefunden. Er geht mit Davis, der ihn seinen drei Kindern mitbringt. Wie er uns später versichert wird er sofort als Familienmitglied aufgenommen und heisst jetzt Mono Marti.

Das Taxi bringt uns zurück nach Iquitos wo uns Rita erwartet. Natürlich will sie alles wissen, was wir im Dschungel erlebt haben. Es ist gar nicht so einfach, alles zu erzählen. Es gibt so vieles. Zum Glück haben wir ein paar Videos und ganz viele Fotos. Wie bringt man all die Vögel, die Affen, die Moskitos, den Regen und die Hitze in ganz kurzer Zeit zusammen.

Lange bleibt uns nicht Zeit, wir treffen uns später zum Nachtessen mit der ganzen Familie von Keyla. Rita hat Teresa und Pablo mit ihren vier Töchtern und Pablo junior zum Nachtessen ins Frio y al Fuego eingeladen.

Es wird ein sehr schöner Abend mit viel Lachen, viel Erzählen, mit gutem Essen und mit einer grossen Geburtstagstorte. Diego feiert seinen 4. Geburtstag.

Danke Rita, es war wunderbar.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach vier Jahren kehre ich zurück nach Iquitos, wo ich mit Hilfe von Einheimischen eine Lodge geführt habe. Ich werde Freunde besuchen und freue mich auf neue Begegnungen.
Details:
Aufbruch: 04.01.2020
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 31.01.2020
Reiseziele: Peru
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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