Abenteuer Amazonas

Reisezeit: Januar 2020  |  von Beatrice Feldbauer

Bienvenidos en Iquitos

Es ist eine unruhige Nacht. Man wartet auf die Ankunft in Nauta. Einzelne Leute haben angefangen, ihr Gepäck zusammen zu packen, machen sich auf den Ausstieg bereit. Ausserdem ist es saukalt und der Wind pfeifft durch das Oberdeck. Ich versuche, mich so gut als möglich mit dem dünnen Tuch einzuwickeln und die Hängematte über meine Beine zu schlagen. Hätten wir doch eine breitere kaufen sollen?

Und dann geht plötzlich alles ganz schnell. Es ist zwei Uhr in der früh, das Schiff hält, Hängematten sind im nu heruntergeholt, die Menschen streben zum Ausgang. Von hier werden sie Sammeltaxis nehmen, die sie in eineinhalb Stunden Iquitos bringen. Oder sie warten auf den Bus, der gute zwei Stunden braucht. Wir sind aufgestanden, schauen dem Treiben zu, beobachten die Leute, die Waren entgegen nehmen. Es werden ganz viele Elektrogeräte ausgeladen. Sofern auch wirklich das drin ist, was auf den Kartons steht. Ausserdem wird das Mototaxi an Land gehievt und weggefahren. Kein Mensch hat sich nach Transportschäden erkundigt, oder das Gefährt wenigstens genauer angesehen. Es fährt, das reicht. Alles passiert in diesem gelben Licht, das überall in Südamerika verwendet wird. Im Gegensatz zu unserem hellen weissen Licht, hat das gelbe immer etwas Mystisches, Geheimnisvolles.

Das Express-Boot

Das Express-Boot

Ein Express-Boot legt an. Das wäre die Alternative zum Frachtschiff gewesen, doch wir sind uns einig, dass wir zwar die länger, aber die schönere Variante gewählt haben. Fahren im Express-Boot wäre wie Bus-Fahren.

Nach einer Stunde legt das Schiff wieder ab, wir verziehen uns zurück in die Hängematte, wo wir versuchen, noch ein paar Stunden Schlaf zu holen ohne zu Schlottern.

man muss sich zu helfen wissen. Eveline hält alle Wörme zusammen.

man muss sich zu helfen wissen. Eveline hält alle Wörme zusammen.

Bei Tageslicht sehen wir, dass ungefähr die Hälfte der Passagiere ausgestiegen ist. Auch wir fangen jetzt langsam an, unsere Sachen zusammenzupacken. Das zu viel mitgebrachte Wasser, das wir in grossen Behältern gekauft hatten, bringen wir der Köchin. Auch die zu viel gekauften Früchte, bei denen beim Einkauf der Gluscht grösser als der Hunger war, bringen wir in die Kombüse. Gloria freut sich sehr und ist gern bereit, für ein Erinnerungsfoto zu posieren. Sie hat sich überhaupt die ganze Zeit von ihrer besten Seite gezeigt. Hat sie bei den ersten Essensausgaben noch mürrisch geguckt, wenn unsere Gruppe das Essen lange nach den anderen abgeholt hat, weil wir wieder einmal ihren Ruf mit dem Küchenmesser am Gitter verpasst hatten, so hat sie sich später gefreut, wenn wir gleich nach dem ersten Ton da waren. Ausserdem hat ihr Peter ein Trinkgeld gegeben und Eveline hat sie beim Rupfen der Hühner beobachtet.

Es ist schon etwas speziell, dass sie auf dieser Reise all die Hühner selber geschlachtet hat, die am Anfang unter der Treppe in einem Verschlag eingepfercht waren. Wo kann man sowas bei uns noch sehen? Doch es ist eben so, Poulet kommt von lebenden Hühnern und jemand muss sie schlachten, bevor sie in der Fleischtheke vom Supermarkt liegen. Jedenfalls war das Fleisch frisch und wie mir die anderen bestätigen sehr zart.

Da haben sich zwei gefunden: Gloria und Peter

Da haben sich zwei gefunden: Gloria und Peter

Wir fahren jetzt auf dem Amazonas, denn seit dem Zusammenfluss des Maranon mit dem Ucayali, den wir kurz nach Nauta passiert haben, heisst der Fluss offiziell Amazonas. Wir nähern uns der Stadt Iquitos, das zeigt uns nicht nur Maps me, sondern man kann es auch daran erkennen, dass wir wieder Internet-Verbindung haben.

Keyla fragt an, wann wir ankommen und in welchem Hafen wir anlegen werden. „Masusa“, melde ich zurück, „gegen 11.00 Uhr“. „Wir freuen uns“.

Keyla hat meine Lodge übernommen, als ich das Projekt aufgegeben hatte. Sie fand, dass es schade sei, die Lodge komplett aufzugeben, wo wir doch so viel Arbeit, Geld und Herzblut hinein gesteckt hatten. Wie die Lage aber im Moment aussieht, weiss ich nicht, wir haben darüber nicht sehr oft kommuniziert, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie nicht mehr in Funktion ist.

Ich versuche, ein paar erste Eindrücke von der Fahrt ins Facebook zu stellen. Bald erreichen wir die Stadt und fahren in den Itaya-Fluss hinein, an dem sich die grossen Häfen der Stadt befinden. Wir stehen oben an der Reeling und beobachten, wie der Frachter einen Platz zwischen den grossen Frachtern, die bereits hier stehen, findet. Dabei entdecken wir den Hühner-Schweine-Tranporter wieder. Noch sind die Tiere alle an Bord. Ob die wohl noch weiter fahren?

Ich beobachte die Leute an Land, ein paar Mototaxis stehen da. Leute im Schlamm, die auf Waren oder Personen warten. Und dann sehe ich sie. Pablo, Keylas Vater schwenkt die Schweizer Fahne. Was für ein Empfang! Und endlich legen wir an, Keyla ist eine der ersten, die an Bord stürmt. Mit der Schweizer Fahne hüpft sie auf dem Unterdeck, so dass jeder sehen kann, wen sie hier abholt.

Was dann folgt, ist Emotion pur. Eine minutenlange Umarmung. Heimkommen. Keyla ist mit der ganzen Familie gekommen. Mit Papa Pablo, Mama Teresa, Bruder Pablo mit seiner Frau. Auch ihre Schwester mit der kleinen Tochter ist da und natürlich Diego, ihr kleiner Sohn, den sie bei ihrem Besuch vor vier Jahren bereits unter dem Herzen getragen hat. Auch wenn ich das Gefühl vom nach Hause kommen noch bei der Einfahrt nach Iquitos von mir gewiesen habe, bei der Begrüssung durch die Familie von Keyla fühle ich mich hier wieder zu Hause.

Schnell sind die Koffer ausgeladen, wir besteigen ein paar Mototaxis und fahren ins Casa Fitzcarraldo. Auch Walter scheint sich zu freuen, mich wieder zu sehen. Die Freude ich echt und gegenseitig. Es ist Mittag, ich lade die ganze Familie zum Essen ein. Doch vorher brauchen wir eine Dusche. Ein Königreich für eine Dusche. Wir beziehen die Zimmer und geniessen das saubere Wasser, das hier nicht nur aus dem Fluss geholt, sondern richtig sauber ist. Tatsächlich hat Walter in seinem Hotel vor ein paar Jahren eine Frischwasseraufbereitung eingebaut, so dass aus seinen Hahnen überall Trinkwasser fliesst. Ein unglaublicher Luxus.

„Wo ist Felipe?“ fragte Diego gleich bei der Ankunft. Dieser hatte sich tief in meinem Rucksack vergraben, denn auf dem Schiff waren ihm zu viele Kinder, die hätten ihn bestimmt alle gleich in ihr Herz geschlossen. Hier aber ist nur ein Kind und das scheint auf ihn gewartet zu haben. Also kommt er aus seinem Versteck und direkt in die Arme von Diego.

Und noch jemand ist aus meinem Rucksack geschloffen: Listo, der mich auf der letzten Guatemala-Reise begleitet hat, war als blinder Passagier ebenfalls dabei und wird von Luana, Keylas Nichte gleich in Beschlag genommen. Als später noch die kleine Marycely dazu kommt, darf sie auswählen zwischen dem Äffchen Mono und dem kleinen Bären Böbeli. Sie entscheidet sich für Böbeli und muss noch etwas üben, bis ihr der Name richtig über die Lippen kommt.

Pablo hat seine Gitarre mitgebracht und gibt uns ein Ständchen. Bienvenidos en Iquitos, sein Lied geht mir heute noch einmal so tief wie sonst. Tatsächlich geht mir die ganze Begrüssung, das Wiedersehen, die Aufregung, das Essen nach meiner Abstinenz und nicht zuletzt der süsse Pisco Sour sehr nahe und nach dem reichhaltigen Essen – ich habe Lagarto (Krokodil)-Nuggets bestellt – entschuldige ich mich und ziehe mich in mein Zimmer zurück. Wir werden jetzt eh in intensivem Kontakt bleiben.

Ich bin in diesem Moment übrigens nicht mehr fähig irgendwelche Fotos zu machen, darum hält Eveline diese speziellen Momente mit Foto und Video fest. Danke dafür.

Keyla hat gemerkt, dass Rita etwas Magenprobleme hat und zwei Stunden später bringen Pablo und Teresa eine Flasche mit heissem Tee. Sie sind extra auf den Markt gegangen, haben sieben Kräuter gekauft und einen heilsamen Tee gebraut. Rita ist sehr gerührt. „Wenn du mehr brauchst, melde dich“, sagen sie noch, bevor sie wieder wegfahren.

Jeder von uns verbringt den Nachmittag nach seinem Bedürfnis. Am Pool, oben im Baumhaus, in der Hängematte oder im Bett. Bei Einbruch der Dunkelheit treffen wir uns und entscheiden, einen ersten Besuch in Iquitos zu machen. Die anderen sind ja schon sehr gespannt, die Stadt endlich kennen zu lernen, von der ich in unzähligen Blogeinträgen in den letzten Jahren erzählt hatte.

Wir nehmen uns also zwei Mototaxis und rattern und knattern in die Stadt. Das allein ist schon ein Abenteuer. Vor allem, als uns die beiden Fahrer an verschiedenen Stellen ausladen und wir uns erst wieder finden müssen. Dank WhatsApp ist das aber überhaupt kein Problem. Wir schlendern über den Hauptplatz, der noch immer mit zwei hohen Weihnachtsbäumen und einer blinkenden Krippe geschmückt ist. Ausserdem gibt es zwei Konzerte. Einerseits hat Michael Jackson gerade einen viel beachteten Auftritt, andererseits gibt ein Musikant ein kleines feines Konzert, das allerdings kaum Zuhörer findet.
Luftballonverkäufer laufen durch die Menge, ein Fotograf mit seiner Mischung aus Esel und Pferd wartet auf kleine Kunden, die er auf sein Holztier setzen kann um den Eltern eine bleibende Erinnerung zu verkaufen. An diesen Sonntag-Abend, 12. Januar 2020. Vor einer Woche sind wir in Lima angekommen und was haben wir doch inzwischen alles gesehen und erlebt. Es kommt uns vor, als wären wir schon viel länger unterwegs.

Auch auf dem Bulevard, der Flanierzone von Iquitos ist viel los. Aus einem Laden ertönt es: BEATRICE. Victoria hat mich entdeckt und stürmt auf mich zu. Ich kenne sie seit meinem allerersten Besuch in der Stadt im 2008 und habe unzählige Handarbeiten von ihr an meine Freunde vermittelt. Auch Mamita, die Besitzerin des Down on the Amazon erkennt mich sofort. Das letzte Mal war sie noch zusammen mit ihrem Mann John, einem Amerikaner. Irgendwann im Laufe der letzten Jahre gab es in Iquitos ein starkes Gewitter, John hat das Fenster geöffnet und hinausgeschaut, als er von einer Böe erfasst und auf die Strasse geschleudert wurde. Was für eine Tragödie. Inzwischen führt sie das gut laufende Lokal alleine weiter.

Wir kehren im La Notte ein, eines meiner Lieblingsrestaurants. Hier kann man so richtig gut die Menschen beobachten. Das ganze Gewusel aus Kindern und Erwachsenen, die sich auf dem Bulevard vergnügen. Es gibt Glücksspiel, Handarbeiten von Einheimischen und Aussteigern, eine improvisierte Theateraufführung in der runden Arena, eine Gauklertruppe, die musizierend den Bistros entlang schlendert. Es gibt so viel zu sehen, dass ich es gar nicht alles aufzählen kann. Der ganz normale Sonntagabend auf dem Bulevard eben.
Wir bestellen eine Suppe, mehr mögen wir nach dem opulenten Mittagessen im Casa Fitzcarraldo nicht mehr ertragen und gegen zehn Uhr fahren wir mit den Mototaxis zurück ins Hotel.

Text des Liedes von Raul Vasquez

Bienvenidos a Iquitos

Al bajar del avión, sientes que el corazón
te late más fuerte y como el aguardiente
te abraza el calor
después descubrirás que te
empieza a embrujar
la blanca sonrisa de una
muchachita que viene
y que va,
va diciendo, tu no eres extranjero,
no eres un forastero pues
tienes mi techo para hacer hogar.
Bienvenidos Señores a
Iquitos
este es el pueblo llamado canción (bis)
Bienvenidos Señores a Iquitos
ésta es la casa del dios del
amor (bis)
Si tienes que marchar, hazlo
sin sollozar
pues tarde o temprano buscarás
un río para regresar
a esta tierra, peruana bandera
que te abre los brazos y los
corazones vuelven a cantar.
Bienvenidos Señores a
Iquitos
éste es el pueblo llamado
canción (bis)
Bienvenidos Señores a Iquitos
ésta es la casa del dios del
amor

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach vier Jahren kehre ich zurück nach Iquitos, wo ich mit Hilfe von Einheimischen eine Lodge geführt habe. Ich werde Freunde besuchen und freue mich auf neue Begegnungen.
Details:
Aufbruch: 04.01.2020
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 31.01.2020
Reiseziele: Peru
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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