Abenteuer Amazonas

Reisezeit: Januar 2020  |  von Beatrice Feldbauer

Belem

Eine der Hauptattraktionen von Iquitos ist der grosse Markt von Belem. Er findet jeden Tag statt. Hier kauft man seine frischen Lebensmittel ein. Darum ist dieser Markt heute unser Ziel.

Zuvor aber geniessen wir das Frühstück im Hotel. Eine grosse Schale mit frischen Früchten, Eier, Schinken, Käse, Orangensaft, Kaffee und selbst gebackenes Brot. Walter ist zu Recht stolz auf sein Frühstück, das wir draussen einnehmen. Dann fahren wir per Mototaxi nach Belem. Durch die ganze Stadt, vorbei an der Kirche und dem Hauptplatz erreichen wir nach einer guten Viertelstunde Belem Prospero. Da ist der Zugang zum grossen Markt. Wie immer sind viele Menschen unterwegs. In Ermangelung von Kühlschränken wird hier jeden Tag für den täglichen Bedarf eingekauft.

Die Frühstückstheke

Die Frühstückstheke

An den ersten Verkaufsständen werden Kleider und Schuhe angeboten. Die Auswahl an FlipFlops ist schier endlos. Ausserdem gibt es hier die Frühstückstheke mit all den Ständen an denen Fruchtsäfte und Smoothies angeboten werden. Die Mixer bleiben kaum stehen, hinter jedem Stand lacht eine Verkäuferin und bietet ihre Leckerbissen an. Frisch belegte Sandwiches in allen möglichen Varianten.

Ein paar Fruchtstände folgen und dann gilt es zu entscheiden, ob wir geradeaus in die grosse Halle oder links den Gemüse- und Früchten folgen wollen. Wir entscheiden uns für den Fleischmarkt in der Halle. An den ersten Ständen wird Geflügel angeboten. Frisch geschlachtete Poulets, ganze, aufgeschnittene, mitsamt den ungelegten Eiern liegen da, Pouletteile, Schenkel, Flügeli, aber auch Hühnerbeine, die sehr beliebt sind.

Der Markt ist bald vorbei, es geht gegen Mittag und darum haben die Frauen Zeit für einen Schwatz. Rita und Eveline kommen ins Gespräch mit ein paar jungen Frauen. Sie wollen wissen, woher wir kommen, freuen sich an Bildern aus der Schweiz und schnell werden FB-Freundschaften geschlossen.

Dann kommen die Stände mit dem Schweinefleisch. Auf den Holztischen liegen die Fleischstücke, ja ganze Schinken und Schnitzel. Geschnitten wird es mit der grossen Machete, die sowieso für alles gebraucht wird, das zerkleinert werden muss. Ein paar Rindfleisch-Stände, dann folgen Innereien.

Zu hinterst an der Wand die Chonta-Verkäuferinnen. Chonta sind Palmherzen, die von Hand in ganz feine Streifen zerkleinert werden. Man nennt sie auch Spaghetti des Waldes. Verkauft wird sie ganz frisch, eingepackt in grosse Blätter. Man muss sie spätestens am nächsten Tag essen. Ein paar Spritzer Zitronensaft dazu und ein paar Tomatenscheiben ergibt sie einen feinen Salat.

Im oberen Teil der Halle gäbe es noch Fische, aber diese Stände sind im Moment schon ziemlich verwaist. Nur noch wenige Händler bieten ihren frischen Fang an.

Camu-Camu

Camu-Camu

Chonta-Verkäuferin

Chonta-Verkäuferin

Säge...

Säge...

... oder Machete

... oder Machete

Wir treten wieder hinaus auf die Strasse und sind jetzt im oberen Teil des Marktes. Da wo der Blick zwischen den Häusern hinaus reicht über die Blechdächer von Belem. Man könnte hier die Treppe hinunter gehen, doch alleine ohne Begleitung ist es nicht ratsam. Ich wurde hier schon einmal von einem Polizisten wieder zurück geschickt. Nein, nach Belem sollte man nicht allein gehen, es scheint zu gefährlich zu sein. Wobei ich selber nicht genau weiss, woraus die Gefahr besteht. Vor allem, wenn man nichts dabei hat, das sich zu stehlen lohnt.

Hier oben sitzen die Geier auf den Drähten und warten auf ihren Einsatz um den Markt aufzuräumen, respektive die fressbaren Überbleibsel aufzupicken. Es ist besser, wenn man hier darauf achtet, wo man hintritt, denn je länger der Markt dauert, umso mehr liegt auf dem Boden.

Am Morgen hatte ich mir noch überlegt, ob ich Lito fragen soll, ob er Zeit hätte, uns durch Belem zu begleiten, doch ich habe mich dagegen entschieden. Er wird mich schon finden. Lito ist einer der Guides in Belem, die den Touristen den Markt erklären und Bootsfahrten anbieten. Und genau so ist es auch, gerade als wir in den Schamanenmarkt einbiegen wollen, sehe ich ihn. Oder er mich. „Beatrice! Que alegria verte!“ Immer wieder bin ich überrascht über das gute Personengedächtnis der Leute. Lito hat mich mit Gästen schon öfters über den Markt begleitet.

Manchmal, wenn man mit grösseren Gruppen unterwegs ist, schliesst sich diskret auch noch ein Polizist der Touristenpolizei an. Dieser erwartet am Schluss ein kleines Trinkgeld, achtet aber darauf, dass niemand aus der Gruppe verloren geht und hält möglicherweise Taschendiebe ab, ihrer Tätigkeit nachzugehen.

Lito kennt sich auf dem Schamanenmarkt natürlich bestens aus. Erklärt in spanisch und englisch was es mit den vielen Kräutern und Säften, den Medizinflaschen und den Rinden und Samen auf sich hat. Gegen alles gibt es Mittel. Genauso gegen Ritas Magenprobleme wie gegen Peters Schmerzen in den Gelenken. Duschen und eine Viertelstunde lang einreiben vor dem Schlafengehen ist das Rezept, oder Trinken auf nüchternen Magen, ins Wasser einlegen und sich damit reinigen. Für jede Krankheit gibt es ein Mittel und Lito kann gar nicht mehr aufhören mit zeigen und erklären. Alles ist natürlich und alles tut einem irgendwie gut, hilft für die Potenz, bringt Liebesglück oder lindert Unterleibsschmerzen. Für Frauen und Männer gibt es geeignete Medizin.

Lito mit Schlangenmedizin

Lito mit Schlangenmedizin

Ich habe inzwischen eine Mitteilung von Keyla bekommen. „Wie geht es Rita, braucht sie noch Tee? Wo seid ihr? Könnt ihr da noch eine Viertelstunde bleiben?“

Natürlich können wir, Lito braucht Zeit für die seine Erklärungen. Daher ist es für alle eine Riesenüberraschung, als plötzlich Keyla dasteht. Mit einer Wasserflasche voller Tee. „Für dich, ich habe ihn selber gekocht. Mit sieben Kräutern, die ich vom Markt geholt habe“. Bei so viel Fürsorge kann Rita nur noch strahlen. Schnell verabschiedet sich Keyla, sie muss zur Bank, wo sie arbeitet.

Wir werden inzwischen ausser Lito auch noch von seinem Bruder Luis begleitet. Er achtet darauf, dass wir uns nicht verlieren.

Lito führt uns weiter über den Markt, immer tiefer hinein, dahin wo exotischere Angebote warten. Schwarze aufgestapelte Fische, die noch zucken. Stände mit frischem Tabak, hinter denen Zigaretten gedreht werden, Fleisch aus dem Dschungel. Es muss etwas ähnliches wie Reh sein, gesehen habe ich das Tier noch nie, aber die Hufe deuten darauf hin. Fast nicht auszuhalten sind die aufgeschnittenen Tortugas. Schildkröten. Und immer wieder Fisch und Poulet, bunt gemischt mit Medikamenten, Pillen in allen Farben, und für alle Fälle. Einzelne Blister, offen verkauft. Lebensmittelzusätze wie Maca, das auch in unseren Ländern öfters einen Boom hat. Wir folgen Lito und gelangen langsam immer tiefer hinunter in Belem. Hier ist der Bananenmarkt. Vielleicht sind die Bananen, die gestern mit unserem Schiff gekommen sind, inzwischen hier angelangt.

Wir sind jetzt ganz unten am Fluss angelangt. Da wo in der Trockenzeit der Boden begehbar ist, ist jetzt alles überflutet. Hohe Stege wurden gebaut, denn das Wasser wird in den nächsten Monaten noch etliche Meter steigen. Darum stehen auch die Häuser hier unten alle auf Stelzen.

Lito führt uns zu einem Boot. Damit fahren wir durch die Häuserreihen mitten durch die Slums. Wie ist das wohl für die Menschen, die hier wohnen, wenn immer wieder Touristen durch ihre Wohnviertel fahren? Sie grüssen freundlich, winken aus den Häusern. Kinder lachen, tauchen ins Wasser, schwimmen um die Wette und winken uns zu. Männer fahren mit ihren Motorbooten an uns vorbei, heben kurz die Hand zum Gruss. Frauen waschen ihre Wäsche im Wasser und halten einen Moment inne, lächeln oder winken. Für mich immer wieder unfassbar. Diese Armut, gepaart mit dieser Freundlichkeit. Wir fahren über den Fussballplatz, kommen zur Kirche, zur Schule, die im Moment nur noch per Boot erreichbar sind. Oder man schwimmt hin.

Die Häuser stehen auf hohen Stelzen oder sie schwimmen. „Mein Haus kann ich Euch im Moment nicht zeigen, es ist zu schief, hält nicht mehr lange. Ich weiss nicht, ob es uns alle noch tragen würde“, erklärt Lito. Es gibt ein Projekt in Belem, dass die ärmsten Menschen umsiedeln möchte. Sie erhalten neue Häuser auf festem Grund.

„Ich habe mich bereits eingeschrieben, glaube daran, dass es klappen wird. Die Häuser werden zur Zeit gebaut. Es sind Häuser mit Strom und Wasseranschluss. Sie werden nichts kosten, einzig den Strom wird man bezahlen müssen.“ Das ist eine interessante Neuigkeit und ich bin gespannt, ob sich Belem dadurch ändern wird, oder ob einfach andere Leute in die alten Häuser einziehen werden.

Auch der Markt soll verschoben werden, die grosse Markthalle mit dem grünen Dach ist bereits am Entstehen. Allerdings sind nicht alle Händler damit einverstanden, denn die Preise werden steigen. Im Schamanenmarkt hatte gerade eine Versammlung der Händler begonnen, als wir ihn verliessen.

„Kannst du uns bis zum Bulevard fahren?“ Die Touren ab Belem enden meistens auch wieder da wo sie angefangen haben, aber ich möchte heute die bequeme Tour, die uns direkt ins Zentrum zurück bringt. „Natürlich, du bist der Boss, wir bringen Euch zum Bulevard.“

Wir verlassen also die schwimmenden Häuser und kommen hinaus auf die weite Wasserfläche mit den Wasserhyazinten und anderen Wasserpflanzen. Wie durch einen schwimmenden Teppich pflügt sich das Boot durch die Vegetation und schon bald legen wir unterhalb der Flanierzone des Zentrums an. „Danke für deinen Besuch und pass auf dich auf. Nos vemos.“ Ich werde ihn bestimmt auch nächstes Mal wieder treffen. Lito, den Guide aus Belem.

Für uns ist es jetzt Zeit für eine Erfrischung. Wir kehren bei Mamita im Down on the Amazon ein. Es ist sehr ruhig heute, wir sind die einzigen Gäste.

Danach gehen wir zur Bank am Hauptplatz und werfen einen Blick in die Kirche. Dann fahren wir zurück ins Hotel. Zurück in unser Paradies wo man noch ein paar Runden im Pool drehen kann oder in der Hängematte dösen und all die neuen Eindrücke verarbeiten kann.

Zum Nachtessen bleiben wir gleich im Hotel, für mich muss es wieder einmal Spaghetti sein.

Ich hatte heute wieder einmal die grösste Mühe, aus all den Fotos ein paar auszuwählen. Schwierig, schwierig. Ud immer wieder die Frage, habe ich den Markt wirklich richtig getroffen, kann man sich das überhaupt vorstellen?

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nach vier Jahren kehre ich zurück nach Iquitos, wo ich mit Hilfe von Einheimischen eine Lodge geführt habe. Ich werde Freunde besuchen und freue mich auf neue Begegnungen.
Details:
Aufbruch: 04.01.2020
Dauer: 4 Wochen
Heimkehr: 31.01.2020
Reiseziele: Peru
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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