Chile und Patagonien - Wohin der Wind uns weht

Reisezeit: Dezember 2006 - Februar 2007  |  von Reinhard & Christina Vogt

Isla de Pascua: Parque National Isla de Pascua

Hier auf der Osterinsel hatten wir nun auch zum letzten Mal für diesen Urlaub die Möglichkeit zum Besuch eines Nationalparks. Wobei: Eigentlich waren wir ja schon mittendrin. Denn der Parque National Rapa Nui umschliesst die komplette Insel, von dem bisschen Privatbesitz mal abgesehen.

Anders als in den bisher besuchten Nationalparks wird hier auf der Osterinsel vor allen Dingen das kulturelle Erbe der Rapa Nui geschützt:

  • die Petroglyphen - quasi Hyroglyphen auf polynesisch

  • die Ahus - zu Ehren verstorbener Familienmitglieder geschaffene Altäre und natürlich

  • die Moais - die weltbekannten, kolossalen Steinstatuen der Osterinsel

bis heute geheimnisvoll: die Moaistatuen

bis heute geheimnisvoll: die Moaistatuen

Alles das wollten wir natürlich sehen und auch die Geschichten, Legenden, Tatsachen und Hintergründe dazu erfahren. Dem entsprechend entschieden wir uns teilweise geführte Touren zu unternehmen.

Die Ahus und der Vulkan Ranu Raraku

Um uns mal ein Bild von der ganzen Kultur rund um diese zum Teil riesigen Steinköpfe machen zu können, machten wir gleich zu Beginn unseres Aufenthaltes eine geführte Ganztagestour. Kaum waren wir aus Hanga Roa ein Stück entlang der Südküste gefahren erreichten wir auch schon den ersten Ausflugspunkt - eine der Gedenk- und Begräbnisstätten der alten Kultur. Doch bevor unsere Führerin sich in Erklärungen und Geschichten ergiessen konnte fing ein anderer Anblick unsere Aufmerksamkeit.

Unbeeindruckt von diesem Anblick startete unsere resolute Führerin Andrea mit der Geschichte zu den Steinskulpturen und der Kultur von Rapa Nui. Bis dato waren die Bilder der Steinköpfe auf der Osterinsel ja das einzige gewesen, was wir zu der Insel an "Wissen" besessen hatten. Aber natürlich standen die Skulpturen nicht nur einfach so in der Gegend rum, sondern für die Rapa Nui hatten sie eine hochwichtige Funktion zu erfüllen. Diese Moais - geschaffen zu Ehren verstorbener hochrangiger Stammesmitglieder oder -führer - waren die Bewacher "ihres" Dorfes. Deshalb blickten sie von ihrem Steinaltar (Ahu) aus auch immer direkt auf dieses.

Doch auch schon zu Lebzeiten hatten wichtige Rapa Nui einige Privilegien. Beispielsweise lebten sie mit ihrer bis zu 12-köpfigen Familie als einzige in Hütten mit Steinfundamenten.

Unsere Reiseführerin Andrea zwischen den Fundamenten eines Bootshauses

Unsere Reiseführerin Andrea zwischen den Fundamenten eines Bootshauses

Ansonsten waren die Bootshäuser genauso gefertigt wie die Hütten der Normalbürger, nämlich aus Reetgras, Reisig und Lehm. Dem entsprechend schnell verfielen sie natürlich und sind heute gar nicht mehr sichtbar. Aber die Bootshäuser sind nicht das einzige, das heute nicht mehr steht. Wenn nicht einige der Moais restauriert und wieder aufgestellt worden wären, dann würden heute sämtliche Steinstatuen auf dem Gesicht liegen.

in etwa so

in etwa so

Dies hängt mit dem Untergang der ganzen Kultur zusammen. In der Blütezeit der Insel lebten auf Rapa Nui zahlreiche konkurrierende Stämme. Und so lange genug Holz für alle zum Leben da war, ging das auch gut. Aber irgendwann hatten die Insulaner alle Palmenwälder abgeholzt und damit wurde die neben Wasser wichtigste Ressource knapp. Jedenfalls glauben heute die Historiker, dass Raubbau der Grund für den folgenden großen Bürgerkrieg war, bei dem 70 % der Bevölkerung starben.

Im Krieg überfielen die Stämme gegenseitig ihre Dörfer. Und da kamen auch wieder die Moais ins Spiel. Denn die bewachten ja mit ihrem Blick das Dorf und verströmten nach dem Glauben der Rapa Nui durch ihre aus Korallen und Vulkangestein gefertigten Augen "Maná".

nur restaurierte Moais haben Augen!

nur restaurierte Moais haben Augen!

Dieses Maná war und ist für die Insulaner der Ausdruck einer Art Allmacht. Und weil das Maná der Moais der stärkste Schutz für das Dorf war, musste der befeindete Stamm zuerst diese Steinstatuen auf das Gesicht stürzen, bevor er das Dorf einnehmen konnte.

Für uns hörte sich das nach typischen Grundschulszene an: "Wenn du mich ärgerst, schütte ich dir deinen Schulranzen aus. So." Wenigstens ein bisschen.

Nun wussten wir also, was es so grundsätzlich mit den Moais auf sich gehabt hatte. Aber wie und wo waren diese Statuen hergestellt worden? Diese Frage wurde uns gleich an der nächsten Station, dem Vulkan Rano Raraku beantwortet. Denn das Granitgestein dieses Hügels lieferte den Rohstoff für die Moais. Die Rapa Nui vollbrachten hier erstaunliche Leistungen. Denn ausschließlich mit steinzeitlichen Werkzeugen bewaffnet rangen sie dem Hügel hunderte von Statuen ab.

Jede Querlinie zeigt die Ausbruchkante eines Moai

Jede Querlinie zeigt die Ausbruchkante eines Moai

In den Anfängen des Kults waren die Statuen mit 1,20m noch relativ klein und auch etwas unförmig gewesen. Doch dabei blieb es nicht, denn Ehrgeiz und Wettbewerb gab es natürlich auch hier. So perfektionierten die Rapa Nui nach und nach ihre Werke bis sie schließlich einen Moai von fast 22m Länge herstellten. Der allerdings wurde nie vollendet und wartet noch heute im Steinbruch darauf aus dem Fels herausgelöst zu werden. Viele andere große Statuen wurden zwar fertiggestellt und aufgerichtet. Aber zu ihrem Bestimmungsort konnten sie nicht mehr gebracht werden. Denn als der große Bürgerkrieg ausbrach, wurden sämtliche Arbeiten im Steinbruch eingestellt. Und so standen sie und standen und standen und überdauerten so die Zeit, während sie nach und nach geradezu im Boden versanken. Heute ragen nur noch die gigantischen Köpfe aus dem Boden: als Symbol und Zeugen des Untergangs einer Kultur aber gleichzeitig als weltberühmtes Wahrzeichen der modernen Osterinsel.

Bis zum Hals im Boden versunken: Moais im Steinbruch Rano Raraku

Bis zum Hals im Boden versunken: Moais im Steinbruch Rano Raraku

Aus dem Steinbruch heraus schafften es insgesamt nur wenige Statuen. Die großen schon gar nicht. Auf den zahlreichen Altären verteilt über die ganze Insel stehen (restauriert) oder liegen (original) meist Moais in der Größe von 5 - 7m. Der größte Altar mit insgesamt 15 Moais befindet sich nur wenige Kilometer entfernt vom Steinbruch in einer Bucht.

15 Moais auf einem Ahu: Rapa Nui-Rekord

15 Moais auf einem Ahu: Rapa Nui-Rekord

Aber neben hunderten von Moais, jeder Menge Kultur, Geschichte und Steinküste gibt es auf der Insel auch noch einige wenige palmenbestandene Strände. Und unter den Palmen ließen wir uns jetzt erst mal die ganzen Informationen sacken, die wir von der Führerin in englisch und spanisch bekommen hatten.

ohne Worte

ohne Worte

Das Inselinnere

Ahu am Anakena Beach

Ahu am Anakena Beach

Am Strand von Anakena wie auch an vielen anderen Stellen auf der Insel hatten wir sehen können, dass den Statuen oftmals rote "Steinhüte" aufgesetzt worden waren. Dabei handelt es sich - wie wir uns bei einer weiteren Tour von Führer Terry aufklären ließen - allerdings nicht um Kopfbedeckungen. Vielmehr soll dies einen Haarknoten darstellen. Denn so trugen die Ureinwohner ihr rotes Haar vorzugsweise, und das spiegelte sich auch in den Ahnendarstellugen wieder. Diese Haarknoten wurden in einem zweiten Steinbruch gefertigt, der diesen roten Vulkanstein hergab.

fertiggestellt aber nie abgeholt: rote Steinhaarknoten

fertiggestellt aber nie abgeholt: rote Steinhaarknoten

Die Fertigung der Moais und der Haarknoten muss ganze Generationen von Rapa Nui beschäftigt haben. Uns schien, dass sie damals beinahe nichts weiter taten. "Doch", meinte der Terry und fügte ironisch an: "Sie führten Krieg. Und da sie sich dann gegenseitig auch die Hütten anzünden, zogen sich die Einwohner in Höhlen zurück." Diese waren entweder auch von Hand geschaffen worden oder aber natürlichen Ursprungs und damit so alt wie die Insel selbst.

"Ich komm' lieber wieder raus. Ist doch ungemütlich hier drin."

"Ich komm' lieber wieder raus. Ist doch ungemütlich hier drin."

Die Höhlen mögen feucht und dunkel gewesen sein, aber sie stellten eine hervorragende Rückzugsmöglichkeit dar. Und so schlechte Behausungen waren das nun auch wieder nicht. Sogar Gärten legten sich die Rapa Nui direkt vor den Höhlen an und sicherten sich so die Versorgung.

Blick in den "Höhlengarten"

Blick in den "Höhlengarten"

Irgendwann war dann aber auch jede Stammesfehde mal ausgetragen und man versöhnte sich wieder. "Dies war immer ein großer Anlass", klärte uns Terry auf. "Und das musste auch mit einem entsprechend feierlichen Ritual begangen werden, mit einem Umu. Für ein solches rituelles Erdofenessen wird in einem Loch im Boden Feuer gemacht, auf dem Vulkansteine bis zur Weißglut erhitzt werden. Anschliessend stapelt man die Steine im Erdofen, darauf kommt eine Schicht Bananenblätter und darauf - wiederum in Bananenblätter eingewickelt - das Essen: Fleisch, Fisch, Süsskartoffeln und mehr. Das ganze wird dann noch einmal mit Bananenblättern und einer Schicht Erde abgedeckt und dann garen die Zutaten da drin etwa 3 - 5 Stunden." Wow, das hörte sich ja echt lecker an!

Und was sich lecker anhört, das sollte man auch unbedingt probieren, erst recht wenn es sich um eine lokale Spezialität handelt. Über die Agentur Rapa Nui Travel (www.rapanuitravel.com), die wir übrigens sehr empfehlen können, kamen wir trotz des gerade laufenden Tapati-Festes (da haben nämlich alle Insulaner tierisch viel zu tun und eigentlich gar keine Zeit) in den Genuss eines Umu. Viktor und Rosi richteten ein Umu für uns und vier weitere Touristen aus: Ein Freundschafts-Umu, wie Viktor betonte. Denn auch heute noch ist ein Umu der Tradition entsprechend an einen bestimmten Anlass geknüpft. Und dazu zählt auch Freundschaft. So war dann auch die Atmosphäre in dem Restaurant der beiden familiär. Wie es die Tradition vorgibt, vollzog Viktor bei der Öffnung des Erdofens die zugehörigen Rituale...

...und holte dann die Leckereien raus.

...und holte dann die Leckereien raus.

Von seinen Beschwörungen verstanden wir zwar kein Wort, aber wir waren echt beeindruckt. Allein das machte dieses Umu zu einem besonderen kulturellen Erlebnis. Und erst recht das Essen. Denn auch wenn Fisch, Fleisch und Kartoffeln keine Gewürze zu sehen bekommen hatten, war der Geschmack durch das Zitrusaroma der Bananenblätter und die rauchige Note des Feuers so würzig und lecker, dass wir mehr als genug aßen. Nach diesem feudalen Mahl hatten wir Bewegung nötig. Die durfte aber noch etwas warten, denn wir bekamen nun erst einmal eine kleine Privatvorstellung von Stammestänzen und -gesängen.

schön zum Anschauen: Tanz für die Touris

schön zum Anschauen: Tanz für die Touris

Aber gleich danach durften (oder mussten) wir auch selbst ran. Zuerst die Frauen, die sich im bauchtanzartigen Hüftschwung versuchen durften, ohne dabei aus dem Takt zu geraten, was natürlich nicht gelang und bei allen für Gelächter sorgte. Und dann waren aber auch die Männer dran, die etwas brachialer einen Kriegstanz unter der Führung von Viktor probierten und dabei laut "Hu!" und "Ha!" schreien mussten, was ebenso lustig war.

schön zum Lachen: Kriegstanz der Touris

schön zum Lachen: Kriegstanz der Touris

Nun hatten wir Kultur also auch mal live erlebt und sogar ein bisschen gelebt! Froh darüber, dass wir diesen ganz besonderen Abend hatten erleben dürfen, schlenderten wir zurück zu unserem Hotel, bei leichtem Regen, in warmer Nacht und begleitet von Grillenzirpen.

Orongo

Den größten Teil der Insel hatten wir bis dato mit geführten Touren kennen gelernt, mit dem Bus als Fortbewegungsmittel. Dies hatte ja nun so gar nicht unserem bisherigen Reisestil entsprochen, aber es war halt die einzig sinnvolle Variante gewesen. Dennoch wollten wir wenigstens einen Teil der Insel noch zu Fuß erkunden. Wir machten uns also auf den Weg zum Vulkan Ranu Kau und den Stätten, an denen früher der Vogelmannwettbewerb ausgetragen worden war. Dabei wurde Sieger, wer das erste Ei eines bestimmten Vogels der Rapa Nui vorgelagerten Insel Motu Nui zu finden. Aber bevor die Suche begann mussten die Teilnehmer - in der Regel Krieger oder Stammesführer -die Felsnadel Motukaokao erklettern, die auf halbem Weg aus dem Pazifik ragt.

erst vorne rechts klettern, dann hinten links Eier suchen: der Vogelmannwettbewerb

erst vorne rechts klettern, dann hinten links Eier suchen: der Vogelmannwettbewerb

Wer diesen Fels überwunden und das Ei gefunden hatte, der wurde zum Vogelmann und regierte für ein Jahr die Insel. Selbstverständlich genoss derjenige dann eine Sonderbehandlung. Denn für die Rapa Nui war er eine Art Heiliger, der von allen Inselbewohnern am meisten Maná hatte. Sonst hätte wohl kaum den Wettbewerb gewinnen können, so der Glaube. Der wichtigste Ort im Zusammenhang mit dem Vogelmannwettbewerb war das Dorf Orongo. Hier wurden alle Zeremonien im Zusammenhang mit dem Kult abgehalten und der Vogelmann hatte hier sein quasi heiliges Haus. So wunderte es uns auch nicht, dass wir überall auf dem Gelände Petroglyphen von Vogelmännern in den Fels gehauen fanden.

Petroglyphen

Petroglyphen

Da das Dorf Orongo recht exponiert am Kraterrand des erloschenen Vulkans Rano Raku liegt, liessen wir uns natürlich nicht die Gelegenheit nehmen, diesen so weit wie möglich auf dem Kraterrand zu umrunden. Ganz ging dies allerdings nicht, da der Grat zum Meer hin zu schmal und gefährlich wird.

der Krater des erloschenen Vulkans Rano Raku

der Krater des erloschenen Vulkans Rano Raku

Nach der ausführlichen Kraterbesichtigung kehrten wir dem Rano Raku und dem Dorf Orongo den Rücken und machten uns auf zurück nach Hanga Roa. Auf dem Weg hinunter vom Vulkan blickten wir nicht nur auf das Dorf sondern auch auf den Flughafen an dem wir komplett entlang liefen. Wir hatten so eine Zeit lang den freien Blick auf die Startbahn. Und obwohl wir nun auf Rapa Nui alles gesehen hatten rief dieser Blick uns schmerzlich ins Gedächtnis, dass unsere Abreise unmittelbar bevor stand. Der Wind kam wieder auf, die Luft roch nach Reise, nach einer langen Reise.

So blieb uns nur noch, das Flair dieser Insel noch einmal in uns aufzusaugen, die klarste Luft der Welt weiter tief einzuatmen, dem Rauschen des Meeres so lange zuzuhören, bis es unauslöschlich in unseren Köpfen Einzug gehalten hatte und Wahrzeichen dieser Kultur noch ein letztes Mal in Augenschein zu nehmen, bevor der Wind uns endgültig viele tausend Kilometer nach Norden und Osten zurück nach Deutschland wehen würde. Wir hatten die Tage hier genossen, wie wir alle Tage unserer Reise genossen hatten. Doch nur hier hatten wir möglicherweise eines der neuen 7 Weltwunder sehen können. Denn Rapa Nui mit diesen zum Teil gigantischen Steinstauen ist nominiert für die Wahl dieser 7 neuen Weltwunder, an der sich im Übrigen jeder auf der Website www.new7wonders beteiligen kann.

ein letzter Sonnenuntergang auf Rapa Nui

ein letzter Sonnenuntergang auf Rapa Nui

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Die Reise
 
Worum geht's?:
10 Wochen Chile intensiv erleben ist der Plan. Und auf viel mehr möchten wir uns auch gar nicht festlegen. Termindruck hat man sonst ja schon genug! Wir wollen zu Fuss, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und wenn möglich auch mit dem Kanu Land und Leute kennen lernen. Besonders gespannt sind wir auf: - den Torres del Paine Circuito, u. a. - die Osterinsel - das Seengebiet - Weihnachten im Sommer Tipps von Chile-Bewanderten und anderen sind herzlich willkommen!!!
Details:
Aufbruch: 01.12.2006
Dauer: 10 Wochen
Heimkehr: 09.02.2007
Reiseziele: Chile
Spanien
Deutschland
Argentinien
Der Autor