Mauretanien - Senegal - Kapverden

Reisezeit: Mai / Juni 2001  |  von Peter Kiefer

Mauretanien: Don Quichotte

3. Juni 2001:

Schon weit hinter Chinguetti. Ahmed weckt uns früh am Morgen und redet dabei in einem Ton, als müssten wir zum Appell antreten. Er hat schlechte Laune. Der Grund: ihm sind die Zigaretten ausgegangen. Entweder hat er seine Abhängigkeit unterschätzt oder er kann (auch) sie nicht orga-nisieren. Außerdem dies: Sein Knie ist durch den gestrigen Marsch über Gebühr beansprucht worden, nun humpelt er leicht und klagt über Schmerzen. Trotzdem sagt er: Kein Problem, ich bin fit und könnte bis Algier laufen. Das verheißt nichts Gutes. Den armen Abderahman lässt er in der einsetzenden Hitze weite Extrawege machen, bis hin zur Autopiste, wo sich vielleicht Zigaretten organisieren lassen. Ohne Erfolg. Eine interne Auseinandersetzung mit Mohammed folgt ebenfalls, weil dieser es für richtig hält, noch ein Stück weiterzuwandern, während Fitnesswunder Ahmed zurückrudert. Es ist erst zehn, als wir dann unser Mittagslager bereiten. Wir beratschlagen mit Ahmed, ob es nicht das Beste wäre nach Chinguetti zurückzukehren. Davon möchte er nichts wissen, macht verschiedene, sich widersprechende Vorschläge, spielt den Beleidigten. Die Spannung zwischen ihm und uns ist greifbar. Am meisten irritiert ihn wohl Karins Verhalten oder das, was er für sich daraus destilliert hat. Denn Karin ist freundlich, entgegenkommend, hilfsbereit, und nun plötzlich ist sie ablehnend-? Tatsache ist, dass wir uns entschlossen haben, den Weg auf keinen Fall mit Ahmed fortzusetzen. Gut, sagt er, dann ohne mich. Im nächsten Satz widerruft er es wieder, will krampfhaft sein Gesicht wahren. Schließlich kommt es jedoch zu einer Einigung: Er wird mit einem der drei Kamele und den meisten seiner Sachen umkehren. Das Zelt ist dabei der geringste Verlust, es ist schwer und überflüssig. (Nachdem er es heute zum ersten Mal aufgestellt hat, messe ich im Inneren 45 Grad, draußen ist es angenehmer, nicht so heiß und luftiger.) Dass er auch die Teller und Gabeln mitnimmt, ist ebenfalls ohne Bedeutung: Den Söhnen und Töchtern der Wüste reicht locker ein einziger Topf. Aber er schleppt auch einen Teil der Lebensmittelvorräte mit sich, das ist weniger gut. Im Augenblick sind wir jedoch einfach nur froh, als wir sehen, dass er sein Kamel belädt.

Mohammed, der Wüstenwanderer.

Mohammed, der Wüstenwanderer.

Zum Schluss nimmt er noch selbst darauf Platz. Das Bild erinnert an einen Don Quichotte, der zu einem "waghalsigen" Unternehmen aufbricht (mit der Zeltstange als "Lanze"). Es ist tatsächlich etwas waghalsig, was er da mit diesem Gepäckturm veranstaltet; es geht auch nur ein paar Meter gut, dann kapituliert das Kamel und Ahmed muss fortan neben ihm her gehen. Jetzt führt Mohammed uns weiter. Wir schätzen seine Umsichtigkeit, sein Geschick im Umgang mit den Tieren (um ehrlich zu sein, seine Zärtlichkeit, mit der er sie behandelt), sein ausgeglichenes Wesen. Letztlich ist er derjenige, der die Landschaft kennt und die genaue Route; Ahmed hatte davon wenig Ahnung. Beim Abendessen formen wir Abderrahmans Reisportionen mit der Hand zu kleinen Kügelchen und finden darin sogar ein paar (sehr) bescheidene Kamelfleischstücke. Dann liegen wir im weichen Wüstensand und sind endlich angekommen.

© Peter Kiefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Rucksackreise durch Teile Mauretaniens, des Sengal und der Kapverdischen Inseln, nur um irgendwo unterwegs meinen 50. Geburtstag zu feiern.
Details:
Aufbruch: Mai 2001
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: Juni 2001
Reiseziele: Mauretanien
Senegal
Kap Verde
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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