Mauretanien - Senegal - Kapverden

Reisezeit: Mai / Juni 2001  |  von Peter Kiefer

Kapverden: Praia: Kanonenrost überm blauen Meer

15. Juni 2001, Praia:

Dem Auszug aus dem Hotel folgt ein blödsinniges Durch-die-Gegend-Ziehen. Die Hitze setzt ein und wir tapern mit den Rucksäcken herum: Karin möchte in die pousada, möchte ein wenig Luxus der alten Schule, vor allem Atmosphäre. Ein Bus geht dorthin. Das Taxi kostet zwar nicht die Welt, aber bitte. Wir stehen also an der Haltestelle und warten, leider an der falschen. Nach einigem Herumfragen schicken Leute uns zur nächsten, andere von dort zur übernächsten. Das könnte noch eine Weile so weitergehen, wenn nicht ein Mädchen uns zu Hilfe käme. Sie lotst uns in den richtigen Bus, aber richtig ist relativ, denn als wir nach ein paar Stopps wieder aussteigen, beginnt noch ein langer, heißer und öder Fußweg vorbei an ein paar von hohen Mauern und Zäunen umgebene ausländischen Botschaften. Dann ist die Straße zu Ende und vor uns liegt ein steiler Geröllberg. Ihn hinabzuklettern, sagt das Mädchen, sei eine Abkürzung. Karin streikt offen, ich wenigstens insgeheim und so tappen wir den langen und öden Weg wieder zurück, das Mädchen immer unverdrossen voraus. Bis zu einer anderen Abkürzung, die sich als gangbar erweist. Da unten muss sie nun sein, die pousada, nach portugiesischen Begriffen ein Hotel in einem historischen Gebäude. Wir sehen aber keines. Und dann stehen wir plötzlich davor und weigern uns es zu sehen. Die pousada von Praia ist nichts als ein gesichtsloser Betonbau. Da wollen wir nicht rein. Bei einem kalten Getränk atmen wir kurz durch und fahren dann mit einem Taxi zurück in die Altstadt, lassen uns an einem kleinen Hotel absetzen, das uns am Vortag schon aufgefallen war und hören, dass es belegt ist. Dann wieder zu Fuß weiter, und ohne noch sonderlichen Ehrgeiz entwickeln zu wollen, geben wir uns mit einer Nullachtfünfzehn-Unterkunft zufrieden, einem Hotel Felicidade. Es liegt ungefähr 150 Meter vom Hotel der vorigen Nacht entfernt. Das hilfsbereite Mädchen, das uns bis hierher begleitet hat, möchte für ihre Mühen nicht einmal ein kleines Geschenk annehmen. Szenenwechsel. Die Cidade Velha ist die erste von Portugiesen errichtete Stadt in Afrika gewesen, ein Umschlagplatz für Sklaven im späten 16. Jahrhundert. Sie zählt mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe. Was von ihr übrig geblieben ist, sind allerdings nur spärliche Reste bis hin zu kaum mehr sichtbaren Fundamenten. Man hat sich deshalb teilweise mit Kreidelinien beholfen, um die alten Ausmaße sichtbar zu machen. Ein wenig Vorstellungskraft ist also nötig, um den Ort noch würdigen zu können. In die Mauern der alten Kathedrale hat man steinerne Fensterumrahmungen eingesetzt. Ihr optischer Aussagewert ist gering und ich schätze, dass sie hauptsächlich das zerfallende Gemäuer stützen sollen. Etwas entfernt spitzeln vier fast zur Unkenntlichkeit verrostete Kanonenrohre über einen Felsvorsprung und von dort aus blicke ich auf eine der romantischsten kleinen Buchten, die mir jemals begegnet sind. Und eigentlich entstehen erst jetzt jene Bilder von alten Segelschiffen, die der schönsten Farbe, dem tiefen Blau des Meeres, noch viele weitere hinzufügen. Körbe und Kisten, die verladen werden, das Geräusch dicker Schiffsketten, das Scheppern von Rüstungen, die klirrenden Ketten der Versklavten, die Hufschläge der Pferde und Esel, die über eine kleine Landebrücke getrieben werden, das wird für ein paar Minuten lebendig. Es ist schon späterer Nachmittag, als wir vom Strand aus den Fischern zusehen, die jetzt ihre Netze auswerfen. Wir müssen uns aber irgendwann davon losreißen, um unsere Lieblingsübung nicht zu verpassen, das taxi brousse zurück nach Praia. Es ist eine richtig fidele Fahrt auf einem Pickup, die freilich durch eine trostlose Landschaft führt. Man versteht nach diesem Ausflug sofort, weshalb es im Laufe selbst noch des zwanzigsten Jahrhunderts mehrfach zu Dürrekatastrophen gekommen ist. Der Unterschied zwischen Wüste und Einöde ist auf dieser Insel greifbar. Am Abend Fisch, diesmal portugiesischen Wein und schmalztriefende Live-Musik. Es ist unsere letzte Nacht, die wir in Afrika verbringen werden und wir haben einen geruhsamen Schlaf.

© Peter Kiefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Rucksackreise durch Teile Mauretaniens, des Sengal und der Kapverdischen Inseln, nur um irgendwo unterwegs meinen 50. Geburtstag zu feiern.
Details:
Aufbruch: Mai 2001
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: Juni 2001
Reiseziele: Mauretanien
Senegal
Kap Verde
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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