Mauretanien - Senegal - Kapverden

Reisezeit: Mai / Juni 2001  |  von Peter Kiefer

Senegal: Sex auf zwei Beinen

12. Juni 2001, Saint Louis:

Die andere Seite der Brücke, der gare routière. Es stinkt nach altem Öl, faulem Obst, Fisch und Abgasen. Bauchladenhändler en masse, halbe Autowracks werden mit Gepäck und Menschen beladen, Bettler strecken ihre Hände in jeden Wagen hinein. Die Fahrt nach Dakar ist dann vergleichsweise bequem. Auffallend sind die vielen entlang der Strecke aufgereihten Töpfe mit kleinen Bäumen oder mit Blumen, die zum Verkauf angeboten werden. Der Senegal scheint ein blumenverliebtes Land. Aber anders als vor den Bergen von Mangos - vielleicht ist gerade die Erntezeit - bleibt kaum einmal ein Auto bei den Gärtnern stehen. Zwei Städte passiert man, ehe die ersten der schier endlos erschei-nenden Ausläufer von Dakar erreicht sind. Die Endstation des Minibusses liegt noch ein gutes Stück außerhalb des städtischen Innenbereichs. Erst ein weiteres Taxi bringt uns ans eigentliche Ziel. Das Hotel, in dem wir ursprünglich nächtigen wollten, macht einen gräulichen Eindruck, wir mögen es nicht. Der Besitzer, ein Franzose, hat noch ein zweites, drei Ecken weiter. Dort bleiben wir dann. Die Stadt ist voll von Menschen, alles drängt zur Straße und man weicht unentwegt jemandem aus, wenn nicht den Autofahrern, dann Handwerkern, Kleinhändlern, Passanten. Dakar hat, zumindest in dieser Gegend, eine angenehme, urbane Ausstrahlung und ist beileibe nicht einer dieser großen Pisspötte oder Schrottplätze, die wir zum Teil anderswo erlebt hatten. Wir bummeln umher, lassen uns treiben, landen zunächst in einer trendig aufgemachten Rotlichtkneipe mit frisch gezapftem französischen Bier, lauter Franzosen und wunderhübschen Barfrauen, schlendern weiter und begegnen zwei Jungs, zwei Rastafaris (auch wenn ihnen die Dreadlocks noch nicht richtig wachsen wollen) und wir werden sie einfach nicht mehr los. Karins und meine Meinung gehen auseinander. Zwar ist uns beiden klar, dass sie sich auf unsere Kosten einen lustigen Abend machen wollen, die Frage ist allerdings: Wollen wir das auch? Karin hat die Mal-sehn-was-kommt-Haltung, ich bleibe distanziert. Salomon und Ali ihrerseits spielen ihren jungenhaften Charme gegen alle Bedenken aus. Wie gesagt, wir werden sie nicht los. Und sie schaffen es, uns in eine Gartenkneipe zu lotsen, nur um festzustellen, dass es hier so besonders ja gar nicht sei und sie etwas viel Besseres wüssten, mit besserer Musik. Mein Widerstand schmilzt, zumal Salomon mir einen Talisman aufdrängt, "for protection", und Karin ein goldig schimmerndes Schmuckstück (sie schenkt ihm dafür eine ihrer Maultrommeln). Das "viel Bessere" liegt im Hafenviertel, in das sie uns führen, ist eine Riesendiskothek unter freiem Himmel, etwa von der Größe eines Eisstadions, und ist tat-sächlich nicht so schlecht. Offenbar trifft sich an diesem Ort tout Dakar und nun sind wir eben auch dabei. Klar ist, dass die beiden Jungs sich das hier gar nicht leisten können, aber sie haben ja uns. Ich mache mittlerweile gute Miene zum bösen Spiel, wir trinken billigen (aber hier nicht billigen) spanischen Rotwein, hören uns Salomons rührselige Geschichten an ("mein Vater wird morgen beerdigt"), lachen und verfolgen das Geschehen auf der Tanzfläche. Anfänglich halte ich es natürlich für Zufall (und möglicherweise ist es auch einer), dass mir ein Mädchen auffällt, dessen Tanzbewegungen mit "erotisch" etwas zu verhalten umschrieben wären. Sie ist, obwohl nicht sonderlich hübsch, der pure Sex auf zwei Beinen. Und irgendwann, lange dauert's gar nicht, sitzt sie auf meinem Schoß. Dass Salomon und Ali das eingefädelt haben, liegt auf der Hand. Ich halte meine fünf Sinne, so gut es geht, im Zaum. Karin sitzt daneben, bemüht sich keinerlei Ausdruck zu zeigen. Was soll ich machen? Sie heißt Mali (oder Marie?) und will, dass ich ihr ein Bier spendiere. Als eine Bedienung kommt, schimpft diese mit Salomon und Ali. Obwohl in der Wolof-Sprache versteht man unschwer, worum sich's dreht. Die beiden scheinen hier bekannt zu sein und wir sind nicht die Ersten, die sie eingewickelt haben, um ihre Zeche zu bezahlen. Mali steht wieder auf der Tanzfläche - magisches, Sinnen verwirrendes Afrika. Dann sitzt sie wieder auf meinem Schoß. Was würde ich jetzt tun, wenn Karin nicht hier wäre? Mich hungrig auf Mali stürzen? "Vernünftig" sein? So richtig klar im Kopf bin ich nicht mehr, Karin freilich auch nicht. Trotzdem erklären wir die Party nun für beendet. Eine dicke Rechnung folgt, das restliche Geld in unsrer Tasche reicht gerade noch für ein Taxi zum Hotel. Die Jungs wollen auch noch Geld, Karin, schon immer ein wenig umständlich, versucht ihnen etwas "klar" zu machen, der Taxifahrer wird zusehends ungeduldig und mir gelingt es nur mit Anstrengung die Unterhaltung zu beenden. Dann fahren wir endlich los. Kleines Manko: Der Taxichauffeur hat nie von unserem Hotel gehört, sagt, es sei trotzdem kein Problem, fragt Leute, die noch auf der Straße unterwegs sind und lädt einen, der den Weg offen-bar kennt, mit ins Auto ein. Er kennt ihn dann doch nicht genau, aber wir haben Glück und wissen plötzlich selbst wieder Bescheid. Nun will allerdings nicht nur der Taxifahrer Geld von uns, sondern auch der andere, der Pfadfinder, möchte ein bisschen Kasse machen. Karin ist wieder mit Klarstellungen beschäftigt. Ich gebe auf, der Abend ist nun wirklich zu Ende. Und unterm Strich: Er war doch ganz lustig.

© Peter Kiefer, 2005
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine Rucksackreise durch Teile Mauretaniens, des Sengal und der Kapverdischen Inseln, nur um irgendwo unterwegs meinen 50. Geburtstag zu feiern.
Details:
Aufbruch: Mai 2001
Dauer: circa 5 Wochen
Heimkehr: Juni 2001
Reiseziele: Mauretanien
Senegal
Kap Verde
Der Autor
 
Peter Kiefer berichtet seit 19 Jahren auf umdiewelt.
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