Südfrankreich - Touren durch die Haute Provence

Reisezeit: September / Oktober 2011  |  von Ralf Beelitz

„Gorges de Daluis“ und „Col de la Cayolle“

Über Sisteron, dem "Tor zur Provence" (ab hier wird mit Öl und nicht mehr mit Butter gekocht), Digne-Les-Bains und die recht schmale D 908 über den Col de la Colle-Saint-Michel (1.431) erreichen wir das kleine Bergdorf Méailles, am Rande eines imposanten Kalkfelsens hoch über Ufer der Vaire gelegen. Ein winziges Sträßchen führt uns zunächst über einige Kehren hinunter ins Tal, dann windet es sich eng am Hang wieder zum Dörfchen hinauf. Zeit für einen Cafe. Der Wirtin der kleinen Bar im Ortskern ist ihr eigenes Mittagessen jedoch wichtiger, als der Durst von Motorrad- und Motorrollerfahrern. Es gibt nichts! Im nächsten Ort haben wir auch kein Glück. Soeben noch geöffnet, schließt die einzige Bar, gerade als wir die Motoren abstellen. Es ist eben "Sieste".

Kurz vor der Daluis-Schlucht machen wir noch einen Abstecher nach Entrevaux. Die mittelalterliche Siedlung (880 Ew.) im Parc national du Mercantour am Fluss Var mit der Brücke aus dem 17. Jh. und der alles überragenden Zitadelle gehört zu den Festungsanlagen, die noch fast im Originalzustand erhalten sind. Das Stadttor von Entrevaux führt in die Altstadt und weiter zur hoch über dem Tal liegenden Festung. Auf Grund der mittlerweile herrschenden Temperaturen und des doch gewaltigen Höhenunterschieds ersparen wir uns jedoch den Aufstieg - wir sind ja Motorroller- und Motorradfahrer und keine Wanderer. Wir stärken uns noch etwas in einem kleinen Bistro, dann brechen wir zur Daluis auf. Zwischen Daluis und Guillaumes bildet die Var einen tief eingeschnittenen Canyon - die Schlucht "Gorges de Daluis".

Auf teils überhängenden Trassen geht es 12 Kilometer durch ein einzigartiges Naturwunder. Über uns der tiefblaue Himmel der Provence, neben uns steil abfallende Felswände und unter uns das silberne Band der Var. Einfach grandios! Wenn das Sonnenlicht in den späten Nachmittagsstunden schräg einfällt, wirkt das intensive Dunkelrot des Schiefers, gesprenkelt von einigen grünen Farbtupfern, von besonders intensiv. Wir halten immer wieder an, um die herrliche Aussicht zu genießen. Hinter jeder Kurve scheint sich ein neuer Abgrund zu öffnen. Die Straße bohrt sich immer wieder durch schmale, kurze Tunnel und windet sich eng am roten Fels entlang. An einigen Stellen wird der Weg sogar zur Einbahnstraße, dann kurven wir direkt am Abgrund entlang. Spannend, aber nicht unbedingt zur Freude der besten Sozia der Welt.

Durch das immer enger werdende Tal geht es von Guillaumes durch den 230 Meter langen, unbeleuchteten "Tunnel de Bramus" - heute glücklicherweise frei von Radlern und Ziegen - nach Estenc. Wenige KM später folgen die ersten Serpentinen. Auf schmalem Teerband durchfahren wir ein von Nadelwald eingerahmtes, idyllisches Hochtal mit blühenden Wiesen. Was folgt ist eine Fahrt hart am Abgrund entlang bis zur Passhöhe des Col de la Cayolle (2.326), der lediglich durch einen kleinen Richtungsstein gekennzeichnet ist. Kurz vor dem Gipfel muss ich noch eine kleine Zwangspause einlegen. Die Kühlwasseranzeige steht auf rot - das Kühlwasser kocht!! Ich habe vor lauter Fahrspaß die zahlreichen Kehren wohl doch etwas zu stark angegast. Ein Motorschaden hier in der Wildnis - nicht auszudenken. Vom ADAC wäre hier oben wohl kaum Hilfe zu erwarten. Nach einem Viertelstündchen hat sich dann glücklicherweise wieder alles beruhigt und es geht weiter.

Die Abfahrt der Nordrampe schlängelt sich auf vielen Kehren und Kurven gemächlich durch die Bergwelt. Gelegentlich schrumpft die Straße auf nur eine Fahrspur zusammen; steile Felswände nähern sich bedrohlich, wenn wir imposante Felsüberhänge unterfahren. Das Hauptproblem der Abfahrt ist jedoch der allgegenwärtige Splitt. Tonnenweise wurde dieser auf den Flickenteppich der Teerdecke geschüttet, sodass immer wieder höchste Konzentration gefragt ist. Nur nicht im falschen Moment zu stark bremsen! Kurz vor Barcelonnette weitet sich das Tal dann wieder und die letzten Kilometer werden von langen Geraden dominiert.

© Ralf Beelitz, 2011
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Haute-Provence ist der nördliche, an die Seealpen grenzende Teil der Provence. Die Landschaft ist ein wenig rauer und deutlich weniger besiedelt als die „klassische“ Provence. Tief eingeschnittene Täler und Schluchten wechseln sich hier mit einsamen Hochebenen ab. Der Massentourismus hat das Hinterland der Provence noch nicht erreicht.
Details:
Aufbruch: 27.09.2011
Dauer: 9 Tage
Heimkehr: 05.10.2011
Reiseziele: Frankreich
Der Autor
 
Ralf Beelitz berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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