Heidschnucken und Backsteingotik

Reisezeit: September 2012  |  von Herbert S.

Lüneburger Heide bei Undeloh

Undeloh ist nur 10 km von unserem Haus entfernt, so dass wir mit unseren normalen Startzeiten recht früh dort sind - ein Glück, denn wie sich am Mittag herausstellt, ist der Ort total überlaufen und sehr touristisch mit diversen Kutschenfahrten-Unternehmern, die 'fußkranke' Touristen zum Wilseder Berg bringen wollen.
Wir starten ziemlich sofort zur einer kleinen Wanderung: wenige hundert Meter durch einen kleinen Wald parallel zum Radenbach erreichen wir die Weite der Lüneburger Heide.

erster Heideeindruck

erster Heideeindruck

Unsere Wanderung führt z.T. über den Undeloher Heideerlebnispfad, der mit einer ganzen Reihe von Informationstafeln bestückt ist, die über diverse Dinge aufklären:

Bienenzaun
Dieser kleine Schutzbau ist in vielen Ausprägungen in der
offenen Heide anzutreffen. Früher wurden Bienenkorbe aus Stroh
und Wurzelholz geflochten und mit Kuhmist uberzogen
Zur Heideblüte stellten Wanderimker ihre Körbe zur Abschirmung
der Bienenstöcke gegen Wind und die Mittagssonne in die Bienenzäune
An guten Tagen produzieren die 10000 Bienen eines Stockes ein
Kilo Honig.
In früheren Zeiten waren diese Luuten einfache Lattenkonstruktionen, die einem Zaun ähnelten. In den sechziger Jahren errichtete man reetgedeckte Varianten, später wurde auch mit Holzschindeln oder Tonschindeln gedeckt.
Die moderne Kastenimkerei benutzt isolierte Kästen, die einen Bienenzaun im Grunde überflüssig machen. Aus historischen und ästhetischen Gründen werden die "Bienenzäune" weiter genutzt.

'Bienenzaun'

'Bienenzaun'

Lüneburger Stülper von 1950 - Bienenkörbe

Lüneburger Stülper von 1950 - Bienenkörbe

Bienenzaun mit 'Kästen'

Bienenzaun mit 'Kästen'

Picknick in der Heide

Picknick in der Heide

An einer Birke laben sich Hornissen und Schmetterlinge mit dem süßen Birkensaft.

Schnuckenstall
Eigentlich sind die Heidschnucken robust genug, ganzjährig draußen übernachten zu können. Der Schlafplatz der Herde ist aber deshalb im Stall, damit dort der meiste Mist anfällt. Zuviel Dung zwischen den Heidepflanzen ließe die Gräser stark wachsen und die Heide allmählich verdrängen.
Die großen Ställe sind für etwa 350 Muttertiere und einige Widder dimensioniert. Jeder Herde stehen zwei große Ställe zur Verfügung, ein Stall in Dorfnähe und ein Außenstall.
Die historischen Ställe der Heidebauernwirtschaft waren dagegen klein und für ca. 70 Muttertiere ausgelegt. Das mit Reet gedeckte Dach reichte bis zum Boden. Jeder Hof unterhielt eine Herde mit einem Stall, in dem die abgemähte oder abgeplaggte Heide als Streu diente und vermischt mit dem Mist der Schnucken als Dünger auf die kargen Äcker gebracht wurde.

Schnuckenstall

Schnuckenstall

Heidepflege - wie ?
Die Heidevegetation stellt nur ein Übergangsstadium auf durch menschliche Wirtschaftsweise verarmten Böden dar und bildet im Laufe der Zeit Humus für anspruchsvollere Pflanzengesellschaften.
Erhielte man diese strukturreiche Heidelandschaft nicht auf einer genügend großen Fläche, würde den speziell angepassten Pflanzen- und Tierarten der Lebensraum entzogen. Sich selbst überlassen, entwickeln sich Heideflächen zu Kiefernwäldern, die ohnehin im Übermaß vorhanden sind. Somit zielt Heidepflege darauf ab, die Vielfalt ursprünglicher Pflanzengesellschaften zu erhalten und die Bestände gefährdeter Tierarten zu sichern.
Der Aufbau von Humusstoffen wurde zur Zeit der intakten Heidebauernwirtschaft durch regelmäßiges Plaggen verhindert. Mit der Twigge, einer speziellen Hacke, wurden "Plaggen gehauen". Die Heidepflanze wurde mit dem Humus abgeschält, als Streu für die Ställe eingebracht und später, mit dem Mist der Tiere vermischt, als Dünger auf die Äcker gebracht. Auf einem durchschnittlichen Hof waren zwei Mann ständig mit Abplaggen beschäftigt. Diese wirkungsvollste Maßnahme zum Erhalt der Heide wird heute maschinell durchgeführt. Die abgeplaggte Fläche bietet im ersten Jahr einen wüsten Anblick, doch schon im zweiten Jahr ist sie mit Heidekeimlingen besetzt.
Die Beweidung mit Heidschnucken hält die Heide frei von Gehölzen. Sie kann aber die Ansammlung von Rohhumus nicht verhindern. Zwar zerreißen die Heidschnucken die Spinnennetze, was den Honigbienen und somit der Imkerei von Nutzen ist - aber Bodenbrüter werden gestört, und Heidschnucken stehen in direkter Nahrungskonkurrenz zu seltenen Schmetterlingsraupen. Deswegen wird die Beweidung in Grenzen gehalten und sinnvoll eingesetzt. Als weitere ergänzende Maßnahme kann auf vitalen Heidebeständen zur richtigen Jahreszeit eine Mahd durchgeführt werden. Sogar das Abbrennen, schonend angewandt, führt nachweislich zur Regeneration der Heide.

maschinell abgeplaggte Heide

maschinell abgeplaggte Heide

Ab und zu begegnen uns ein paar Radler, oder auch mal eine Pferdekutsche

Vorbei an Zeugen der Eiszeit

Eiszeitwanderer aus Schweden
In den verschiedenen Eiszeiten, die die Landschaft formten, schoben mehrere hundert Meter hohe Eismassen Gesteinsbrocken mit sich. Die größten, wenig zerriebenen Brocken findet man in der Lüneburger Heide. Vor allem brachte der Warthe-Vorstoß der Saale-Eiszeit (um 120.000 v. Chr.) viele Findlinge (große Steine) und im Untergrund verteilte kleinere "Lesesteine" in das Gebiet. Lesesteine wurden durch das Pflügen an die Oberfläche gebracht, vom Acker "gelesen" und an den Ackerrändern belassen oder angehäuft. Somit wurde nebenbei ein wertvoller Lebensraum für Reptilien, Insekten und den Steinschmätzer angelegt.
Findlinge deckten seit der Bronzezeit den Bedarf an Steinen für Mauern, Eingangsstufen, Wegmarkierungen, Fundamente von Häusern, Ställen und Brücken. In große Findlinge schlug man mit Eisenkeilen Vertiefungen hinein, trieb in die Spalten Holzkeile, brachte sie mit Wasser zum Quellen, bis der Stein zerplatzte. Die Menge verarbeiteter Steine lässt erahnen, wie reich einst die Heide an Findlingen gewesen sein muss. Die meisten Findlinge bestehen aus saurem silikatischem Gestein und bieten den Flechten ein in Nordniedersachsen sonst fehlendes Substrat. Bis sich die Flechtengesellschaften ausbilden, vergehen Jahrzehnte. Zur Erhaltung dieser ganz spezifischen Flechtenflora sollen Findlinge und besonders Ansammlungen dieser an Ort und Stelle belassen werden.

und durch einen kleinen Birkenwald kehren wir nach Undeloh zurück.

Im Ort ist inzwischen der Teufel los und wir können nur mit Mühe einen Platz für eine kleine Erfrischung ergattern.

Im Ort ist inzwischen der Teufel los und wir können nur mit Mühe einen Platz für eine kleine Erfrischung ergattern.

Die Kirche von Undeloh bestand ursprünglich komplett aus Feldsteinen und besaß an der Ostseite einen runden Chor. Die Mauerstärke der Felssteinwand beträgt 90 - 100 cm. Als der Chor in der Zeit des 30jährigen Krieges zerstört wurde, ersetzte man diesen durch einen neuen aus Fachwerk und Ziegelsteinen. Der Glockenturm besteht überwiegend aus Holz, weil er aus statischen Gründen nicht aus Felssteinen gebaut werden konnte.

Kirche von Undeloh

Kirche von Undeloh

© Herbert S., 2012
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Das schöne Wetter nutzend machen wir uns auf in die Lüneburger Heide zum Wandern und besuchen die Städte Lüneburg und Uelzen
Details:
Aufbruch: 01.09.2012
Dauer: 9 Tage
Heimkehr: 09.09.2012
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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