Auf dem Jakobsweg - von Pamplona nach Santiago de Compostela

Reisezeit: Mai / Juni 2014  |  von Hilde Lauckner

Vorbereitungen. Hamburg - Bilbao. Start in Pamplon: Hospital de Orbigo - Astorga

Der ehemalige Bischofspalast von Baumeister Gaudi in Astorga

Der ehemalige Bischofspalast von Baumeister Gaudi in Astorga

30. Mai 2014 - Mit dem Bus von Hospital de Orbigo nach Astorga

Heide und Gaye Lynn geht es wieder gut, und wir wandern durch den Ort zur Bushaltestelle. Dort sitzt ein Spanier und nimmt uns den Hund ab, der uns inzwischen zugelaufen war. Er stellt sich als Lottar vor, und gibt mir die Hand. Warum er denn mit dem Bus fährt, frage ich ihn. Weil er eine schwere Infektion hat, antwortet er. Wie gut, dass ich Sagrotan dabei habe und mir erst einmal die Hände desinfizieren kann. Ei­gentlich wollte ich auf dieser Reise niemandem mehr die Hand geben, aber es ist schwierig, nicht unhöf­lich zu sein. Zu gern teilen die Kranken ihre Keime. Wir fahren mit dem Bus nach Astorga. Bei strahlender Sonne kommen wir an, treffen auf dem Marktplatz die Viet­namesin Lien aus unserer letzten Herberge wieder. Sie ist die Strecke von 15 km, die wir mit dem Bus gefahren sind, be­reits ge­laufen. Sie will nach einer Pause noch weitergehen. In ei­nem Park ne­ben der Herberge, die in einem alten Kloster oberhalb der Stadtmauern untergebracht ist, genießen wir die Aussicht und warten dar­auf, dass die Herberge öff­net. Die Mauer und der Hang vor dem Kloster sind mit blühenden Sporn­blumen übersät , davor viele Mauersegler in der Luft. Die Herberge hat 156 Betten, wir haben Glück und bekommen ein Vierbettzim­mer. Inzwischen habe ich mich schon daran gewöhnt, oben zu schlafen, wenn das Bett an der Wand steht.
Mittags besuche ich die Kathedrale und das benachbarte Museum. Außer mir sind nur noch vier Besu­cher in der Ausstellung. Aber die Cafés auf dem Marktplatz sind voll besetzt. Zu den Getränken wird noch ein Häppchen Tortilla mit einer pikanten Sauce serviert. Neben mir hat sich eine süddeutsche Rei­segruppe nie­dergelassen, die mit dem Bus unterwegs ist. Eine japanische Touristin, weiß geschminkt und mit Spit­zen behängt, ist von zwei spanischen Fahrradpilgern begeistert und lässt sich vor deren Rädern fotogra­fieren. Neben der Kathedrale zieht ein riesiger ehemaliger Bischofspalast, von Antonio Gaudi im Zucker­bäckerstil im 19. Jahrhundert gebaut, Besucherscharen an. Vor dem Ticketschalter treffen wir die kleine Korea­nerin, die wieder gesund ist und sich freut, uns wiederzusehen. Beim nächsten zufälligen Treffen zaubert sie Schokolade aus ihrer Ta­sche und schenkt sie Heide und Gaye Lynn, die sie angesteckt hat. Ast­orga ist berühmt für Schokolade, denn im 18. und 19. Jahrhundert war hier das Zentrum der spani­schen Schokoladenindustrie.

In der Herberge fragt eine junge Deutsche, ob jemand einen Laden für Pilgerzubehör gesehen hat. Sie ist mit ihrem Übergewicht versehentlich auf die Schnalle ihres Rucksacks getreten und hat sie dabei zerstört. Jetzt kann sie den Bauchgurt nicht mehr schließen. In der Stadt findet sie einen gutsortierten Laden, in dem man ihr helfen kann. Nach diesem Geschehen habe ich immer besonders gut auf die Schnallen mei­nes Rucksacks geachtet. Den Sack nur nicht in den Weg stellen, so dass jemand auf die Schnallen treten kann, sie am besten immer hochbinden, denn ohne funktionierende Schnallen ist der Rucksack nicht mehr brauchbar.
Nach dem Besuch des Bischofspalastes melde ich mich für die Besichtigung der römischen Ruinen der Stadt an. Leider ist die Führung auf Spanisch und wir sind nur vier Leute, die sich für die alten Steine in­teressieren. Hinter normalen Haustüren verbergen sich Reste römischer Thermen und Grundmau­ern. Be­sonders spannend finde ich den Weg durch die original erhaltene Kloake in zehn Metern Tiefe. Anschließ­end treffe ich Heide wieder und wir sitzen noch in der herrlichen Abendsonne auf dem Markt­platz, wo wir die Figuren in lokaler Tracht beobachten können, die an der Rat­hausuhr zur vollen und halben Stunde die Glocke schlagen.
Die Stadt ist voller Touristen, aber für die Museen interessieren sich nur wenige. Ich wunde­re mich über die niedrigen Eintrittspreise - für die Kathedrale mit Museum 3 €, für den Palast 3 € und für die zweistün­dige Führung 4 €.

Internationales Publikum in Astorga

Internationales Publikum in Astorga

31. Mai 2014 Astorga - Cacabelos, weiter nach Villafrancaa (8km)

Wunderbar bei offenem Fenster geschlafen, bis wir um 6.15 Uhr von lauter sphä­rischer Musik geweckt werden. Hildegard und Gaye Lynn wollen von Astorga weiter nach Rabanal wan­dern, Heide und ich fah­ren mit dem Bus durch Ponferrada nach Cacabelos. Wandernd kommen wir durch eine wunderschöne hügeli­ge Landschaft mit viel Wald. Die ersten Kilometer geht es an der Straße entlang, dann durch Wein­berge und immer wieder an Kirschbäumen voller reifer Früchte vorbei. Die ersten Maronenbäume tau­chen auf und weiße Zistrosensträucher blühen. Der Wein ist schon im vollen Laub. Heute sind wir nur 8 km gelaufen und schon mittags erreichen wir die Herberge "Ave Fenix" in Villafranca del Bierzo, wo wir Betten für 5 € beziehen. John, ein schottischer Volontär, zeigt uns die Räume. Wir können Betten in einem reinen Frauenraum, einem dunklen Verlies, ha­ben oder in einem anderen einladenderem Raum. Nach uns belegt eine Gruppe Italiener die übri­gen Betten. Die ganze Her­berge und besonders die sanitären An­lagen sind renovierungsbedürftig, aber der Herbergsvater mit Namen Jesus hat uns neugierig gemacht. Im Reiseführer wird er als be­sondere Persönlichkeit geschil­dert, soll angeblich heilende Hände haben. Lei­der erscheint er nur kurz, und ich bekomme ihn nicht mehr zu Gesicht. In seiner Abwesenheit führt seine Tochter den Betrieb, hat aber nicht die Ausstrahlung ihres Vaters.
Nachmittags machen Heide und ich einen Rundgang durch den Ort. Es ist Samstag und ein Flamenco-Fes­tival fin­det statt. Immer mehr Frauen und Mäd­chen in hübschen Flamenco-Kleidern erscheinen. Auch kleine Kinder sind schon passend herausgeputzt. Ein Auto mit Lautsprecher, aus dem die Flamenco-Musik plärrt, sorgt für die musikalische Un­termalung. Ein paar caballeros reiten die Straßen auf und ab. Die Frauen und Mädchen beginnen zu tanzen. Die ganze Stadt ist auf den Beinen und feiert.

Flamenco-Festival in Villafranca der Bierzo

Flamenco-Festival in Villafranca der Bierzo

© Hilde Lauckner, 2015
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Wanderung auf dem berühmten Jakobsweg mit Übernachtung in den Pilgerherbergen
Details:
Aufbruch: 13.05.2014
Dauer: 5 Wochen
Heimkehr: 14.06.2014
Reiseziele: Spanien
Der Autor
 
Hilde Lauckner berichtet seit 12 Jahren auf umdiewelt.
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