Ostwärts - immer ostwärts

Reisezeit: September 2019 - März 2020  |  von Janis Dinter

Vietnam - Regen, Heimatgefühle und Busfahren

Hue

Irgendwie schaff ich es ja doch nicht, die Abschnitte unserer Reise in kürzerer Form zusammenzufassen, wie ich es irgendwann einmal angekündigt hatte. Es passiert aber auch einfach zu viel, das unbedingt erwähnt werden muss. Naja, dann ab jetzt Kommando zurück und 100% Laissez-faire, mal sehen, was kommt.

Um von Hanoi nach Hue zu kommen mussten wir uns zwischen dem Nachtbus und dem Nachtzug entscheiden. Wir wählten den Zug, da dieser wieder ein richtiges Schlafabteil haben sollte... und mussten diese Entscheidung böse bereuen. Denn neben zwei Mitreisenden menschlicher Art befanden sich noch rund zwanzig andere Abteilgenossen in unserer Nähe, allerdings verfügten die über sechs Beine und lange Fühler: Kakerlaken! Überall. Unter den Matratzen, hinter der Ablage, unter dem Tisch. Zum Glück handelte es sich hier nur um die kleinere Variante von etwa 2cm, aber es reichte aus, um uns die Ganze Nacht nicht richtig schlafen zu lassen. Im Grunde machen die Viecher ja nichts, aber was sie so ekelhaft macht, ist, dass sie ohne Vorwarnung aus Ritzen an die Wände und von da auf die Matratze und optional auch auf den darauf liegenden sauberkeitsliebenden Deutschen klettern. Da sind Spinnen doch sehr viel angenehmer, die sitzen wenigstens in der Ecke und bleiben da. Wir wickelten uns in unsere Schlafsackinlets und dämmerten so vor uns hin, bis wir am frühen Morgen endlich die zentralvietnamesische Stadt Hue erreichten.

Dass wir nach einer solchen Nacht komplett gerädert waren, versteht sich glaube ich von selbst. Also pennten wir erstmal bis zum Nachmittag und schlenderten dann noch ein kleines bisschen durch die Stadt. Groß etwas brachten wir an dem Tag aber nicht mehr zustande.
Die Stadt Hue ist DER Zwischenstop so ziemlich jeder Vietnamreise. Ob von Nord nach Süd oder andersherum, aufgrund der langgezogenen Form des Landes kommt man gar nicht daran vorbei. Hue war in vergangener Zeit Königssitz von Vietnam. Aus diesem Grund findet sich hier eine ganze Menge sehenswerter Relikte aus diesen Tagen, wie Grabanlagen, Pagoden und einer zentralen Zitadelle, die den Palast und den Hofstaat beheimateten. Das ganze liegt entlang des Flusses mit dem klangvollen Namen Perfume River, der durch die Stadt Hue fließt und rund zehn Kilometer flussaufwärts in das Südchinesische Meer mündet. Über unser Hostel buchten wir uns eine (Achtung!) private Bootsfahrt zu drei dieser Sehenswürdigkeiten. Wir wurden also für rund vier Stunden auf einem länglichen Motorboot, das nur für uns zwei eindeutig mindestens zwei Nummern zu groß war, über den Fluss geschippert und besuchten nach einander eine royale Grabanlage aus dem 19. Jahrhundert, eine buddhistische Pagode und die erwähnte Zitadelle. An dieser ließen wir uns einige Stunden Zeit. Alles in allem war das schon sehr sehenswert. In Vietnam definitiv die schönsten historischen Sehenswürdigkeiten. Leider waren wir hier in Zentralvietnam mitten in die Regenzeit geraten, was bedeutet, dass es spätestens am Nachmittag anfing zu regnen. Damit sind alle Unternehmungen unter freiem Himmel natürlich nur noch halb so schön und wir sahen zu, dass wir ins Trockene kommen.

Und die nächste Motorroller Mania in Hue

Und die nächste Motorroller Mania in Hue

Unser Privatboot

Unser Privatboot

Das Haupttor zur Zitadelle. Hier befand sich früher das Zentrum der Macht Vietnams.

Das Haupttor zur Zitadelle. Hier befand sich früher das Zentrum der Macht Vietnams.

Für die Regenzeit gerüstet. Man beachte das Sichtfenster, welches nötig ist, damit man auf dem Roller auch schön am Handy spielen kann.

Für die Regenzeit gerüstet. Man beachte das Sichtfenster, welches nötig ist, damit man auf dem Roller auch schön am Handy spielen kann.

Hoi An

Und schon geht es wieder weiter. Dieses Mal allerdings ausnahmsweise einmal nicht sehr weit. Unser nächster Stop Hoi An liegt nur rund 150km südlich von Hue und wir nahmen einen Minibus dorthin, der praktischerweise auch noch an vier verschiedenen Sehenswürdigkeiten auf dem Weg halt machte. Zusammen mit rund fünfzehn anderen Touristen fuhren wir so den Vormittag durch mittelmäßig spektakuläre vietnamesische Landschaften immer in Richtung Hoi An.
Überhaupt sind die Eindrücke der vietnamesischen Landschaft, die wir bis dato gewonnen hatten, eher durchwachsen. Keine Frage, die Ha Long Bay ist unglaublich schön und auch das nördliche Bergland hat etwas ganz besonderes, fast mystisches, wenn der Nebel in den Tälern hängt und die Wasserbüffel durch die Reisterrassen waten. Doch dazwischen befindet sich ganz ganz viel trostlose Gegend. In Vietnam sind die Hauptstraßen fast ununterbrochen gesäumt von schmalen Grundstücken mit noch schmaleren Häusern, die schlauchförmig wie ein aufgestellter Schuhkarton nach hinten ragen. Diese Bauweise sieht nicht nur für sich genommen scheußlich aus, sondern verschandelt auch das Landschaftsbild aus fast jeder Perspektive. Dahinter liegen zumeist einige hundert Meter Felder, bevor das undurchdringliche Dickicht beginnt. Der Grund dafür, dass die Menschen alle an der Hauptstraße bauen, ist ganz einfach, dass es nur hier die Hoffnung auf ein kleines Einkommen aus einem Lebensmittellädchen, einer Werkstatt oder einem Restaurant gibt. So weit, so verständlich also, schön ist aber für unser Verständnis auf diese Weise weder das Dorf noch das Landschaftsbild.

So fuhren wir immer weiter nach Süden und besuchten als letzten Stop vor Hoi An den sogenannten Marble Mountain (Marmorberg). Der wiederum war etwas ganz besonderes. Mitten im Gewirr von Da Nang, der größten Stadt Zentralvietnams erhob sich ein bewaldeter Felsen, den wir über Stufen erklommen und der gespickt war von kleineren und größeren Klöstern mit namensgebenden marmornen Buddha-Statuen. Eine Höhle, die seit Jahrhunderten als eine Art natürliche Kathedrale genutzt wird, bildet das Hightlight dieses Felsens. Leider hatten wir nur eine Stunde Zeit, bevor es weiterging, doch hat dieser Ort uns nachhaltig beeindruckt.

Der Marbel Mountain ist gespickt von marmornen Statuen,...

Der Marbel Mountain ist gespickt von marmornen Statuen,...

... an denen vorbei wir uns durch eine enge Höhle drückten...

... an denen vorbei wir uns durch eine enge Höhle drückten...

... bis in die majestätische Haupthalle.

... bis in die majestätische Haupthalle.

Hoi An ist ein mittelgroßes Städtchen mit ziemlich entspannter Atmosphäre. Es gibt eine mit Laternen behangene Altstadt und viele Streetfoodstände, Cafés und Restaurants. Gleich nach unserer Ankunft hatte ich das Gefühl, dass es sich hier gut aushalten lässt. Es war deutlich wärmer als im Norden des Landes, einzig der täglich einsetzende Regen war ein bisschen nervig.
Wir hatten auf der Busfahrt hierher ein deutsches Pärchen (Isabelle und Kevin) kennengelernt, die auch für einige Monate unterwegs sind wie wir. Mit ihnen unternahmen wir in den Tagen in Hoi An öfters was, liehen uns Fahrräder aus, um zum Strand zu fahren (nutzlos wegen Sturm, baden wird wieder vertagt), gingen gemeinsam essen und schlenderten durch die Altstadt.
Am zweiten Tag war es endlich soweit. Wir wagten uns das erste Mal auf einen Motorroller. Dazu muss man folgendes wissen: Einen Motorroller in Vietnam auszuleihen, ist eines dieser Musst-du-gemacht-haben-sonst-warst-du-nicht-in Dinge. Wie Tauchen auf den Malediven, Reiten in der Mongolei oder Skifahren in Österreich. Wir hatten es bisher allerdings immer vermieden. In Hanoi wäre es Selbstmord gewesen wegen des Verkehrs und in Sa Pa waren die Straßen einfach zu schlammig. Dann also jetzt! Irgendwie hatten wir schon ein bisschen Respekt vor der ganzen Sache, aber was soll's - haben andere doch auch schon geschafft. Also rauf auf den Esel und los. Und siehe da, es hat eigentlich auf Anhieb geklappt. So knatterten wir also für einige Stunden durch Hoi An und in einer längeren Schleife durch Reisfelder und über Flussarme in der Umgebung. Das war schon cool. Wir hatten Blut geleckt.
Und aus dem Grund entschieden wir, das am nächsten Tag gleich noch einmal zu machen. Dieses Mal, um zu den etwa 40km entfernten Tempelruinen My Son zu kommen. Diese sollten so etwas wie ein "kleines Angkor Wat" sein, perfekt also, um uns auf die Besichtigung dessen vorzubereiten. Dort angekommen, waren wir nicht direkt enttäuscht, aber auch nicht übermäßig angetan von dem Dutzend verfallener Steintempel aus rotem Ziegel. Viel wichtiger: Das Rollerfahren hat wieder 1a geklappt.
Nachdem wir uns einen weiteren Tag so mit dies und das und jenem in Hoi An um die Ohren geschlagen hatten, ging es weiter. Wieder durch die Nacht, dieses Mal mit dem Bus. Und wie zu erwarten war, sind die Liegestühle, die tagsüber super zum Rumlümmeln dienen, nachts nicht gerade eine Offenbarung. Der aufmerksame Leser weiß natürlich, was jetzt kommt. Genau: kaum richtig geschlafen und am nächsten Morgen ziemlich müde angekommen in...

Hoi An bei Tag

Hoi An bei Tag

Und bei Nacht

Und bei Nacht

Die kleine Fahrradtour fiel leider ins Wasser.

Die kleine Fahrradtour fiel leider ins Wasser.

Dafür klappte es mit dem Roller umso besser.

Dafür klappte es mit dem Roller umso besser.

My Son, eine rund 1000 Jahre alte hinduistische (!) Tempelanlage.

My Son, eine rund 1000 Jahre alte hinduistische (!) Tempelanlage.

Dalat

Das wird ja mittlerweile zum Running Gag. Aber wir hatten keine andere Wahl. Es gab nur Nachtbusse. Zum Glück fanden wir in Dalat genau das, was wir jetzt am meisten brauchten, Entspannung in einer tollen Unterkunft am See. Aber first things first: Dalat liegt im zentralen Südvietnam. Auch wenn wir in Hue und Hoi An bereits im ehemaligen politischen Südvietnam gewesen waren, kann erst jetzt auch geographisch davon die Rede sein. Ich hatte damit gerechnet, dass der Süden des Landes überall sumpfig und tropisch heiß wäre. Das trifft auf die meisten Regionen hier auch zu. Nicht aber auf Dalat. Denn hier befinden wir uns im Zentralen Hochland, einem Mittelgebirge, das uns ein bisschen an das gute alte Siegerland erinnert hat. Und hier war es sogar ein bisschen frisch, zumindest nachts.
Wie gesagt, hatten wir hier, ohne es so recht zu ahnen, eine wunderbar entspannte und ruhige Ecke gefunden, die touristisch hauptsächlich von Vietnamesen selbst genutzt wird. Rund acht Kilometer südlich der Stadt befindet sich ein Stausee, an dessen Ufer wir unsere Unterkunft gebucht hatten. Und als wäre die Landschaft mit seinen Hügeln und Nadelbäumen nicht schon Heimat genug, war der Besitzer natürlich ein Deutscher: Axel aus Quedlinburg. Und wie so ziemlich jeder Deutscher, der sich zu lange im Ausland aufhält, vermisste auch er das gute dunkle Brot unserer Heimat. Was macht man da also: Klar, man macht einen deutschen Bäcker im 300km entfernten Saigon ausfindig und lässt sich die Brotlaibe mit dem Postbus liefern, ist doch klar. Wir genossen die heimischen Geschmäcker jedenfalls in vollen Zügen nach drei Monaten fremder Gaumenfreuden. Und wer morgens Körnerbrot sagt, muss abends natürlich auch Wiener Schnitzel sagen. Hmmm, lecker.

Fast wie daheim (auf den ersten Blick)

Fast wie daheim (auf den ersten Blick)

Unsere super schicke Unterkunft

Unsere super schicke Unterkunft

Es ist aber nicht so, dass wir in Dalat jetzt nur rumgesessen und Körnerbrot gemampft hätten, nein nein. Wir liehen uns wieder an zwei Tagen hintereinander einen Roller aus und brausten damit in der Gegend rum. Und die war dafür einfach wie gemacht mit ihren kurvigen Landstraßen durch den Wald und tollen Aussichten in die liebliche Landschaft.
Am ersten Tag erkundeten wir die Gegend um den Stausee. Hier scheint sich die High Society Vietnams ihr Sommerdomizil eingerichtet zu haben. Teilweise gigantische Villen in abgeriegelten Luxuswohngegenden liegen neben den typischen einfachen Holzhäusern auf Stelzen. Aber alles hier wirkt einfach frisch und schöner als bisher in Vietnam. Eine Stadt im ewigen Frühling. Kein Wunder, die Franzosen haben Dalat in der alten Zeit als eine Art Kurort gegründet. Wir machten auf unserer Rollertour auch an einem sogenannten Alpine Coaster Halt, einer Art Schlittenbahn auf Kufen, die einen durch den wunderbaren Kiefernwald und einem Wasserfall vorbeiführt.

Hier gibt es die berühmten Easy rider. Der da gehört nicht dazu.

Hier gibt es die berühmten Easy rider. Der da gehört nicht dazu.

Auf unserer zweiten Tour verschlug es uns dann endlich in die Stadt Dalat selbst. Wieder mussten wir überrascht mit den Köpfen schütteln. Hier sieht wirklich alles anders aus als im restlichen Vietnam. Die Stadt, ebenfalls auf und zwischen Hügeln gebaut, besteht hauptsächlich aus weiß getünchten Häusern mit tonfarbenen Dachpfannen auf den Dächern. Zusammen mit dem Gebrumme der Motorroller und den im Wind wiegenden Palmen ist der mediterrane Eindruck perfekt. Wieder muss ich an die Franzosen denken und mich beschleicht das Gefühl, dass dieses Ensemble nicht ganz zufällig aussieht wie an der Cote d'Azur. In Dalat ist das unbestrittene Highlight das "Crazy House". Eine vietnamesische Künstlerin und Architektin hat über die vergangenen 30 Jahre ihr privates Wohnhaus zu einem einer Art Fantasy-Baumhaus umgebaut und dabei ständig neue Elemente hinzugefügt. Heute ist die Dame über 70, lebt immer noch dort und lässt Touristen gegen ein kleines Eintrittsgeld durch ihre Fantasiewelt flanieren. Ziemlich abgefahren.
Anschließend drehten wir noch eine ausgedehnte Runde und fuhren zurück zu unserem Hais am See, bevor es am nächsten Morgen wieder weiterging.

Dalat Downtown

Dalat Downtown

Die absolute Hauptattraktion: Das Crazy House.

Die absolute Hauptattraktion: Das Crazy House.

Der Blick über Dalat. Sind wir sicher nicht am Mittelmeer?

Der Blick über Dalat. Sind wir sicher nicht am Mittelmeer?

Die Stadt der Blumen ist unbedingt einen Besuch wert.

Die Stadt der Blumen ist unbedingt einen Besuch wert.

Aaaaber bevor ich es vergesse: Ich hatte ja in dem "Exkurs: Geld" angekündigt, dass ich mich diesbezüglich nochmal melde. Hat alles geklappt bisher? Sind wir bettelarm und müssen unsere nächste Mahlzeit mit Taschenspielertricks verdienen? Hat Rieke noch ihre rechte Niere?
Die Antwort lautet: Alles in Butter. Tatsächlich hat sich bisher alles genau so ergeben, wie wir es uns vorher errechnet hatten. Skandinavien sauteuer, Russland und China günstig, Südostasien noch günstiger. Wenn man es darauf anlegt, kann man hier locker für 20-25€ am Tag leben. Im Grunde bräuchten wir auch nicht viel mehr, allerdings gucken wir bei der Wahl der Unterkunft oder des Restaurants auch nicht immer auf den letzten Groschen. Das Budget gibt es zum Glück her. Unsere Rechnerei mit dem Tagesbudget hat sich übrigens als sehr probates Mittel erwiesen, um immer einen Überblick über die Finanzen zu bewahren, ohne ständig Buch zu führen. Die Formel lautet also: Verfügbares Gesamtbudget / Dauer meiner Reise in Tagen = Durchschnittliches Tagesbudget. Jeder Tag, an dem man darunter liegt, ist also ein guter Tag. Denn den Puffer, den man sich so erarbeitet, wird man auch brauchen, ob für den nächsten Grenzübergang (zB. 30$ für Kambodscha), den Rückflug oder einfach mal eine Tube Sonnencreme (13$, die ham ja wohl den A...).
Ein gutes Tagesbudget für zwei Reisende zusammen sind daher aus meiner Sicht alles in allem 100€ pro Tag. Wer preisbewusster reist, nur Streetfood isst und in Schlafsälen pennt, kann auch mit 60-70€ auskommen. Wer alleine reist, zahlt relativ gesehen mehr, da man sich die Taxifahrt, das Zimmer oder die Nachspeise nicht teilen kann. Hier würde ich 40-70€ ansetzen.
Traurig aber wahr, Geld spielt immer eine Rolle. Auf Reisen noch mehr als im Alltag zu Hause. Man rechnet ständig um von der Landeswährung in Euro, handelt und überlegt, ob man jetzt doch viel zu viel bezahlt hat. Trotz allem sollte einen der Gedanke ans Geld nicht zu sehr übermannen. Sonst läuft man Gefahr etwas auszulassen, das man in seinem Leben sonst vielleicht nie wieder erlebt. Deshalb: Erst die Finanzen klären, dann reisen.

Ho Chi Minh City (Saigon)

Von Dalat aus fuhren wir in einem zum Großraumtaxi umgebauten Ford Transit die 300 Kilometer nach Saigon, und zwar alleine. Es hatte niemand außer uns diese Fahrt gebucht, also wurden wir wie die Poshpacker, die wir sind, standesgemäß chauffiert. Den Begriff hatten wir einige Tage zuvor gelernt. Er kommt von dem Adjektiv "posh", was so viel wie "vornehm" heißt und "Backpacker". Bei den vielen Annehmlichkeiten, die wir hier schon in Anspruch genommen haben, könnte man uns echt fast so bezeichnen. Aber die gelegentliche Kakerlake im Zug oder die Busfahrt mit Schweinen (oh ja, da kommt noch was!) holt einen dann doch wieder zurück auf Erden.
Anyway, wir kamen nach rund sechs Stunden in Saigon an und checkten in unserem Hotel ein. Welches wir dann allerdings, als Premiere auf unserer Reise, wieder verließen. Man wies uns nämlich ein vollkommen anderes Zimmer zu, als wir gebucht hatten - mit quadratmetergroßen Schimmelflecken an der Decke und allem, was dazu gehört. Da wir noch recht früh am Abend hatten, machten wir das einzig richtige, suchten nach einer Alternative in Laufdistanz und gaben dem Personal den Schlüssel zurück. Hostel Nummer zwei, war deutlich besser, alles richtig gemacht.
Zu Ho Chi Minh City oder Saigon ist alles ziemlich schnell gesagt: Die größte Stadt Vietnams ist keine Schönheit. Mit über acht Millionen Einwohnern geht es hier reichlich hektisch und konfus zu, allerdings ohne den Charme des liebenswerten Chaos wie in Hanoi. Da trifft es sich, dass wir sowieso überhaupt gar keinen Bock auf Großstadt hatten und so nur zwei Nächte und einen Tag blieben.
Wir besichtigten die Innenstadt in rund vier Stunden, klapperten ein paar Orte ab, die der Reiseführer empfiehlt und ließen es dabei bewenden. Zu den Hauptattraktionen in Saigon gehört das War Remnants Museum, das die Schrecken des Vietnamkriegs wohl sehr eindrücklich darstellt. Sicher eine Sache, mit der man sich beschäftigen sollte, wenn man schon einmal hier ist. Allerdings war uns absolut nicht danach. In die gleiche Kategorie fallen die Tunnelsysteme, die von Partisanenkämpfern ausgehoben und genutzt worden waren, um sich unbemerkt zu bewegen, und die man heute besichtigen kann. Wir waren einfach ein wenig voll von Infos und Eindrücken.
Saigon ist aus meiner Sicht ein Moloch. Ein notwendiges Übel für Reisende auf unserer Route. Unbestritten ein geschichtsträchtiger Ort, an dem der Kalte Krieg für ein Land siedend heiß wurde, für uns leider gerade nicht das, was wir suchten und brauchten.

Diese Dekadenz...

Diese Dekadenz...

Das Busticket ist glaube ich gestempelt.

Das Busticket ist glaube ich gestempelt.

Die Idee war eigentlich, nach Saigon das Mekong-Delta zu erkunden, welches sich in südwestlicher Richtung an die Metropole anschließt. Davon sahen wir allerdings, in Anbetracht der schon recht fortgeschrittenen Zeit und weil das Meer jetzt immer lauter nach uns rief, ab. Wir fuhren also direkt in die Grenzstadt Chau Doc. Hier wollten wir eigentlich zwei Nächte bleiben, allerdings warfen wir auch diese Pläne über Bord, verkürzten auf eine Nacht und schwups saßen wir auch schon in der Schnellboot-Fähre, die uns über die Grenze nach Kambodscha bringen sollte.

Und tschüss Vietnam, ab nach Kambodscha!

Und tschüss Vietnam, ab nach Kambodscha!

Und wie immer, wenn wir mit einem Land durch sind: It's recap time!! Würden Sie Vietnam einem Freund weiterempfehlen? Ja, nein, vielleicht... Glasklares vielleicht!
Wer wie wir noch nie in Südostasien war, bekommt hier vieles zu sehen, was einen fasziniert, einfach weil es so fremd ist. Die Wasserbüffel, die Palmen, die Tuk Tuks. Vietnam besteht aus Reisfeldern. Im flachen Land und im Gebirge. Das erste Mal Bauern mit dem typisch asiatischen Hut bei der Arbeit zu sehen, ist genauso spannend, wie die touristischen Highlights des Landes abzuklappern. Die Ha Long Bay ist so atemberaubend schön, dass sie eigentlich so gar nicht existieren dürfte, und die Straßen von Hanoi sind genauso verrückt chaotisch, wie man es sich in seiner Vorstellung ausmalt.
Gleichzeitig gab es aber auch einiges, das uns nicht so gut gefallen hat. Zu Anfang mussten wir uns sehr daran gewöhnen, dass ALLES auf den Tourismus ausgelegt ist. Das war in den Ländern zuvor nicht so gewesen. Klar, in China war auch alles voller (chinesischer) Touristen, aber wir konnten uns da noch eher wie Entdecker fühlen. Nichts auf Englisch, keiner hat einen Plan, aber irgendwie hat es immer geklappt. Vietnam ist da sehr viel einfacher zu bereisen. Vorteil: Man bekommt alles ohne Probleme organisiert und jeder weiß, was man will. Nachteil: Die Robinson-Crusoehaftigkeit geht flöten. Außerdem finde ich, dass Vietnam ein zum größten Teil landschaftlich verschandeltes Land ist. Außerhalb der großen Main-Acts sieht man hier kaum noch unberührte, intakte Natur. Der Müll aus Plastiktüten und Co. tut da sein Übriges.
Aber eine zweifelsfrei positive Sache an Vietnam muss man definitiv festhalten: Hier gibt es keine Chinesen. (Oh Mann, darf er das?!?).

© Janis Dinter, 2019
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Eine (halbe) Weltreise! Sechs bis sieben Monate überwiegend mit Bus und Bahn von Deutschland aus in Richtung Osten, dann Süden, dann wieder Osten. Unsere Reise führt uns durch Skandinavien, das Riesenreich Russland, die Mongolei und China, nach Südostasien und zuletzt nach Neuseeland. Ein halbes Jahr haben wir dafür grob eingeplant - ob es noch mehr wird, wer weiß?
Details:
Aufbruch: 04.09.2019
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 22.03.2020
Reiseziele: Deutschland
Dänemark
Schweden
Finnland
Russland / Russische Föderation
Mongolei
China
Hongkong
Vietnam
Kambodscha
Laos
Thailand
Malaysia
Singapur
Australien
Neuseeland
Der Autor
 
Janis Dinter berichtet seit 6 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Janis sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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