Potsdam und Umgebung

Reisezeit: September 2021  |  von Herbert S.

Potsdam (Brandenburg): Russisches Viertel

Nach dem ausführlichen Besuch des Holländerviertels wandern wir etwas nordwärts am städtischen Rathaus vorbei zur Alexandrowka, einem Park mit zahlreichen russisch anmutenden Häusern an zwei diagonal verlaufenden Strassen. .

städtisches Rathaus

städtisches Rathaus

Die Alexandrowka ist eine Russische Kolonie im Norden Potsdams, im Bundesland Brandenburg. Sie besteht aus 13 Holzhäusern, die im Jahr 1826 auf Wunsch des preußischen Königs, Friedrich Wilhelm III, im russischen Stil erbaut wurden. Die Anlage diente als Heim für die russischen Sänger des ersten preußischen Garderegiments. Die Holzhäuser sind von großzügigen Gärten umgeben. Die Kolonie wurde einst nach dem Vorbild des Parkdorfes Glasovo bei St. Petersburg angelegt. Von der UNESCO ist die Kolonie im Jahr 1999 als Teil des Weltkulturerbes erklärt worden. Heute arbeiten Denkmalschützer, Restauratoren und die Eigentümer der Häuser gemeinsam an der aufwendigen Sanierung des Baudenkmals
Ausschnitt der der gennnten Webseite

König Friedrich Wilhelm III. ließ alle Häuser mit dem gleichen. Inventar vollständig einrichten. Zur Ausstattung gehörte je Haus auch eine Kuh. Er übernahm alle Kosten selbst, welche im Zusammenhang mit der Kolonie entstanden waren. Neben gelegentlichen Sonderzahlungen für einige Kolonistenfamilien waren dies auch die Kosten für die Kuhhaltung (Heu). Nach wenigen Jahren wurde dem König die Kuhhaltung in der Alexandrowka zu kostenaufwendig, so dass die Kühe wieder abgeschafft wurden.
Die Kolonie ist weder „eine Blockhaussiedlung noch ein Militärdorf“, wie man es fälschlicherweise in einigen Büchern liest. Die Russische Kolonie ist ein Kunstdorf, dessen Vorbild in Russland zu finden ist.
Die kurze Entstehungszeit der Kolonie zeugt von detaillierten Plänen, über die der König verfugt haben muss. Im Dezember 1825 verstirbt Zar Alexander L. Im März 1826 war das geeignete Areal gefunden, so dass bereits im April mit der Errichtung der Kolonie begonnen wurde „um der Freundschaft zum Zaren ein bleibendes Denkmal zu setzen Ein Jahr später, 1827, war die Kolonie fertig gestellt. 13 Fachwerkhäuser mit Halbbohlenverschalungen und üppigen Schnitzereien nach Vorbild russischer Dorfarchitektur waren entstanden. Die Kolonie legt heute noch Zeugnis über die Verbundenheit zwischen Russland und Preußen ab. .

Tafel vor Ort

Baugestalt und Konstruktion der Häuser
Seinem ursprünglichen Erscheinungsbild wieder weitgehend angenähert, präsentiert sich die russische Kolonie Alexandrowka in Potsdam heute als ein weltweit einmaliges, malerisches Ensemble „russischer" Architektur, wie es in seiner Geschlossenheit nicht einmal mehr in Russland selbst anzutreffen ist. Die einheitliche Wirkung der Kolonie hat seine Ursache in der symmetrischen Verteilung den Baukörper innerhalb der Kolonie, ihrer gleichartigen Farbe und Oberflächenstruktur und der übereinstimmenden konstruktiven Lösung. Eine Auflockerung bewirken der Wechsel von ein- und zweigeschossigen Wohnhäusern sowie eine große Variationsbreite der filigran durchbrochenen Giebelbretter, Terrassen- und Balkonbrüstungen sowie weiterer baulicher Details. Die Schmalseiten der malerisch wirkenden Wohn- und Stallgebäude sind jeweils parallel zum Erschließungsweg ausgerichtet und werden durch einen breiten, überdachten Torweg mit Einfahrt und Pforte miteinander verbunden. Von der Wegekreuzung im Zentrum der Kolonie aus betrachtet sind die Stallungen jeweils an den Abseiten angeordnet. Die Giebelansicht der Wohnhäuser mit weit vorkragendem Satteldach wird belebt durch die unterschiedIiche Brüstungsgestaltung der erdgeschossigen Terrasse, eines Schmuckbalkons vor dem Spitzboden sowie durch Schmuckgiebel über den drei Fenstern im Obergeschoss und die reich verzierten Giebelbretter. Zweigeschossige Häuser besitzen einen weiteren, auf profilierten Holzstützen vorgesetzten und nur der Zierde dienenden Balkon. Der niedrigere Baukörper des Nebengebäudes mit seinem straßenseitig abgewalmten Satteldach tritt optisch zurück. Man meint Blockhausbauten aus Rundhölzern in traditioneller russischer Bauart vor sich zu haben. Doch das äußere Erscheinungsbild stimmt nicht mit den baukonstruktiven Merkmalen überein, denn die WEohngebäude erhielten einen Kalksteinsockel mit ziegelsichtiger Rollschicht. Darauf setzt eine mit Mauerziegeln ausgefachte und mit einer äußeren horizontalen Verschalung aus ca. 6 cm starken Bohlen verkleidete Holzfachwerkkonstruktion an. Deren segmentbogig vorgewölbte Oberfläche und die aufgesetzten, an den Gebäudeecken überkämmten Rundholzenden suggerieren die Blockbauweise. In massivem Mauerwerksbau wurde nur der Bereich um die Feuerstellen (Kachelöfen und offener Küchenherd) mit den zugehörigen Schornsteinen hergestellt. Innen erhielten die Wände einen glatten Verputz mit Kalkmörtel. Als Putzträge-der Fachwerkstiele und -riegel diente Schilfrohr. Die Holzbalkendecken sind geschalt und ebenfalls geröhrt und geputzt. Bei den Stallungen hingegen bestanden die Ausfachungen ursprünglich aus Lehmsteinen, der Dachraum blieb offen. Die ursprüngliche Dachdeckung bestand - russischer Tradition entsprechend aus parallel zum Giebel verlegten gehobelten Brettern, die an den Stößen mit aufgesetzten Leisten abgedichtet waren. Nur jeweils ein Raum im Haus war unterkellert, der Zugang erfolgte von diesem, später der benachbarten Küche aus. Die Erdgeschossfußböden bestanden aus einer Holzdielung, die im nicht unterkellerten Bereich lediglich auf Lagerhölzern im Sand aufgelagert waren. Beheizbar waren ursprünglich nur die Wohnstuben der Kolonistenhäuser, und zwar mit Kachelöfen, deren Heizöffnung in der benachbarten Küche lag. Die Kammern blieben unbeheizt. Über dem gemauerten Küchenherd befand sich ein auf hölzerner, durch ein Rundeisen abgefangene Rahmenkonstruktion gemauerter Rauchabzug. Er mündete in einen großen Schornstein, der aus der Dachhaut heraustrat und eine sattelförmige gemauerte Haube besaß. Wie damals allgemein üblich, befand sich die Toilettenanlage mit Dunggrube am Stallgebäude. Die Wasserversorgung geschah über Pumpen an den Koloniewagen.

Tafel vor Ort

Die Familien der Kolonisten
Eine Bedingung für die Stellenvergabe an die ersten Kolonisten war deren Verheiratung. Um den Nationalcharakter der Kolonie zu erhalten, sollten die Kinder in der russisch-orthodoxen Religion und russischen Sprache ihrer Väter unterrichtet werden. 1830 beantragte Priester Petroff, „ daß ihm behufs der vorgeschriebenen Ertheilung des Religions- und Sprachunterrichts an die betreffenden Kinder der Kolonie eine Schulstube angewiesen werde, indem es Zeit sei den Unterricht mit dem bereits 10jährigen Sohn des Unteroffiziers Jablockoff zu beginnen“ Der reguläre Schulunterricht wurde aber in der Garnisonschule in Potsdam erteilt.

Tafel vor Ort

Nördlich der Kolonie schließt sich der Kapellenberg an, auf dem eigens für die Kolonisten die Alexander-Newski-Kirche, errichtet wurde. Sie gehört der
Gemeinde der Russisch-Orthodoxen Alexander-Newski-Gedächtniskirche
zu Potsdam K.d.ö.R.

Für den Kirchenbau wurde eigens Karl Friedrich von Schinkel berufen, der berühmte Professor der Baukunst. Seit 1810 stand er in preußischen Diensten und war gerade mit dem Bau von Schloss Glienicke und dem Alten Museum beschäftigt.Als Grundlage für den Kirchenbau diente eine verkleinerte Vorlage der nicht mehr existierenden Kiewer Desjatin-Kirche, die einst vom großen russischen Architekten Wassilij P. Stassow (1769-1848) errichtet worden war. Am 11.September 1826 wurde unter Anwesenheit von Friedrich Wilhelm III. auf dem alten Minenberg (später Alexanderberg, schließlich Kapellenberg genannt) der Grundstein für die Kirche gelegt.
Ausschnitt aus der Webseite

© Herbert S., 2021
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Ein Fernsehbericht über das Havelland gab nach der zweiten Corona-Impfung den Impuls in das Vorland von Berlin zu reisen. Vielfältige Architektur und Wasserlandschaften reizen uns immer, auch wenn wir keine Wasserratten sind.
Details:
Aufbruch: September 2021
Dauer: unbekannt
Heimkehr: September 2021
Reiseziele: Deutschland
Der Autor
 
Herbert S. berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
Reiseberichte von Herbert sind von der umdiewelt-Redaktion als besonders lesenswert ausgezeichnet worden!
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