Mit dem Wohnmobil auf dem Weg nach Marokko (2022)

Reisezeit: August - Dezember 2022  |  von Andreas Kirchner

5. Etappe: Nordspanien

Ein Tag in Donostia-San Sebastián

[9. Sep.]

8:30 Aufwachen, frühstücken, Zeitung lesen (wir haben die "ZEIT" beim Einkauf in Bayonne gefunden!), fertig machen für den Stadtgang.

10:35 Mit dem Rad zur Talstation des Funicular Monte Igueldo, um mit der uralten Kabelbahn auf den Monte Igueldo, einen der beiden Hausberge von Donostia, zu fahren. Dummerweise existiert hier noch die doch schon in Vergessenheit geratene Maskenpflicht! Die aus Nachlässigkeit im Auto zurückgelassene Maske kann aber problemlos zusammen mit dem Ticket für die Bahn für 25 Cent dazugekauft werden. Es kann also losgehen!

10:45 Oben erwartet uns neben einer grandiosen Aussicht auf die gesamte Bucht von Donostia ein hundert Jahre alter Jahrmarkt – alte Karussells, eine Achterbahn (die ihrer Bauart und ihres Alters wegen bestenfalls indischem Standard entspricht), eine Wildwasserbahn, angetrieben durch ein mannshohes Schaufelrad, dass das Wasser immer weiter im Kreis an- und kleine Holzbötchen vorantreibt.

12:30 Wieder unten und am "Kamm der Winde" – drei tonnenschwere Kunstwerk am äußersten Ende der Promenade. Spaßig die dazugehörigen Löcher im Boden, aus denen Luft (und ein entsprechendes Heulen) austritt, sobald starke Wellen an deren untere Enden in der Kaimauer prallen. Ständig werden die Löcher belagert, um auf den nächsten Windstoß zu warten, der die Haare und die Röcke fliegen lässt – wie zu Marilyns Zeiten.

13:30 Zum Kaffeetrinken mit dem Rad in die Altstadt auf der anderen Seite der Bucht, immer an der belebten Promenade entlang. Obwohl es Donnerstag und noch sehr früh am Tag ist, ist die Altstadt bereits rappelvoll, in den Cafés der ersten Reihe ist schon kein Platz mehr zu bekommen. Wir schlendern also weiter und landen in einem Café am Plaza de Constitución. Dieser war vor langer Zeit auch Stierkampfarena und die einzelnen Abschnitte der Balkone der umliegenden Häuser, die noch heute mit Nummern versehen sind, konnte man mieten, um von dort aus den Toreros zuzusehen. Wir bleiben der deutschen Gepflogenheit treu, nachmittags Kaffee und Kuchen zu bestellen - ganz konträr zu den Spaniern, die Wein und eine Kleinigkeit zu Essen auf dem Tisch stehen haben.

15:10 Kleiner Einkaufsbummel. Konnte schließlich keiner ahnen, dass wir nun schon über Wochen stets um die 30° haben und eine einzige kurze Hose dem allein nicht mehr gewachsen ist – eine zweite muss her!

15:40 Zurück mit dem Rad an die andere Seite der Bucht. Dort ist der schönere der drei Strände der Bucht. Badehose an und ab in die Wellen. Sonnenbaden - im Meer baden - Sonnenbaden - im Meer baden ...

18:50 Wieder in der Altstadt. Wir wollen in eine der zahlreichen Pintxo-Bars (=Pintschos, die baskische Form der Tapas). Die Altstadt ist voll von Bars, Donostia besitzt auf die Einwohner bezogen eine der größten Bar-Dichte der Welt. Alle sind umlagert, drinnen und draußen füllt es sich am frühen Abend bereits. Wir kommen noch an einen Hutladen vorbei, die Chance, eine zwei Tage zuvor verloren gegangene Batschkappe zu ersetzen. Jetzt trägt Waltraud einen echten Stetson! Wir erreichen die Bar Martínez und nehmen Platz am hinteren Ende der langen Theke, ein geeigneter Platz, um alle Pintxos in Augenschein zu nehmen, die es hier gibt, und das sind nicht wenige! Sie sind in Glaskästen entlang der Bar aufgereiht, man braucht nur darauf zu zeigen und flugs hat man ein frisches Cerveza und ein, zwei oder drei kleine Köstlichkeit vor sich stehen. Nun kann man sich entscheiden, ob man das ganze wiederholt oder die Bar wechselt, um dort von vorne anzufangen. Wir bleiben eine weitere Runde und gehen dann drei Bars weiter. Theoretisch kann man dies bis tief in die Nacht fortsetzen und ich bin mir sicher, dass auch heute viele dazu übergehen werden. Wir aber lassen es gut sein, denn die Pintxos in Donostia sind nicht nur extrem lecker, sondern auch üppig, und bei den Außentemperaturen reichen schnell zwei, drei Bier, um besser einen Punkt zu machen.

21:35 Auf dem Weg zurück entlang der Promenade ein kurzer Stopp bei zwei Straßenmusikantinnen – nicht die ersten, und schon gar nicht die einzigen, die wir heute gesehen haben – aber doch etwas ganz Besonderes: es sind zwei junge Harfespielerinnen, die im Duett mal Vivaldi, mal Fluch der Karibik intonieren. Toll! - und allemal einen Obulus in den bereitgestellten Hut wert.

22:05 Zurück am Auto. Wer nun denkt, wir könnten uns erschöpft und zufrieden zurückziehen, ins Bett gehen und schlafen, der irrt. Auf dem Stellplatz, der ohnehin ebenso geräumig wie voll ist wie der Parkplatz vom Globus in Dutenhofen, empfängt uns lebhaftes Treiben. Die Spanier sind ein sehr geselliges – und leider auch lautes Volk. Man steht zusammen, unterhält sich, trinkt noch einen Roten und denkt nicht an Morgen. So war es noch eine Zeitlang, bis endlich doch noch Ruhe über die Bucht von San Sebastián einzog.

Die Muschel von Donostia

Die Muschel von Donostia

Funicular Monte Igueldo

Funicular Monte Igueldo

Jahrmarkt

Jahrmarkt

Kamm der Winde

Kamm der Winde

Das Warten auf den...

Das Warten auf den...

... Luftzug

... Luftzug

Gute Zeiten – Schlechte Zeiten

[14. Sep.]
Was sind gute, was schlechte Zeiten? Ist es gut, jeden Tag Sonne pur zu haben bei über 30° - oder schlecht, weil es auch nachts gefühlt nicht weniger werden will? Das ist Jammern auf sehr hohem Niveau! Wissen wir, und wir sind auch höchst zufrieden, dass es so und nicht anders ist - kürzlich erst bekamen wir ein erstes Bild aus der Heimat von kalten Füßen vorm bullernden Ofen…

Wenn zu der Hitze nun aber auch noch dazukommt, dass das Ladegerät für den Fahrradakku bereits nach wenigen Gebrauchsstunden seine Arbeit nicht mehr verrichtet und man den Ausflug vom Campingplatz aus nach Guernica - wenn auch nur 25 km, so doch ordentlich bergauf, bergab (waren es jetzt 32 % Steigung oder 32° Hitze?) - ohne die inzwischen gewohnt-geschätzte Unterstützung bei diesen Temperaturen zurücklegt, dann zeichnen sich schlechte Zeiten ab, um zukünftig etwas mit dem Fahrrad unternehmen zu wollen. Abhilfe muss her!

Zuhause liegt noch das große, schwere Ladegerät, das aus Gewichtsgründen dort geblieben ist. Wie da rankommen? Das Zauberwort: Poste restante. Ja, das gibt’s noch! Das letzte Mal habe ich mir auf diesem Weg Geld von meinen Eltern nach Bordeaux schicken lassen (20 DM, tatsächlich!), das war 1973, als ich per Interrail unterwegs war. Warum nicht auch jetzt? Wir schätzen mit einer Laufzeit von 8 Kalendertagen für das Paket (immerhin haben wir selbst über fünf Wochen gebraucht von Deutschland bis hierher!). Heute ist Samstag, wir rechnen also aus, wo wir am Montag in einer Woche sein werden und wohin das Paket somit gehen sollte. Die Wahl trifft Laredo, groß genug für einen Stellplatz am Strand, klein genug, um das Postamt zu finden. Sohn Nr. 1 bringt es noch am Wochenende auf den Weg. Wir fahren derweil weiter zu unserem nächsten Ziel Gaztelugatxe. Danach sind zwei, drei Tage Bilbao (halt ohne Fahrrad) geplant, dann ist allmählich Zeit, das Paket in Laredo abzuholen. Am Morgen unseres Aufbruchs nach Bilbao, es sind erst zwei Tage vergangen, dann aber die Info, dass Paket sei bereits in Vitoria (das ist hier 100 km von uns um die Ecke) und werde am Nachmittag bereits in Laredo ankommen. Unglaublich! Wo DHL Express draufsteht, ist auch Express drin (diese Schleichwerbung hat DHL sich redlich verdient)! Wir fahren also trotz des Umwegs erst noch nach Laredo und holen das ersehnte Ladegerät ab (nicht mit einer gewissen Spannung, da es gar nicht so eindeutig klar ist, ob nun der Akku oder das Ladegerät der streikende Lümmel ist – den auch in Verdacht stehenden erst kürzlich eingebauten Wechselrichter im Womo haben wir inzwischen ausschließen können).

Obwohl es nach Regen aussieht – den wir uns auch sehnlichst wünschen, damit wenigstens für eine gewisse Zeit die Temperatur mal runter geht - nehmen wir natürlich die Räder, um zur Post zu fahren, müssen dann ein wenig herumsuchen, bis wir in einer dunklen Einkaufspassage den kleinen Schreibwarenladen finden, der die Pakete von DHL verwahrt, und gehen bei der Gelegenheit dann anschließend schnell noch einkaufen. Zurück zu den zwischenzeitlich abgestellten Rädern hat es natürlich angefangen zu regnen und: ein platter Vorderreifen. Na toll! Kaum ist ein Ärgernis aus der Welt, hast du das nächste an der Backe. Aber schnell ist im Internet ein Fahrradladen gefunden, der sogar noch auf unserem Rückweg liegt. Brav schieben wir im Regen die zwei Kilometer bis dorthin, um irritiert nach dem Laden Ausschau zu halten: kein Ladenschild zu sehen, keine Schaufenster, nur eine Reihe alter Garagen- und Werkstatttore in einer Hintergasse. Was jedoch vollkommen genügt für einen spanischen Fahrradladen: eine Brettertür, dahinter zwei dunkle Räume in Garagengröße, die Verkaufsraum und Werkstatt zugleich sind, zwei Mitarbeiter in ölverschmierten Blaumännern und ein laut plärrender Fernseher, der gerade das Basketball-Viertelfinale zwischen Spanien und Finnland zeigt (Spanien hat gewonnen, auch das darauf folgende Halbfinale gegen Deutschland übrigens). Es braucht keinerlei Sprachkenntnisse, um unsere Kundenwünsche zu verstehen, grinsend nimmt einer der beiden Monteure das Fahrrad an sich, flickt den Schlauch in Nullkommanix und präsentiert uns dann die veritable Rechnung: drei Euro! Viva Espagna - wir sehen wieder guten Zeiten entgegen!

Gaztelugatxe

Gaztelugatxe

Laredo: endlich Regen!

Laredo: endlich Regen!

Fahrradladen in Laredo

Fahrradladen in Laredo

Bilbao

[15. Sep.]
Unsere Routenplanung orientiert sich nur grob an Richtungen und Regionen. Nur wenige Spots sind vermerkt als "must see". Nantes gehörte dazu, ebenso San Sebastián, und auch Bilbao, das vor uns liegt, ist einer unserer zwingenden Anlaufpunkte. Mit geladenem Akku und geflicktem Reifen erreichen wir die ehemalige Industriestadt, die auch heute noch von einem breiten Gürtel mit riesigen Industrieanlagen umgeben ist – allen voran Gas- und Ölverarbeitung. Schon vorab von der Küste aus sind immer wieder Bohrplattformen zu sehen, für unseren Geschmack erschreckend nah an der Küste.

Bereits auf der Hinfahrt zum Stellplatz ist klar, dass wir die Räder wohl kaum brauchen werden. Der Platz liegt außerhalb der Stadt auf dem Monte Kobeta, kein furchterregender Berg, aber der Gedanke, nach einem Tag in der Stadt, an dem wir mit Gewissheit die 10.000-Schritt-Vorgabe des Smartphones schon recht früh knacken würden, am Abend noch durch den Großstadtverkehr und dann diesen Berg in engen Serpentinen hinaufradeln zu müssen, ist wenig verlockend. Verlockender ist da eher die Bushaltestation gleich um die Ecke des Stellplatzes.

Vor der Einfahrt zum Stellplatz gibt es allerdings erst einmal einen langen Stau. Weniger deswegen, weil es viele Camper nach Bilbao gezogen hat, sondern weil die Stellplatzgebühr händisch eingetrieben wird, und das auf sehr umständliche und zeitraubende Weise. So ist beispielsweise die maximale Aufenthaltsdauer auf 2 Tage beschränkt, es allerdings nicht möglich, von Anfang an für 2 Tage auch zu bezahlen. Man hat am nächsten Tag wiederzukommen, um die gleiche umständliche Prozedur erneut zu durchlaufen.

Aber der Blick von oben auf die Stadt ist schon bombastisch, vor allem am Abend!

Wir sind am späten Vormittag angekommen und planen den Nachmittag für das Guggenheim-Museum ein – ein "striking masterpiece of contemporary architecture" und hochgepriesenes Museum zeitgenössischer Kunst. Was wir bekommen, ist tatsächlich ein architektonisch über die Maßen gelungenes Bauwerk und – eine Autoschau! Himmelherrgottarschundzwirn – da macht man sich auf nach Bilbao, bringt tausende von Kilometern hinter sich, schwitzt sich durch wochenlange Hitzewellen, um dann eine Autoschau präsentiert zu bekommen, die – wenn auch in etwas bescheidenerem Ausmaß – in der ehemaligen Sammler- und Hobbywelt in Alten-Buseck schon zu sehen war.

Auch unser zweiter Tag in Bilbao lässt nichts von dem Charme erkennen, den Nantes und San Sebastián ausstrahlen. Die Altstadt ist ganz nett, die Pintxos in dem kleinen Café vor der Kathedrale eine Enttäuschung. Erst der Besuch des Museums der schönen Künste versöhnt uns ein wenig mit dem Tag, immerhin bekommt man – neben viel moderner Kunst - nicht alle Tage Bilder von Goya, El Greco, Dürer, Gauguin zu sehen, in einer im übrigen sehr gelungenen Zusammenstellung von Altmeister und moderne Kunst jeweils in einem gemeinsamen Raum.

Dass es in der zweiten Nacht im Womo dann penetrant nach ausströmendem Gas riecht (nutzte hier eine nahegelegene Raffinerie die Nachtstunden, um ihre Abgase loszuwerden?), macht uns den Abschied von Bilbao am nächsten Morgen nur umso leichter!

Guggenheim-Museum, Bilbao

Guggenheim-Museum, Bilbao

Wieder alles richtig gemacht

[21. Sep.]
Wir verlassen die Küste bei Comillas, der Ort, an dem der junge Gaudì sich zum ersten Mal an einer kleinen Junggesellenvilla austoben durfte. Schon damals eine außergewöhnliche Architektur, heute nicht viel weniger.

Panes und Potes, die beiden griechischen Wandergötter, zeigen uns den Weg in die Picos de Europa – tatsächlich sind’s nur zwei Orte auf dem Weg zum nächsten Campingplatz. Stellplätze sind in Spanien eher rar, so dass wir auf Camping ausweichen - aber was spricht eigentlich gegen warme Duschen und Swimmingpool?

Wir wollen in die Picos de Europa, die Alpen Nordspaniens sozusagen. Ihren Namen bekamen sie von den frühen Seefahrern, die als erstes diese Berge sehen konnten, wenn sie sich dem Kontinent näherten.

Der Plan: am nächsten Tag früh aufstehen und hochfahren zur Talstation der Seilbahn in Fuente Dé. Ticket kaufen, ab in die Gondel und, oben angekommen, einen kleinen Rundweg von ca. 3 km laufen. Gegend bewundern, vielleicht irgendwo einen Kaffee trinken, wieder abfahren und zurück zum Campingplatz.

Die Ausführung: ausgeschlafen und erst am späten Vormittag losgefahren. Nach halbstündiger Fahrt an der Talstation angekommen. Nach Hinweisen gesucht, wo man die Tickets kaufen kann und nichts gefunden. Wir erwarten in Spanien inzwischen keineswegs mehr Hinweise, Schilder oder Infotafeln in Englisch oder zumindest Französisch, aber selbst in Spanisch – nada! Aber es gibt schon eine laaaannnge Schlange vor einem Kiosk, auf das wir direkt zugehen. Also gleich anstellen, bevor sie noch länger wird. Nach einiger Zeit sickert die Info durch, dass in dieser Schlange nur die stehen, die bereits ein Ticket besitzen. Mist, nicht unsere Schlange.

Vorm Ticketverkauf hinter dem Kiosk gibts nochmal eine Schlange - auch nicht kürzer. Bevor wir gerade die Schlangen tauschen wollen, werden wir von einer jungen Spanierin angesprochen, die uns ihre beiden Online-Tickets verkaufen will, da sie nicht mehr mit der Bahn hochfahren wolle. Also flugs die Tickets von einem Smartphone zum anderen getauscht – und schon ist es wieder unsere Schlange!

Vor allem haben wir nun auch den passenden Timeslot. Die Seilbahn verfügt nämlich nur über zwei Gondeln, die alternierend jeweils 20 Personen in rund vier Minuten die 1050 Höhenmeter hoch bzw. runter transportiert. Deshalb sind die Tickets mit einem Zeitstempel versehen, um zu regeln, um wie viel Uhr man dran ist. Hätten wir uns noch Tickets holen müssen, wäre der nächste verfügbare Timeslot etwa in zwei Stunden gewesen. Das hätte wenig Sinn gemacht, denn Fuente Dé ist praktisch eine Einöde, außer der Seilbahnstation gibt es hier nur zwei Hotels, ein Campingplatz und eine Souvenirbude – was machst du da in den zwei Stunden?

Erste Zweifel an der ganzen Geschichte kommen während des Wartens vor der Zugangsschranke. Wer hat nicht schon davon gehört, dass der private Ticketkauf direkt vor der Konzerthalle oder dem Fußballstadion sich als Nepp herausstellte, weil das Ticket nur ein Fake war? Ist es nicht ganz leicht, in kürzester Zeit ein paar Leuten mal so eben die immer wieder gleichen Tickets von einem Smartphone zum anderen zu verkaufen? Je Stück 11 Euro, verkauft an sagen wir mal fünf gutgläubige, einfältige Paare (soll’s geben), macht schlappe 110 Euro – schnell verdientes Geld!

Nun, wir kommen ohne Probleme durch die Ticket-Schranke, trocknen den Schweiß von der Stirn und lassen uns beschwingt von dem Gedanken, mal wieder alles richtig gemacht zu haben, nach oben tragen.

Der freie Blick auf das wahrlich imposante Bergpanorama öffnet auch den Blick auf das nächste Dilemma. Die gekauften Tickets sind nur fürs Hochfahren. Es gibt an der Talstation natürlich auch Kombitickets. Ob es oben allerdings auch einen Ticketschalter gibt für Kurzentschlossene, die mit der Gondel wieder runter wollen, ist nicht klar. Ein erster Orientierungsgang in der Bergstation offenbarte denn auch: es gibt keinen Schalter. Allerdings wäre der Mann, der die obere Zugangsschranke kontrolliert, bereit, uns für wiederum 11 Euro (als Kombiticket kostet die Talfahrt nur 6 Euro) nach unten zu lassen. Ich habe eine genaue Vorstellung davon, in welche Tasche unsere zweimal 11 Euro dann wandern…

Die Alternative: runterlaufen! Das hieße, statt eines gemütlichen drei Kilometer Rundlaufs eine 14-Kilometer-Wanderung mit 1000 Höhenmeter hinzulegen. Bereitwillig gönnen wir dem Mann seine zweimal 11 Euro und nehmen uns vor, rechtzeitig vor der letzten Abfahrt wieder an Ort und Stelle zu sein, um ihm ein "Ticket" abzukaufen.

Unser Wanderziel hier oben ist das Chalet Real – ein großzügiges Fertigbauhaus im englischen Stil auf einer weiten Almwiese, das im Jahr 1912 errichtet wurde, um König Alfons XIII. während seiner Jagdaktivitäten in den Picos gebührend unterbringen zu können. Der Weg dorthin (ungefähr eine Dreiviertelstunde) ist leicht zu bewältigen, der Ausblick von dort oben auf die Berge rundherum einfach überwältigend. Wie schon im Tal, so sind auch hier oben Infos über Wanderwege, Richtungen und Ziele nur spärlich gesät. Allmählich aber keimt die Erkenntnis, dass wir uns bereits auf dem Weg befinden, der nach unten führt. Und da 1. der Weg sehr breit und sehr wenig steil ist, und wir 2. ja schon einen guten Teil davon – wie wir meinten – hinter uns gelassen haben, revidieren wir unseren Plan und streichen dem Kontrolleur geradewegs seine potentielle Einnahme. Wir werden bergab laufen!

Sagen wir mal so: der letzte Kilometer hätte nun wirklich nicht mehr sein müssen. Es ist ein weiter, an manchen Stellen auch steiler Weg – wir brauchen fünfeinhalb Stunden. Aber wir werden reichlich belohnt durch diese Bergwelt, wie wir sie vorher noch nie gesehen haben. Zwischendrin kreuzt ein Fuchs unseren Weg, oben in den Lüften kreisen Adler und man ist weit, weit weg von allem, was Zivilisation ist. Und besonders witzig der Moment, als uns ein junges Pärchen von unten herauf entgegen kommt. Er forsch vorne weg, sie mit völlig erschöpftem Gesichtsausdruck schleppend hinterher - unsere Ticketverkäuferin! Statt mit dem "Teleférico" zu fahren, hatte sie sich fürs Hochlaufen entschlossen.

Ziemlich erschöpft abends am Campingplatz angekommen, können wir aber sagen: wieder mal alles richtig gemacht.

Bergrücken mit Schafe - super Puzzlemotiv!

Bergrücken mit Schafe - super Puzzlemotiv!

Teleférico de Fuente Dé

Teleférico de Fuente Dé

Geschafft!

[30. Sep.]
Wir sitzen an einem kleinen Zweiertisch im Café Cervantes in einer Nische direkt am Fenster. Es ist ein ausgesprochen günstiger Platz, denn um die Ecke herum verläuft die kleine Via Sacra. Sie führt direkt zur Kathedrale von Santiago de Compostela, und hier müssen (fast) alle vorbei, die hunderten fußgeplagten Pilger aus aller Herren Länder. Natürlich viele Spanier, Franzosen und Deutsche, aber auch Südafrika, Kanada, Japan sind vertreten. Vor uns ziehen sie am Fenster vorbei, mal beschwingt mit beseeltem, glücklichen Ausdruck im Gesicht, mal humpelnd, ernst, erschöpft, lustlos. Sie und wir haben es geschafft: wir sind endlich in Santiago de Compostela angekommen! Höhepunkt ist der Gang in die mächtige, überprunkvolle Kathedrale und der Besuch der Krypta mit dem silbernen Schrein des Heiligen Jakobus, des Santiago. Liegt alles schon hinter uns, nicht aber die Strapazen, die die Pilger durchlaufen sind – im wahrsten Sinn des Wortes. Wir sind ihnen in Massen schon tags zuvor wortwörtlich über den Weg gelaufen, als wir von unserem Stellplatz aus einen kleinen Spaziergang durch den angrenzenden Eukalyptuswald machten und unversehens auf den "Camino" gerieten. Einzeln, zu zweit, in größeren Gruppen, zu Fuß, mit dem Fahrrad und – tatsächlich - hoch zu Ross: alles war dabei.

Pilger zu Fuß...

Pilger zu Fuß...

... mit dem Rad ...

... mit dem Rad ...

... und zu Pferd.

... und zu Pferd.

Wir hatten den um einiges bequemeren Weg bis hierhin. Von den Picos, die wir aufgrund des schlechten Wetters früher verlassen haben als geplant, kamen wir von der Küste aus hierher. An die Küste führten uns drei Gründe. Einmal des besseren Wetters wegen – hier scheint zwischen den Regenschauern auch wieder mal die Sonne, was in den nebelverhangenen Picos zuletzt nicht mehr vorkam. Zum Zweiten wegen des Praia das Catedrais. Ein Naturdenkmal, das nur bei Ebbe zu sehen ist. Das Meer hat hier zahlreiche, zum Teil 30 Meter hohe Bögen, Säulen und Kuppeln in die Steilküste gearbeitet, was dem Strand schließlich seinen Namen gab - Strand der Kathedralen.

Praia das Catedrais

Praia das Catedrais

Der dritte und hauptsächliche Grund, der uns hierhin geführt hat, war aber das kleine gelbe Lämpchen, das in den Picos unversehens im Armaturenbrett zu leuchten begann. Irgendwas war mit den Bremsen. Nicht witzig in einer Gegend, in der es dauernd bergauf, bergab geht, bis auf 1500 Meter hoch und an der anderen Seite wieder runter. Und an der Küste in der Nähe von Ribadeo gibt es eine kleine Fiat-Werkstatt, die nun helfen sollte.

Wir kamen erst nachmittags dort an und hatten schon überlegt, wo wir in der Zeit zum Übernachten stehen können, während wir auf Ersatzteile oder sonst was warten müssen. Um die Ecke gibt es auch ein Fischrestaurant mit ausgezeichneter Küche und besten Bewertungen im Internet – wir setzten es auf die To-Do-Liste. Zwei Stunden später fahren wir jedoch wieder davon: unser Womo ist ausgiebigst gecheckt, rauf auf die Hebebühne, runter und raus aus der Halle zum Bremstest, wieder rein, Reifen runter und wieder drauf, raus aus der Halle zum Bremstest, wieder rein, vorne und hinten nochmals nachgesehen, raus aus der Halle zum Bremstest, wieder rein und nach dem fünften Mal Raus-und-Rein bekommen wir es zurück. Die Bremsen seien absolut ok, es sei die Kontrolllampe, die einmal zeigen wollte, dass es sie auch noch gibt. Der lose Kontakt war nun nicht mehr lose. Erleichtert verzichten wir auf den Restaurantbesuch zugunsten eines schön gelegenen Campingplatzes in der Nähe der Strandkathedralen, unser nächstes Ziel, bevor es nach Santiago de Compostela gehen soll.

Die Kathedrale von Santiago de Compostela

Die Kathedrale von Santiago de Compostela

Kurzer Blick in die Auslage der Markthalle von Santiago de Compostela - die bislang schönste auf unserer Route!

Kurzer Blick in die Auslage der Markthalle von Santiago de Compostela - die bislang schönste auf unserer Route!

© Andreas Kirchner, 2023
Du bist hier : Startseite Europa Spanien 5. Etappe: Nordspanien
Die Reise
 
Worum geht's?:
Berichte von unterwegs mit dem Wohnmobil nach Marokko - vier Monate "on the road": Luxemburg - Frankreich - Spanien - Portugal - Marokko und zurück
Details:
Aufbruch: 10.08.2022
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 12.12.2022
Reiseziele: Luxemburg
Frankreich
Spanien
Portugal
Marokko
Der Autor
 
Andreas Kirchner berichtet seit 8 Monaten auf umdiewelt.
Bild des Autors