Mit dem Wohnmobil auf dem Weg nach Marokko (2022)

Reisezeit: August - Dezember 2022  |  von Andreas Kirchner

9. Etappe: Ostspanien

Europa, aber nicht EU

[14. Nov.]
Wir sind zurück auf dem europäischen Kontinent, um die EU allerdings gleich wieder zu verlassen. Wieder so eine Grenze mit Pass- und Zollkontrolle. Aber mal ehrlich: nach Gibraltar fährt man auch nur, um mal nach Gibraltar zu fahren. Ist ja immerhin schon ein ganz besonderer Ort, erst recht nach dem Brexit. Gesehen haben muss man hier jedoch nicht viel. Die Stadt ist ein einziger Duty-free-Shop, denn hier gibt’s alles steuerfrei zu kaufen, und Berberaffen könnte man auch im Affenwald bei Sélestat im Elsass besuchen - ist vielleicht auch schöner dort. Zumal es in Gibraltar echt teuer ist, zu den Affen zu kommen, denn für die Wanderwege, die den Berg durchziehen, muss man 16 £ Eintritt berappen, und wenn man nicht den Berg sowohl rauf- als auch runterlaufen will, kommen nochmal 18 £ Gondel für die Bergfahrt dazu. Das einzige Must-have für uns daher: ein Gibraltar-Cache (natürlich vom Europa-Point an der Südspitze) und Fish & Chips. Great!

Affenliebe

Affenliebe

Must-have #1

Must-have #1

Must-have #2

Must-have #2

Und wieder mal Kunst

[16. Nov.]
30 Kilometer kurvige Bergstaße, bis wir in Genalguacil sind. Genalguacil mit seinen nur etwas mehr als 400 Einwohnern ist ein Freilichtmuseum, seit dort 1994 damit begonnen wurde, alle zwei Jahre Künstler aus der Provinz Málaga für vierzehn Tage einzuladen, um im Ort ein Kunstwerk zu schaffen. In dieser Zeit sind sie bei Privatleuten einquartiert und werden von ihnen verpflegt. Einzige Bedingung: das geschaffene Kunstwerk verbleibt kostenlos im Ort. So ist dieser kleine Ort, der zu den "Weißen Dörfern" Andalusiens gehört, inzwischen übervoll mit Kunstwerken unterschiedlichster Art. Mittlerweile gibt es zudem das Museo de Arte Contemporáneo, dass die Kunstwerke beherbergt, die nicht unter freiem Himmel ausgestellt werden können. Nicht zum ersten Mal erwischen wir natürlich einen Tag, an dem das Museum geschlossen ist. Aber auch so haben wir sozusagen alle Füße voll zu tun, um die Kunstwerke im Dorf aufzustöbern, denn der Ort ist voller kleiner Gassen, steiler Treppen und Hinterhöfe. Am Ende brauchen wir erneut 30 Kilometer kurvige Bergstraße, um aus dem Tal wieder hinauszukommen. Aber es hat sich gelohnt.

Genalguacil

Genalguacil

Der Herbst ist der Frühling des Winters

[21. Nov.]
In Marokko haben wir noch ganz und gar den Sommer genießen können, und dass ist gerade mal eine gute Woche her. Kaum sind wir zurück auf den europäischen Kontinent, überfällt uns der Herbst in brutalen Attacken. In den zweieinhalb Wochen, die wir in Afrika waren, hat man in Spanien offenbar die Zeit genutzt, um die Blätter der Bäume gelb-braun anzumalen und einen gehörigen Teil davon auf den Wegen zu verteilen. Wolken hat man mit Wasser gefüllt, um sie dann über uns abregnen zu lassen. Die Sonne hat man hinter grauen Schwaden geschoben und das Thermometer ordentlich um einige Grad heruntergedreht. Nun tragen wir lange Hosen, ziehen eine Jacke über und gehen nicht mehr ohne Schirm und Regenjacke aus dem Haus. Abends kommt die Wärmflasche ins Bett und eine Wolldecke noch extra drüber. Dann holen wir die zahlreichen Fotos raus, die wir bekommen haben vom ersten Schnee, der in Hessen gefallen ist, und versuchen, uns mit den 10° zu trösten, die es hier in Spanien wärmer ist als Zuhause. Am Ende aber bekommen dann auch wir den ersten Schnee zu sehen – die Sierra Nevada hat weiße Zipfelmützen. Brrrrrhhh.

Schnee in der Sierra Nevada, dem "Schneegebirge"

Schnee in der Sierra Nevada, dem "Schneegebirge"

Die Spanier freuen sich im übrigen wie Bolle über den Herbsteinzug. In großen Schlagzeilen verkünden die Zeitungen das Ende einer ewig langen und viel zu heißen Trockenzeit, ganz Spanien könne nun endlich einmal abkühlen. Wir sind es schon, hatten bereits einen ganzen Tag im Wohnmobil damit zugebracht, darauf zu warten, dass es aufhört zu regnen. Hatten eine geplante Radtour abgeschrieben und eine Wanderung gestrichen, die dem Camino del Rey, den wir vor zwei Jahren bereits gewandert sind, wohl sehr ähnlich ist.

Doch der Wettergott ist gnädig. Bereits vor einigen Tagen haben wir online Tickets ergattert, um in die Alhambra zu gelangen. Bei so kurzfristiger Buchung – also nicht vier Wochen, sondern vier Tage im voraus – bekommt man nicht mehr so viele Optionen angeboten für einen Besuchstag. Die nächste Möglichkeit für uns war ein Sonntag entweder 8:30 Uhr (wer denkt sich denn so eine Schikane aus?) oder 17 Uhr – also eine Stunde vor Schließung. Gut, nehmen wir den Abendtermin, machen’s kurz und haken es dann ab von der Liste.

Der Sonntag ist dann schön. Also nicht nur das Wetter. Während der Tag vorher verregnet und der Tag danach stürmisch wird, wird uns für diesen Tag in Granada ein Goldener-Oktober-Tag serviert. Wir sind bereits gegen Mittag in die Stadt geradelt, die proppevoll war, nicht nur Touristen, sondern mehr noch die Spanier, die die Altstadt überfluten und in die Restaurants strömen, offenbar eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen. Da Granada außer der Alhambra über keine weiteren zwingenden Anziehungsmagnete verfügt, kann man sich mit einem Bummel in der Altstadt und im Albaicín (Granadas ältester Stadtteil, sehr arabisch geprägt) begnügen, einen leeren Tisch in einem Café suchen (was wirklich nicht einfach ist!) und warten, bis es Zeit für die Alhambra ist. Korrekterweise muss man sagen, dass die Alhambra den ganzen Tag – also von 8 bis 20 Uhr – offen ist und in dieser Zeit besucht werden kann, vorausgesetzt, man hat ein Ticket. Die vorgegebene Eintrittszeit, also 17 Uhr bei uns, gilt nur für den Nasriden-Palast, das "Achte Weltwunder", der auch schon um 18 Uhr geschlossen wird. Wir konnten also vorher schon hoch auf die Alhambra und in den Gärten herumbummeln. Und für die Besichtigung des Nasriden-Palastes brauchen wir am Ende auch nur eine halbe Stunde. Einerseits unbestritten interessante maurische Architektur, aber das Ganze ergeht sich von Saal zu Saal in ständig gleichen Wiederholungen – hast du einen Raum gesehen, hast du alle gesehen. Die Räume leer und kalt, als Interieur waren nur zwei Stühle zu sehen – die schwarzen, mit Kunstleder bezogenen Stahlrohr-Sitzgelegenheiten des Wachpersonals in einer Nische ganz hinten. Unser Tipp für alle Spanienreisenden, die die Wahl haben: besucht statt der Alhambra den Alcázar in Sevilla!

Ebenso vernichtend fällt unser Urteil aus zum Generalife, dem anderen hochgepriesenen Teil der Alhambra. Wer meterhohe, akurat kantig geschnittene Thujahecken und viel gepflasterte Fläche in seinem Garten liebt, der mag sich dem Titel "schönster der Gärten der Welt" meinetwegen anschließen. Man mag uns für Banausen halten, aber für uns war klar, dass der Generalife gegenüber Gärten wie den jüngst besuchten Anima-Garten, dem Jardin de Marqueyssac oder dem Hanbury-Garten hinten anstehen muss.

Granada

Granada

Herbstwanderung

Wir machen uns auf zu einer Wanderung am Fuße der Sierra Nevada entlang des kleinen Río Monachil. Nachdem wir auch hier mal wieder den richtigen Einstieg verpasst haben, treffen wir eineinhalb Kilometer später wieder auf den richtigen Weg, ein schmaler, matschiger Trampelpfad direkt neben dem Flusslauf. Es geht rauf und runter, im wahrsten Sinn des Wortes über Stock und Stein. Gottlob gibt es drei kleinere Hängebrücken an den Stellen, wo man den Bach queren muss, so bleiben uns zumindest nasse Schuhe erspart. Vor einer längeren vierten Hängebrücke ist ein 4x4 Meter hohes Holzschild errichtet, das darüber informierte, dass die Brücke nur maximal 4 Personen trägt. In großer Schrift mit mehreren Ausrufezeichen. Man weiß da nie so genau: übertreiben die es jetzt oder sollte ich nochmals die genauen Konditionen der Lebensversicherung checken?

Auf der anderen Seite verändert sich der Weg. Er verläuft nun auf einer schmalen Mauer, die man an einer Seite des Río Monachil hochgezogen hat, hinter der dicke Wasserrohre verlegt waren. Vermutlich war hier früher ein Seitenkanal parallel zum Verlauf der Schlucht, wie wir es schon bei vielen anderen Wanderungen gesehen haben, jetzt zugeschüttet und zum Wanderweg umfunktioniert. Nun geht es zwar ziemlich eben weiter – von der Stelle abgesehen, wo man für 50 Meter Weg ins Flussbett hinabsteigen muss – aber an vielen Stellen ist die Mauer gar nicht breit und niedrig genug, um bequem am Fels vorbei zu kommen. Wir passieren diese Stellen also gebückt, auf den Knien rutschend oder krabbelnd, um vorwärts zu kommen. An anderen Stellen müssen wir uns rücklings weit hinauslehnen, um uns am Fels herumzuhangeln, wobei wir uns dankenswerter Weise an im Fels eingelassenen Griffen festhalten können. Wandern mit Turneinlage. Dass es zum Ende hin auch noch anfängt zu regnen, tut dem ganzen Spaß keinen Abbruch. Schließlich ist es Herbst.

Auf die Gambas!

[2. Dez.]
Mal muss es etwas anderes sein, mal sogar etwas Besonderes. Mehr als ein Vierteljahr lang im Wohnmobil leben, essen und schlafen, und nun ziehen wir um in eine herrliche spanische Villa und schlafen für drei Nächte in einem Raum, der dreimal so groß ist wie unser Ess-, Schlaf-, Wohnzimmer mit Küche/Bad und Autokennzeichen. Wir sitzen an einem riesigen und reichlich gedeckten Frühstückstisch und lümmeln uns abends auf dem Sofa beim Deutschland-Spiel, als die deutsche Fußballmannschaft noch salonfähig war.

Wir sind zu Besuch bei Freunden, die wir nun nach Jahrzehnten, die sie auf anderen Kontinenten zugebracht haben, endlich mal mit dem Auto zuhause besuchen können. Am letzten Abend findet dieser Besuch einen gebührenden Abschluss bei einem gemeinsamen Essen. Dafür fahren wir nach unserem Ausflug ans Meer noch schnell beim Hafen von Xàbia vorbei. Um halb fünf wird hier an der Fischhalle der frische Fisch verkauft, der an diesem Tag ins Netz ging. Die Wahl fällt nicht leicht, obwohl einige Fische von Anfang an nicht in Frage kommen. Ihr Körperbau lässt kaum Schlüsse zu, wie man sie verarbeiten und zubereiten soll. Andere Tiere leben noch, kommen also auch nicht in Frage. Die Wahl fällt schließlich auf die glänzenden, strahlend roten Königsgambas – ohne zu registrieren, dass deren Kilopreis sich an der internationalen Edelmetallbörse orientiert und das halbe Kilo, dass wir uns geben lassen, so teuer ist, als seien die Tierchen Stück für Stück aus Silber ziseliert. Nun, manchmal muss es eben etwas Besonderes sein. So stoßen wir am Abend mit einem Glas Rotwein auf ein paar schöne Tage in Xàbia an: Auf die Gambas!

Zum Anstoßen bekommen wir dann drei Abende später erneuten Anlass. Denn wieder gibt es etwas Besonderes – nein, etwas Einzigartiges zu feiern! Eddie ist in der Welt und wird – vorausgesetzt, er schaltet seinen Rechtsanwalt nicht ein – unsere kleine Gemeinschaft der angeborenen, angeheirateten und angefreundeten Menschen, die um uns herum sind, in den kommenden Jahren bereichern. Zuerst mit vollen Windeln, später mit viel Gebrabbel (ganz der Vater) und dann mit viel Verstand, Weisheit, Humor, Mut, Geduld, Zufriedenheit und hoffentlich große Lust auf gutes Essen. Auf die Gambas!

Die Qual der Wahl

Die Qual der Wahl

Selfie am Meer

Selfie am Meer

Zwei Großstädte zum Preis von einer

[8. Dez.]
Die Rückfahrt in die hessische Heimat verläuft insgesamt in größeren Sprüngen. Nach Granada sind wir für einen Moment auf dem Mond, fahren anschließend nach Xàbia. Danach kommt nicht mehr viel, was wir unternommen haben. Zu kalt, zu windig, zu regnerisch. Natürlich machen wir einen Stopp in Valencia, dann geht es in zwei 200-km-Schritten nach Barcelona.

Etwas länger bleiben wir in der Nähe vom Mond. Auf dem Weg nach Xàbia machen wir Halt auf einem netten kleinen Campingplatz mit spanischer Küche in der Sierra Espuña, um wandern zu gehen. In der Nähe des Campingplatzes liegen die Barrancos de Gebas, eine mondartige Landschaft, auch "Badlands" genannt. Einige Wege führen durch diese Wüste, die trockene Luft dieses sonnig warmen Tags trägt dazu bei, sich hier wie auf einem fremden Planeten zu wähnen.

Nach Amiens, Nantes, Biarritz, San Sebastian, Bilbao, Santiago de Compostella, Porto, Sevilla, Rabat, Marrakesch, Meknès, Gibraltar und Granada ist unsere Lust auf Großstadt inzwischen doch etwas abgeklungen. Und so hüpfen wir in Valencia und Barcelona nur für einen Moment hinein, drehen uns einmal um die eigene Achse und gehen auch schon wieder weiter. Statt uns wie sonst zwei oder drei Tage Zeit zu nehmen, greifen wir hier zu dem Winter-special-Sonderangebot: beide Städte für je 1 Nachmittag zum kleinen Preis. Gekauft!

Ciutat de les Arts i les Ciències in Valencia

Ciutat de les Arts i les Ciències in Valencia

Sagrada Familia in Barcelona

Sagrada Familia in Barcelona

© Andreas Kirchner, 2023
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Berichte von unterwegs mit dem Wohnmobil nach Marokko - vier Monate "on the road": Luxemburg - Frankreich - Spanien - Portugal - Marokko und zurück
Details:
Aufbruch: 10.08.2022
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 12.12.2022
Reiseziele: Luxemburg
Frankreich
Spanien
Portugal
Marokko
Der Autor
 
Andreas Kirchner berichtet seit 8 Monaten auf umdiewelt.
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