Mit dem Wohnmobil auf dem Weg nach Marokko (2022)

Reisezeit: August - Dezember 2022  |  von Andreas Kirchner

10. Etappe: Okzitanien

Geht’s noch?

[10. Dez.]
Wir verlassen Spanien. Das Wetter ist kalt und unbeständig, die letzte kleinere Radtour, die wir noch vor Barcelona gemacht haben, war eigentlich kein Spaß mehr.

Um uns entsprechend der Jahreszeit besser akklimatisieren zu können, besuchen wir den Weihnachtsmarkt in Perpignan – lecker Crêpes und ein heißer Cidre dazu. Wir suchen am Bahnhof von Perpignan nach Dalí – er soll seine künstlerischen Spuren hier hinterlassen haben. Erst nach einer Weile erfolglosen Suchens müssen wir erkennen, dass es sich bei dieser Info allerdings um sein berühmtes Bild „La Gare de Perpignan“ handelt – es hängt im Museum Ludwig in Köln. Geht‘s noch?

Dann folgen ein Stopp am Lac du Salagou (wunderschön, hier müsste man mal Urlaub machen!), ein nächster (durch die Cevennen - wunderschön, hier müsste man mal Urlaub machen!) schon viel weiter nördlich direkt am Seitenkanal der Loire, wo wir tatsächlich mit einem abendlichen Feuerwerk begrüßt werden. Tags darauf sind wir wieder zurück in Deutschland. Und was erwartet uns dort? SCHNEEGESTÖBER! Geht’s noch?

Morgendlicher Blick aus dem Wohnmobiil: wir sind zurück in Deutschland

Morgendlicher Blick aus dem Wohnmobiil: wir sind zurück in Deutschland

An unserem vorletzten Reisetag wollen wir nochmal ausspannen, uns hängenlassen und Ruhe genießen. Es geht in die Therme in Bad Krotzingen. Es wird ein interessanter Tag! Beim Eintritt müssen wir uns einen Bademantel ausleihen. Es gibt ihn nur in One-Size-Fits-All, sprich Größe XL. Die Ärmel müssen wir so weit umschlagen, dass sie nun quasi doppelt liegen. In den Duschräumen müssen wir den Saum hoch raffen, damit er von unten nicht nass wird. Alles kein Problem. Schon eher, dass es proppevoll ist im Saunabereich. Unsere Hoffnung, alle Leute sind heute – es ist Samstag – unterwegs, um ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen, zerschlägt sich. Machen denn alle ihre Einkäufe jetzt online? Oder gehen einfach mehr Leute in die Sauna, um Heizkosten zuhause zu sparen?

Da der Außenbereich jahreszeitlich bedingt nicht genutzt werden kann (er bietet heute einen besonderen Reiz durch seine Palmen, die jetzt mitten im Schnee stehen), sind die Liegen im Innenbereich schon alle belegt. Im Japan-Haus findet sich noch ein Platz, allerdings ist das Haus so unterkühlt wie die Asiaten halt sind, was sofort wieder den Wunsch nach einer wärmenden Sauna weckt. Später verziehen wir uns in die Cafeteria mit der Strategie, uns in die halbwegs bequemen Korbstühle niederzulassen und bis zum Abend dort sitzen zu bleiben, gelegentlich einen Kaffee zu bestellen und dabei in Ruhe zu lesen. Wir bestellen etwas zu essen, ich bekomme eine Riesenportion Elsässischer Wurstsalat – ich wusste nicht, dass die hierfür einen kompletten 1,80 großen Elsässer verwenden, ich musste den Rest stehen lassen. Die Ruhe ist nach dem Essen aber schnell dahin. Schon zuvor war aus der Kelo-Sauna im Außenbereich in stündlichen Abständen Partymusik zu hören, vermutlich um beim regelmäßigen Aufguss für zusätzliche Stimmung zu sorgen. Allerdings immer nur einen Song lang, auch wenn ein Helene-Fischer-Song mir immer seeeehhhhhr lang vorkommt. Jetzt aber hat man den koffergroßen, auf einem Trolley geschnallten Party-Lautsprecher mit sattem Bass und doppeltem Subwoofer in den Liegebereich gerollt. Die drei Reihen Liegestühle werden umgestellt. Die eine Hälfte der Liegestühle wird an die Wand gerückt, in der Mitte wird aus dem Rest ein Halbkreis gebildet, davor die Partybox und eine nun entstandene Tanzfläche. Und mit Cheri, Cheri Lady geht die Party los! Feinste Après-Ski-Musik dröhnt fortan durch die Sauna, kein Entrinnen möglich, auch nicht im „Silentio“, einem Ruheraum mit 14 mit knallrotem Leder bezogenen Wasserbetten, in dem man besonders leise sein soll. Dieser hohe Raum mit Tonnendach gleicht in Ausstrahlung und Dimensionen sowieso schon einer mittelgroßen U-Bahn-Station, jede Bewegung auf dem Wasserbett quietscht und hallt hier mehrere Sekunden nach, die schwere Eingangstür knallt jedes Mal so laut zu, dass man glaubt, die Wasserbetten müssten davon in Schwingung geraten. Dass dieser Raum unmittelbar neben dem Partyraum liegt, führt das ‚Silentio‘ nun vollends ad absurdum. Mittlerweile greift die Partystimmung um sich, die ersten beiden Kisten Bier werden in die Kelo-Sauna getragen und kurze Zeit darauf leer wieder zurück. Eine kleine Frau mit einem bunten Tuch turbanartig um den Kopf gebunden, eine orientalische Decke umgeschlagen, bringt noch fehlende leere Flaschen hinterher, nicht ohne schnell nochmal bei allen den letzten Schluck zu nehmen, bevor sie sie auf die Tresen stellt. Das Ganze wirkt wie ein schlechter Tim Burton-Film. Und während uns lärmende Saunabesucher mit Bierflasche in der Hand entgegenkommen, fliehen wir in den Thermalbereich, der zum Glück so weit entfernt ist von den Saunen, dass man von der Party nichts mehr mitbekommt. Übrig bleibt die Frage: Geht‘s noch?

Morgen jedenfalls geht‘s auf die letzten Kilometer nach Hause. Und wir werden sagen: es geht noch! Die Frage ist nur: wohin das nächste Mal?

© Andreas Kirchner, 2023
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Berichte von unterwegs mit dem Wohnmobil nach Marokko - vier Monate "on the road": Luxemburg - Frankreich - Spanien - Portugal - Marokko und zurück
Details:
Aufbruch: 10.08.2022
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 12.12.2022
Reiseziele: Luxemburg
Frankreich
Spanien
Portugal
Marokko
Der Autor
 
Andreas Kirchner berichtet seit 9 Monaten auf umdiewelt.
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